AssCompact suche
Home
Investment
14. August 2018
Mr. Dax: „Es droht der größte Crash der letzten Jahrzehnte“

Mr. Dax: „Es droht der größte Crash der letzten Jahrzehnte“

Dirk Müller ist einer der bekanntesten Börsenexperten in Deutschland. Im Gespräch mit AssCompact sieht Mr. Dax aktuell alle Ingredienzen für den größten Crash der letzten Jahrzehnte beisammen. Einen Crash, den Anleger mutig für sich nutzen sollten – auch wenn in den kommenden Jahren Kursverluste von über 40% drohen.

Herr Müller, wie gefährlich ist der aktuelle Handelskrieg für Menschen und Märkte?

Extrem gefährlich, und zwar vor allem in seinen mittelbaren Auswirkungen. Die Strafzölle umfassen 200 Mrd. Dollar. Das ist nichts anderes als eine Abschöpfung der Kaufkraft der Bürger. Wenn ich mir eine Harley Davidson kaufe und die jetzt 25% teurer ist, kostet mich das zusätzliche Kaufkraft. Das Geld geht aber nicht an das Unternehmen, das es investieren oder als Gewinn an die Aktionäre geben könnte, sondern an den Staat und verschwindet dort im Steuersäckel. Durch den Handelskrieg wird direkt und weltweit Kaufkraft abgeschöpft. Bei den Amerikanern genauso wie bei den Europäern und Chinesen.

In den USA sind die Preise für Stahl durch die Zölle bereits massiv gestiegen. Dadurch gehen auch die Preise aller Produkte nach oben, die diesen Stahl in der Produktion brauchen. Auf der anderen Seite brechen die Preise für Sojabohnen in den USA stark ein, weil die Chinesen Gegenzölle erhoben haben. Dadurch werden weniger Sojabohnen nach China exportiert. Sie bleiben also in den USA. Das so entstandene Überangebot drückt dramatisch auf den Preis, weil die Bauern ihre Ware schwerer losbekommen. Fast alle Branchen sind von der entstandenen Unsicherheit betroffen. Keiner weiß, was als Nächstes kommt. Welche Zölle kommen nächste Woche? Und was heißt das für meine Handels- und Lieferketten? Diese Fragen treiben die Unternehmer derzeit weltweit um.

Was hat das für Folgen?

Man wird jetzt rund um den Globus sehr schnell die Investitionen zurückfahren. Man kann schlechter kalkulieren und wenn man nicht weiß, was kommt, reduziert man die Investitionen. Das in Kombination mit der Abschöpfung der Kaufkraft führt letztlich zu einer sehr, sehr starken Abkühlung der Wirtschaft – und zwar weltweit. Und das in einer Situation, in der die Weltwirtschaft ohnehin an ihrem Scheitelpunkt ist. Insgesamt haben wir also eine sehr, sehr gefährliche Lage.

Wird das auch an den Kapitalmärkten ankommen?

In China ist es jetzt schon angekommen. Während Dax und Dow Jones sich noch relativ stabil halten, hat der chinesische Aktienmarkt bereits rund 30% verloren. Das ist schon eine Hausnummer.

Warum halten sich die westlichen Indizes noch gut?

Wir haben, speziell in den USA, extreme Aktienrückkaufprogramme durch die Repatriierung ihrer ausländischen Gelder infolge der US-Steuerreform. Wir erleben die größte Aktienrückkaufwelle in der Geschichte. US-Firmen haben im ersten Halbjahr 680 Mrd. Dollar in eigene Aktien investiert. Das stützt natürlich den Markt immens. Tatsächlich sind die Unternehmen die einzigen Nettokäufer, die momentan am Markt sind.

Alle anderen Gruppen – von ETFs über Profiinvestoren bis hin zu Insidern – verkaufen seit Monaten Aktien ab. Der Markt fällt aber nicht, weil die Unternehmen ihre eigenen Aktien kaufen. Selbst die Vorstände verkaufen überwiegend ihre eigenen Aktien, weil sie ihnen zu teuer erscheinen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die führenden Angestellten einer Firma verkaufen Aktien der Firma mithilfe des Geldes ihrer Firma. Das ist eine Perversion, wenn auch eine ganz legale Perversion. Wenn die Insider und die Großanleger verkaufen, sollte sich der Kleinanleger jedenfalls gut überlegen, ob es der richtige Zeitpunkt ist, um Aktien zu kaufen.

Herrscht also eine gewisse Crashgefahr?

