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19. Oktober 2018
Policen Direkt: „Wir kaufen Lebensversicherungsverträge grundsätzlich auch im Run-off“

Policen Direkt: „Wir kaufen Lebensversicherungsverträge grundsätzlich auch im Run-off“

Als großer Aufkäufer von Lebensversicherungen analysiert Policen Direkt die Kennzahlen und Finanzberichte der Gesellschaften. Auch das Thema Run-off spielt bei diesem Geschäftsmodell eine immer größer werdende Rolle, sagt Geschäftsführer Max Ahlers.

Herr Ahlers, sind gute LV-Kennzahlen die notwendige Basis für Ihr Geschäftsmodell?

Wir verwalten rund 12.000 Lebensversicherungsverträge im Wert von knapp 1 Mrd. Euro. Damit sind wir der größte institutionelle Versicherungsnehmer in Deutschland. Für den nachhaltig erfolgreichen Ankauf von Lebensversicherungen sind für uns die Transparenzdaten deutscher Lebensversicherer extrem wichtig. Wir müssen nämlich neben individuellen Vertragsdaten auch die langfristige Sicherheit der Versicherer im Auge haben. Längst nicht alle Gesellschaften veröffentlichen Ratings, weswegen wir auf frei zugängliche Quellen zurückgreifen. Um für mehr Transparenz in der Versicherungsbranche zu sorgen, teilen wir unsere Analysen zu den Standmitteilungen, zur laufenden Verzinsung, zur Mindestbeteiligung an den Ertragsquellen und zu den Solvenzquoten mit der Öffentlichkeit. Wir betreiben damit ein Stück weit Verbraucherschutz aus Geschäftsinteresse.

Welches Fazit ziehen Sie dann aus den aktuellen Solvenzquoten?

Im Schnitt hat sich die aufsichtlich relevante Solvenzquote im Vergleich zum Vorjahr um 16% verbessert. Das ist zum einen auf die höheren Marktzinsen zurückzuführen. Zum anderen kommen Versicherer offenbar auch mit den Regulierungsvorschriften besser zurecht. Die Quoten, die wir regelmäßig unter http://solvenzquoten.de veröffentlichen, sind Gradmesser für die aktuelle Sicherheit und Stabilität. Sämtliche Lebensversicherer können ihre Leistungsversprechen erfüllen.

Welche Bedeutung haben Solvenzquoten für den Vertrieb?

Vor dem Hintergrund der neuen IDD-Richtlinie und den damit verbundenen Betreuungspflichten haben die Solvenzquoten eine hohe Relevanz für den Versicherungsvermittler – auch mit dem Blick auf mögliche Haftungsrisiken. Sie ermöglichen als zusätzliche vergleichbare Kennzahl eine ganzheitliche Beratung der Kunden. Vermittler sollten die Solvenzquoten daher proaktiv in den Beratungszyklus integrieren oder anders formuliert: Wer sich bei den Solvenzquoten und damit der Sicherheit und Stabilität der Versicherer auskennt, stärkt das Kundenvertrauen und festigt sein Mandat.

Was können Sie uns zu den Standmitteilungen sagen, die ja immer wieder diskutiert werden?

Seit Juli müssen Versicherer über die folgenden Punkte informieren: Todesfallleistung, garantierte Ablaufleistung, garantierte Ablaufleistung bei Beitragsfreistellung und aktueller Rückkaufswert des Vertrages. Für Neuabschlüsse sind zudem Angaben über die eingezahlten Beiträge obligatorisch. Die meisten Versicherer haben die Vorgaben des Gesetzgebers inzwischen umgesetzt, und zwar so, dass die Standmitteilungen nicht nur mehr Informationen enthalten, sondern diese auch verständlicher dargestellt sind. Aber einzelne Versicherer warten anscheinend noch mit der Umsetzung der neuen Verordnung ab oder setzen nur das gesetzlich geforderte Minimum um – oder aber verzichten ganz auf zusätzliche Angaben.

Verbesserungen können wir auch bei der Angabe über die Beteiligung an den Bewertungsreserven feststellen. Wesentlich mehr Unternehmen geben hier jetzt Informationen zur aktuellen Höhe der variablen und deklarierten Anteile in den Vertragswerten bekannt. Aber auch aufgrund der Komplexität dieses Themas gelingt dies in aller Regel nicht in einer einfachen, verständlichen Weise.

Wie beobachten Sie die Stilllegung des LV-Geschäfts bei einzelnen Versicherern bzw. auch die externen Run-offs?

Medial schlagen die Wogen aktuell hoch. Als größter institutioneller Versicherungsnehmer sehen wir das Thema indes pragmatisch. Wir setzen hier auf die gesetzlichen Vorschriften und die Regulierung durch die BaFin, die sicher­stellen muss, dass die Versicherten nicht benachteiligt werden.

