AssCompact suche
Home
Assekuranz
27. Oktober 2016
Muss sich die Versicherungswirtschaft neu erfinden?

Muss sich die Versicherungswirtschaft neu erfinden?

Die Frage „Muss sich die deutsche Versicherungswirtschaft neu erfinden?“ wurde am ersten DKM-Messetag in der traditionellen „Elefantenrunde“ diskutiert. Gemeinsam mit Moderator Dr. Marc Surminski sprachen die Vorstände Dr. Karsten Eichmann, Gothaer, Dr. Andreas Eurich, Barmenia, Dr. Markus Faulhaber, Allianz, und Dr. Alexander Vollert, AXA, unter anderem über die Auswirkungen der Negativzinsphase, die Folgen der Digitalisierung und die FinTech-Konkurrenz.

Die Auswirkungen der Niedrigzinsphase sind enorm und haben demzufolge Auswirkungen auf die traditionelle Produktlandschaft der deutschen Versicherungslandschaft. Denn Garantien kosten unbestritten Rendite. Die Zukunft gehört damit den eingeschränkten Garantieformen. Über diese Punkte herrschte zwischen den diesjährigen Diskussionsteilnehmern der Vorstandsrunde in der Speaker’s Corner der DKM Einigkeit. Der Allianz-Vorstand Dr. Markus Faulhaber hob das seiner Ansicht nach deutliche vorhandene Potenzial für die neuen Altersvorsorgeprodukte hervor. Voraussetzung für einen Erfolg der neuen Produktgeneration sei, dass man die richtige Balance zwischen Chancen und Risiko finde. Und man müsse Produkte zur Verfügung stellen, die – auch angesichts der Digitalisierung – direkt verstanden werden können sowie einfach und auch fair sind. Laut AXA-Vorstand Vollert müssen sich die Produkte der Zukunft mehr an die Bedürfnisse der Kunden anpassen. Daher müsse die Anspar- und die Auszahlungsphase deutlich flexibler werden. Es sei aber auch wichtig, dass die Administrationskosten – insbesondere die Schnittstellenkosten – reduziert werden. Hierzu seien IT-Investitionen zwingend notwendig. Die Chancen der Digitalisierung seien zu nutzen. Auch Barmenia-Vorstand Eurich zeigte sich überzeugt, dass die private Vorsorge weiterhin ihren Platz haben wird. Man müsse dem Kunden nur verlässliche Lösungen mit Perspektiven bieten.

Angesprochen auf den Widerspruch, dass die deutschen Kunden Garantien gewohnt seien und diese immer noch fordern, der Markt dies aber nicht anbieten könne bzw. die „Klassik“ keine Zukunft mehr böte, erläuterte der Vorstandsvorsitzende der Gothaer, Dr. Karsten Eichmann, dass es in den letzten zwei Jahren zu einem Erkenntnisprozess gekommen sei. Den Menschen sei bewusst, dass sie aufgrund der Zinssituation auch bei vermeintlich sicheren Anlageformen keine Renditen mehr bekommen. Daher sei man dem Thema neue Produkte deutlich aufgeschlossener gegenüber. Trotzdem werde man auch in Zukunft nicht ganz ohne Garantien auskommen. Je nach individuellem Risikoprofil gehe man in seinem Haus davon aus, dass sich die Garantien zwischen 60 und 90% einpendeln werden. Diese Ansicht bekräftigte auch Allianz-Vorstand Faulhuber. Ohne Garantien werde die Nachfrage sehr beschränkt sein. In Deutschland werde es eine Altersvorsorge ohne jegliche Sicherheit nicht geben.

Enormer Kostendruck wird auch Auswirkungen auf Vermittlervergütung haben

Nach wie vor stehe die Branche unter einem enormen Kostendruck. Dies wird insbesondere von der Politik kritisch wahrgenommen. Daher waren sich alle Diskutanten einig, dass die Kosten weiter gesenkt werden müssen, bevor es hier zu einer politischen Steuerung komme. Betont wurde aber auch, dass Vermittler mit ihrer Beratung einen wichtigen Beitrag leisten, der natürlich auch adäquat bezahlt werden müsse. Eichmann wies darauf hin, dass das Kostenniveau insgesamt weiter gesenkt werden müsse. Es gehe nicht nur um die Vertriebskosten.

Neue Konkurrenz durch FinTechs und Google?

Auch die FinTechs waren Thema der Diskussionsrunde. Einigkeit herrschte darüber, dass die neuen Unternehmen als Vertriebskanäle anzusehen sind. Wichtig sei nun, dass sowohl die Versicherer als auch die Vermittler es schaffen müssten, die Kunden dort abzuholen, wo sie sind: im Internet. Hier müsse man sich selbst dazu zwingen, sich „schneller zu bewegen“.

Angesprochen auf eine weitere mögliche neue Konkurrenz für die Versicherungswirtschaft durch den Internetriesen Google wies Dr. Andreas Eurich auf die bereits gescheiterten Versuche von Google auf dem Versicherungsmarkt Fuß zu fassen hin. Seiner Ansicht nach wird Google in naher Zukunft keine Konkurrenz in der deutschen Versicherungswirtschaft darstellen. Etwas anderer Ansicht ist Dr. Markus Faulhaber. Zwar werde Google wohl nicht in den Markt eintreten, doch sei eines klar: Der Konzern hätte durchaus die notwendige Finanzkraft um eine ernst zu nehmende Konkurrenz darzustellen. Das Know-how könnte ohne Weiteres zugekauft werden und ein entsprechendes Unternehmen könnte schnell auf die Beine gestellt werden. Dr. Alexander Vollert ergänzte, dass es für ein Unternehmen wie Google derzeit uninteressant sei, in diesen Markt einzusteigen. Seine Begründung ist simpel: Derzeit seien die Gewinnmargen in der deutschen Versicherungswirtschaft einfach zu gering und damit uninteressant für einen Konzern wie Google. (kb)