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19. Juli 2018
Pflichten und Obliegenheiten bei der Vermögensschadenhaftpflicht

Pflichten und Obliegenheiten bei der Vermögensschadenhaftpflicht

Die Tücken und Lücken der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung sollten Anlageberatern wie Versicherungsmaklern bekannt sein. Denn die Risiken sind langfristig angelegt und stecken häufig im Detail, sagt Rechtsanwalt Oliver Renner von Rechtsanwälte Wüterich Breucker.

In der Vergangenheit waren immer mehr Großschäden zu verzeichnen. Als Beispiele hierfür seien nur plakativ benannt Infinus, Phoenix Kapital, S&K sowie jüngst P&R. Serienfehler im Rahmen der Anlageberatung können im Falle einer nicht bestehenden oder nicht eintretenden Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (VSH-Versicherung) für den einzelnen Anlageberater oder Anlagevermittler existenzvernichtend sein.

Umso bedeutender ist daher das Wissen, dass auch entsprechender Versicherungsschutz im Falle der Inanspruchnahme besteht. Problematisch hierbei ist, dass sich der Schadenfall oftmals erst Jahre später nach der Beratungsleistung respektive Vermittlungsleistung, also nach Zeichnung durch den Anleger, realisiert. Hier besteht ein Long-Tail-Risiko für den Berater, da hier gegebenenfalls Deckungslücken entstehen können oder aufgrund verspäteter Mitteilung des Versicherungsfalles Deckungsschutz versagt werden könnte.

Obliegenheit zur Schadenmeldung

Bereits ein drohender Schaden ist bei Bekanntwerden dem VSH-Versicherer zu melden. Ein dahingehender Obliegenheitsverstoß kann zum nachträglichen Entzug der Deckung führen. Das Argument des Versicherers in einem solchen Fall ist: Bei rechtzeitiger Meldung hätte man den drohenden Schadenfall noch retten können. Die Meldeobliegenheit besteht bereits dann, wenn beim Versicherungsnehmer das Wissen um einen möglicherweise begangenen Pflichtverstoß besteht. Das bloße Wissen um Symptome reicht aber nicht aus (BGH, VersR 2007, 389; 2008, 905). Gegebenenfalls muss in den jeweiligen VSH-Policen geprüft werden, ob eine Meldeobliegenheit erst bei schrift­licher Inanspruchnahme besteht.

Wird bei bloßer außergerichtlicher Inanspruchnahme ohne Klage eine Deckungszusage abgelehnt, muss zudem aufgrund des Long-Tail-Risikos die Verjährungsfrist für eine gegebenenfalls notwendige Deckungsklage (in der Regel drei Jahre nach Ablehnung) beachtet werden.

Zeitlich begrenzte Nachhaftung

Im Falle eines Versicherungswechsels ist zudem das Problem der zeitlich begrenzten Nachhaftung zu beachten. Insbesondere bei älteren VSH-Deckungen ist Nachhaftung oft auf zwei, drei oder fünf Jahre begrenzt. Verstöße sind mithin nur versichert, wenn sie nicht nach Ablauf der zeitlich begrenzten Nachhaftung gemeldet werden. Es handelt sich hierbei um eine Ausschlussfrist. Die Verfristung schadet nur dann nicht, wenn den Versicherungsnehmer „kein Verschulden trifft“ (so LG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2007, Az.: 9 O 145/07; so auch schon BGH, Urteil vom 08.02.1965, Az.: II ZR 171/62 – zu § 12 VVG a. F.). Den Versicherten trifft aber die Beweislast für ein Nichtverschulden der Fristversäumnis, da ansonsten eine faktisch unbegrenzte Nachhaftung bestehen würde (so OLG Stuttgart, Urteil vom 27.11.2008, Az.: 7 U 89/08). Beim Versichererwechsel ist daher die Übernahme der Nachhaftung dringend zu vereinbaren oder es sollte ein Vertrag gewählt werden, bei dem die Übernahme der Nachhaftung auf alle Vorverträge zeitlich unbegrenzt ist.

