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10. Februar 2016
Makler zwischen Solvency II und Ratings

Makler zwischen Solvency II und Ratings

Am 01.01.2016 ist das neue europäische Aufsichtsregime Solvency II in Kraft getreten. Für Makler stellt sich die Frage, was sich hinter diesem Regelwerk verbirgt und inwieweit sie die neuen Vorschriften bei ihrer Auswahlentscheidung für eine Produkt­empfehlung berücksichtigen müssen.

Die Rechtsvorschriften zu Solvency II basieren auf der EU-Richtlinie 2009/138/EG vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II). Diese Richtlinie bildet die Grundlage und den Rahmen für die weitere Konkretisierung der Bestimmungen. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte in Deutschland durch das Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen (VAG), das am 01.01.2016 vollständig in Kraft getreten ist. Die Europäische Kommission hat zudem einen sogenannten delegierten Rechtsakt mit Durchführungs­bestimmungen für Solvency II erlassen. Dieser Rechtsakt ist nach Zustimmung durch das Europäische Parlament und den Europäischen Rat bereits im Januar 2015 als Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 in Kraft getreten. Im Unterschied zu der Solvency-II-Richtlinie ist die Verordnung unmittelbar geltendes Recht und bedarf deshalb keiner weiteren Umsetzung.

Die Europäische Kommission hat zudem sogenannte technische Durchführungsstandards verabschiedet und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Diese Durchführungsstandards tragen zum Teil sperrige Bezeichnungen und sollen den Versicherungsunternehmen die Umsetzung der Rechtspflichten aus Solvency II erleichtern (zum Beispiel: „Technischer Durchführungsstandard im Hinblick auf die Verfahren und Muster für die Übermittlung der Informationen an die für die Gruppen­aufsicht zuständige Behörde und für den Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden“).

Die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA erarbeitet darüber hinaus aufsichtsrechtliche Leitlinien und Empfehlungen. Diese sollen innerhalb des europäischen Finanzaufsichtssystems kohärente, effiziente und wirksame Aufsichtspraktiken schaffen und eine gemeinsame, einheitliche und kohärente Anwendung des Unionsrechts sicherstellen. Die nationalen Aufsichtsbehörden müssen zu jeder einzelnen Leitlinie erklären, ob die Inhalte der Leitlinien in der Aufsichts­praxis angewendet werden oder nicht, und gegebenenfalls die Nichtanwendung begründen.

Die Europäische Kommission wird die einheitliche nationale Umsetzung der neuen EU-Vorschriften in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten und der europäischen Aufsicht überwachen.

Inhalte

Inhaltlich geht es bei Solvency II vor allem um eine risikobasierte Eigenmittelausstattung. Dabei wird ein sogenannter Drei-Säulen-Ansatz verfolgt. In der ersten Säule werden die Eigenmittelanforderungen, die Bestimmungen für die Kalkulation der versicherungstechnischen Rückstellungen und die Überprüfung der Berechnungsansätze festgelegt. In der zweiten Säule werden die qualitativen Anforderungen an die Ausübung der Tätigkeit der Versicherer sowie die Grundsätze und Methoden der Aufsicht festgelegt. Die zweite Säule beinhaltet darüber hinaus auch Vorgaben für die Geschäftsorganisation (Governance) der Versicherungsunternehmen. Dazu zählen Eignungsanforderungen, Risikomanagement, interne Bewertung von Risiko und Solvabilität, interne Kontrolle, internes Audit, versicherungsmathematische Funktion und die Rahmenbedingungen für Ausgliederung. Die dritte Säule regelt Marktdisziplin, Transparenz und Veröffentlichungspflichten der Versicherungsunternehmen gegenüber den Aufsichtsbehörden.

Bedeutung für Makler

Angesichts der Komplexität der neuen aufsichtsrechtlichen Vorschriften ist es kein Wunder, dass sich die Versicherungsunternehmen in den vergangenen Jahren sehr intensiv auf die praktische Umsetzung der neuen Vorgaben vorbereitet haben. Solvency II gehört seit Langem zu den zentralen Gesprächsthemen auf allen Leitungsebenen. Die Mehrheit der kleinen und mittelständischen Makler hat sich dagegen mit diesem Thema bisher nur wenig beschäftigt. Das wird sich möglicherweise schlagartig ändern, wenn die üblichen Verdächtigen den Maklern erklären, dass diese verpflichtet seien, im Rahmen ihrer Auswahlentscheidung Versicherungsunternehmen daraufhin zu untersuchen, ob diese ihre Verpflichtungen nach Solvency II einhalten. Sicher eine ambitionierte These.

Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zugrunde zu legen, sodass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahingehend abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen. Dabei kommt es darauf an, dem Kunden einen sachgerechten, individuell passenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Der BGH hat schon in der Sachwalterentscheidung von 1985 festgestellt, dass der Versicherungsmakler dazu auch über seinen mit dem Kunden abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag vertraglich verpflichtet ist. Bleibt die Frage, welche Kriterien der Makler bei der Auswahl von Versicherern und Versicherungsverträgen berücksichtigen muss, damit die Kundenbedürfnisse erfüllt werden. Hier kommt es darauf an, alle Aspekte zu erfassen und zu bewerten, die als fachliche Kriterien im Sinne des Gesetzes anzusehen sind, wie etwa Preis- und Produktgestaltung, Regulierungsverhalten und Serviceleistungen. Zu den wichtigen Kriterien bei der Auswahlentscheidung gehört unbestritten auch die Finanzstärke des Versicherungsunternehmens. Darauf hat der Arbeitskreis Beratungsprozesse bereits im Jahr 2006 hingewiesen. Denn was nützen dem Kunden die besten Bedingungen, wenn der Versicherer nicht in der Lage ist, seine versicherungsvertraglichen Verpflichtungen finanziell einzuhalten.

Während die Beurteilung und Auswahl angemessener Versicherungsbedingungen, Tarife und Preise für das Kundenrisiko sowie die Einschätzung der Servicefähigkeit der Versicherer von jeher zu den Kernkompetenzen der Versicherungsmakler zählt, ist die Beurteilung anderer Kriterien, insbesondere der Finanzstärke von Versicherungsunternehmen, von den meisten kleinen und mittelständischen Maklern ohne externe Informationen in der Regel nicht zu leisten. Insoweit sind Finanzkraft-Ratings von Versicherern (IFSR) im Maklermarkt grundsätzlich unverzichtbar. Kein Richter wird von einem kleinen oder mittelständischen Makler verlangen, dass dieser mit Bordmitteln die Finanzstärke eines Versicherungsunternehmens beurteilt. Umgekehrt wird aber jeder Richter erwarten, dass ein kleiner oder mittelständischer Makler seine Auswahlentscheidung für ein Versicherungsunternehmen mit schwachem Finanzstärke-Rating besonders begründet, insbesondere dann, wenn das Versicherungsunternehmen in Insolvenz geraten ist. Dies muss ceteris paribus auch für Solvency II gelten. Solvency II soll das Risiko der Insolvenz eines Versicherers verringern. Dazu muss der Versicherer seine Pflichten aus Solvency II erfüllen und der BaFin berichten. Dies zu überwachen, ist Aufgabe der BaFin und nicht der Makler. Insoweit wird Solvency II für Makler haftungsrechtlich erst relevant, wenn Informationen – etwa durch eine BaFin-Veröffentlichung – verfügbar sind, aus denen ersichtlich ist, dass ein Versicherungsunternehmen seine Pflichten aus Solvency II nicht einhält.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2016, Seite 92f.