Kaufen Sie denn Verträge im Run-off überhaupt an?

Wir kaufen Verträge sämtlicher deutschen Versicherer. Es spricht aktuell nichts dagegen, dass sowohl die Versicherer mit Verträgen im internen Run-off als auch die Run-off-Plattformen ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen und die Garantien erfüllen. Hinzu kommt, dass Verträge im externen Run-off sehr oft hohe Garantien haben. Für uns sind sie deshalb grundsätzlich interessant – wir prüfen sie aber stets individuell. Für die längerfristige Perspektive und Sicherheit behalten wir die Kennzahlen und Finanzberichte der Versicherer im Blick.

Steigt das Interesse der Versicherten am Verkauf ihres Vertrags?

Das Stornovolumen ist im vergangenen Jahr um 2,4% auf knapp 12,7 Mrd. Euro gestiegen. Wenn man sich vor Augen führt, wie viele Policen zweitmarktfähig gewesen wären, und den Mehrerlös überschlägt, heißt das: Die Deutschen haben allein 2017 mehr als 100 Mio. Euro verschenkt, weil sie ihre Lebensversicherung storniert haben, statt sie auf dem Zweitmarkt zu verkaufen. Die Stimmung auf dem Zweitmarkt ist dennoch sehr gut, denn die Unternehmen konnten ihr Ankaufsvolumen im Vergleich zum Vorjahr konstant halten. Über 70% der angebotenen Verträge können angekauft werden.

Der Bekanntheitsgrad des Zweitmarktes ist indes immer noch ausbaufähig. Wir plädieren deshalb für eine gesetzliche Hinweispflicht für Versicherer. In Großbritannien hat eine derartige Regelung dazu geführt, dass 85% der Bevölkerung die Möglichkeit zum Verkauf der Lebensversicherung auf dem Zweitmarkt kennen. Wir sind davon überzeugt, dass von einer entsprechenden Regelung in Deutschland auch die Versicherten hierzulande stark profitieren würden.

Wie ist die Vorgehensweise, wenn ein Vermittler dem Kunden zum Verkauf rät und Kontakt mit Ihnen aufnimmt?

Der Prozess läuft bei uns komplett digital: In wenigen Minuten können Sie bei uns auf der Website ein Angebot einholen. Wenn alle relevanten Informationen vorliegen, bekommen Sie umgehend die Unterlagen. Nach Unterzeichnung des Kaufvertrages dauert die Bearbeitung durch den Versicherer in der Regel zwei bis vier Wochen.

Wie ist denn Ihre Einstellung zur Rückabwicklung von LV-Verträgen aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrung, die für einige Jahrgänge laut BGH und EuGH möglich ist?

Eine Rückabwicklung dauert lange, ist teuer und unter Umständen mit erheblichen Steuerrückzahlungen verbunden. Wer Liquidität braucht, kann meist nicht so lange warten, bis ein Urteil gefällt ist. Der Anspruch auf eine Rückabwicklung muss nämlich im Einzelfall gerichtlich durchgesetzt werden und ist in vielen Fällen keineswegs sicher. Es besteht also ein erhebliches Prozess- und Kostenrisiko. Schnellen, einfachen und garantierten Mehrwert gibt es nur über den Verkauf.

Sie haben als weiteres Standbein die Maklernachfolge im Angebot. Wie passt das überhaupt ins Konzept?

Wir haben mittlerweile rund 15.000 Makler und Vermittler in unserem Netzwerk. Das Problem der Bestandsnachfolge wird damit regelmäßig und direkt an uns herangetragen. Als kapitalstarker mittelständischer Makler, der bundesweit auch in der Vermittlung tätig ist, bilden wir sämtliche Funktionen selbst ab. Mit unserem Fokus auf Digitalisierung und Automatisierung besitzen wir Fähigkeiten, die für Maklerunternehmen zunehmend erfolgsentscheidend werden. Unser Ziel ist es, Maklerunternehmen in Nachfolgesituationen zu übernehmen und weiterzuführen, um eine deutschlandweite Maklergruppe aufzubauen.

Wie genau sieht Ihr Angebot an dieser Stelle aus?

Wir verfolgen zwei Ansätze. Zum einen übernehmen wir größere Maklerunternehmen und machen sie fit für den digitalen Strukturwandel. Diese Unternehmen erhalten das Know-how aus unserer Gruppe und werden von einem Nachfolger weitergeführt. Zum anderen übernehmen wir das Bestandsgeschäft kleinerer und mittlerer Makler im Wege von Asset Deals.

Das Interview lesen Sie auch in AsscCompact 42 f.

 
Ein Artikel von
Max Ahlers