Ich sehe sogar die Gefahr eines großen Crashs jenseits der 40%. Es droht der größte Crash der letzten Jahrzehnte. Wir haben alle Ingredienzen hierfür zusammen. Wir haben einen reifen Markt. Wir haben in China die größte Blase der Weltwirtschaftsgeschichte. Und wir sehen, dass die USA einen ganz aggressiven Kurs fahren, um China den Stecker zu ziehen. Es ist ja nicht nur so, dass die Zölle angehoben werden. Gleichzeitig heben die USA die Zinsen an. Das führt dazu, dass sehr schnell sehr viel Geld aus China abgezogen wird. Das sieht man an den Aktienmärkten, aber auch an den Immobilienmärkten und an den Währungsreserven. Ich sage seit Jahren, dass China die größte Blase der Weltwirtschaftsgeschichte ist – und steigende US-Zinsen sie zum Platzen bringen werden. Dazu kommt nun noch der Handelskrieg obendrauf. Es ist alles angerührt, um China in die Katastrophe zu führen. China lebt von permanentem Wachstum und Investorengeldern. In dem Moment, wo sich das umdreht, bricht das Kartenhaus zusammen.

Und dieser Crash wird sich dann auch auf den Rest der Welt auswirken …

Absolut. Durch die globale Vernetzung wird es einen Crash geben, der sich rund um den Globus zieht und eine immense Dimension haben wird, schlichtweg weil China so groß ist. Der Knall wird laut werden und durch die Globalisierung wird er nicht regional bleiben.

Warum provoziert Amerika eine Situation, unter der man selber leiden wird?

Sie haben gar keine andere Möglichkeit, als genau das zu tun. China ist drauf und dran, Amerika als Weltmacht Nummer eins abzulösen. China rüstet sogar das Militär so auf, dass das Land in die Lage kommen soll, einen Krieg mit den USA zu gewinnen. Wann immer in der Weltpolitik eine aufstrebende Macht auf den Plan kam, die den bestehenden Hegemon abzulösen drohte, war dies in nahezu allen Fällen ein Grund für einen großen Krieg zwischen dem alten und dem aufstrebenden Hegemon. China möchte das durch eine hohe Geschwindigkeit verhindern. Doch Amerika ist auch nicht blöd. Die sehen das natürlich und wollen sich dagegen wehren, solange sie noch können. Genau das passiert gerade. Amerika nimmt zwei Jahre Weltwirtschaftskrise in Kauf dafür, dass man weitere Jahrzehnte die Weltmacht Nummer eins bleibt.

Also ist nicht nur der „unberechenbare“ Donald Trump der Auslöser?

Trump ist kein einsamer, irrer Diktator, der sich über Nacht an die Macht geputscht hat. Niemand wird in Amerika Präsident ohne den Einfluss großer Machtnetzwerke. Unter den genannten Aspekten ist es sogar völlig logisch, was Trump macht. Die Strategen im Hintergrund werden ihm nach dem Crash genau das anlasten und ihn als Alleinverantwortlichen für die globale Abschottung darstellen. Anschließend wird man die Lehre ziehen, dass man mit der Globalisierung richtig lag. Die Zölle und Nationalismen, die in die Katastrophe geführt haben, werden dann durch eine neue große Welle der Globalisierung mit einem weitreichenden Freihandel abgelöst. Dagegen wird sich keiner mehr stellen, weil man ja gesehen hat, zu welcher Katastrophe Zölle führen.

Sollte man so lange in Krisenwährungen wie Gold flüchten?

Wenn der Crash kommt, wird es einen starken Rückgang über alle Asset-Klassen geben. Es dürfte ein ähnlicher Liquiditäts­crash werden, wie wir ihn 2008 gesehen haben – nur in einer größeren Dimension. Für mich ist die Strategie, die ich selbst und in meinem Fonds fahre, die einzig richtige.

Wie sieht diese aus?

In Aktien investieren, aber diese gleichzeitig abzusichern. Im Dirk Müller Premium Aktien Fonds sind wir momentan zum Beispiel zu 100% abgesichert. Wenn es nach unten geht, bleibt das Portfolio stabil oder steigt an manchen schwachen Tagen sogar an, weil die Absicherung mehr einfährt als die Aktien verlieren und sich die ausgewählten Aktien besser als der Gesamtmarkt schlagen.

Warum nicht lieber gleich in Cash gehen, sprich das Geld aufs Bankkonto legen?

Weil im Falle eines Inflationsszenarios das Geld dann deutlich an Wert verlieren würde. Wenn ich in Aktien bleibe, besteht diese Gefahr nicht. Wenn das Geld auf der Bank liegt, bin ich zudem der Gefahr eines Bail-in ausgesetzt. Macht die Bank dicht, ist mein Geld möglicherweise einkassiert. Aktien sind dagegen Sondervermögen und werden nicht kassiert, sondern im Notfall an eine andere Bank übertragen und mir wieder ausgehändigt. Durch die Absicherung der Aktienkurse generiere ich zudem die Liquidität, um während des Ausverkaufs günstig nachzukaufen. Bei vielen großen Vermögen wurde der Grundstein dadurch gelegt, dass die Menschen die Ausverkäufe in Krisenzeiten mutig für sich genutzt haben. Das ist für mich auch die Königsstrategie für die momentane Situation.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 08/2018, Seite 64 f.

 
Ein Artikel von
Dirk Müller