Es ist auch zu prüfen, ob beim VSH-Wechsel der VSH-Makler auf die Deckungslücke der zeitlich begrenzten Nachhaftung hingewiesen hat. Ähnliches gilt auch gegebenenfalls bei der Berufsaufgabe, da eine zeitlich nur ausschnittsweise Deckung eine wirksame Risikobeschränkung des VSH-­Versicherers ist, über die der Makler aufklären muss. Wenn die Aufklärung nicht erfolgt ist, kann hier eventuell Regress genommen werden.

Risikoausschluss bei Vorsatz

In der Regel gilt folgende Risikoausschlussklausel: Versicherungsschutz besteht nicht für Ansprüche wegen vorsätzlicher Schäden oder wegen Schäden, die durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzungen entstehen.

Notwendig ist aber eine positive Kenntnis der verletzten Pflicht. Ein bloßer Eventualvorsatz reicht nicht aus. Nach einem grundlegenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.09.2005 (Az.: IV ZR 255/04) handelt wissentlich nur derjenige Versicherte, der die verletzten Pflichten positiv kennt. Bedingter Vorsatz, bei dem er die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus wie eine fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat.

Der hoffnungslose Fall

Die obigen Ausführungen zeigen, dass in der Auseinandersetzung um die Frage der Deckung durch die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung einiges argumentiert werden kann, um letztlich eine positive Deckungszusage zu erreichen. Wichtig ist nur, dass ein in dieser Materie auch erfahrener Rechtsanwalt beauftragt wird, der die Tiefen des Versicherungsrechts kennt. Aber selbst dann gibt es hoffnungslose Fälle, wie der folgende zeigt: Ein Versicherungsmakler empfiehlt, eine Lebensversicherung zu kündigen und mit dem Rückzahlungsbetrag eine Kapitalanlage zu zeichnen, die ihrerseits dann dem Kunden nur Verluste brachte.

Das Oberlandesgericht Köln hat hier mit Urteil vom 24.07.2015 (Az.: I-20 U 44/15) eine Deckung abgelehnt. Nach den hier relevanten Besonderen Bedingungen der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Finanz- und Versicherungsmakler bestand Versicherungsschutz für die Ausübung der Tätigkeit als Ver­sicherungsmakler nur im handelsüblichen Rahmen. Nicht mehr zu den handelsüblichen Tätigkeiten eines Versicherungsmaklers gehört es, seinen Kunden über andere Anlagemöglichkeiten außerhalb des Versicherungsbereichs zu beraten. Das ist die Aufgabe von Anlagevermittlern und Anlageberatern. Für die Vermittlung der Kapitalanlage bestand daher kein Versicherungsschutz, da es keine handelsübliche Tätigkeit eines Versicherungsmaklers ist.

Man könnte nun den Versicherungsschutz über die Empfehlung, die Lebensversicherung zu kündigen, herleiten. Aber hierzu hat das Oberlandesgericht dann entschieden: Rät ein Versicherungsmakler einem Kunden dazu, eine Lebensver­sicherung zu kündigen oder zu verkaufen, ohne ihn auf die Nachteile hinzuweisen, dann verletzt er eine elementare berufliche Pflicht, von der er als in dem Beruf des Versicherungsmaklers Tätiger Kenntnis hat. Das reicht zur Annahme einer wissentlichen Pflichtverletzung aus. Hier bestand mithin wegen wissentlicher Pflichtverletzung kein Versicherungsschutz.

Fazit: Besser präventiv beraten lassen

Die Tücken und Lücken der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung sollten bekannt sein, damit am Ende kein hoffnungsloser Fall gegeben ist, der aufgrund von Großschäden gegebenenfalls existenzvernichtend sein kann. Besser in präventive Beratung investieren, als teures Lehrgeld zu bezahlen.

Den Artikel lesen Sie auch in der AssCompact 07/2018, Seite 126 f.
 
Ein Artikel von
Oliver Renner