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Steuern & Recht
29. Juni 2015
Schlecht beraten: Mit 56 Jahren von der GKV in die PKV

Schlecht beraten: Mit 56 Jahren von der GKV in die PKV

Ein 56-jähriger Mann wechselte auf Empfehlung seiner Bank von der GKV in die PKV. Wenige Jahre später stellte er fest, dass seine PKV-Beiträge stiegen, er fühlte sich schlecht beraten und reichte Klage ein. Nun hat das Gericht entschieden –zum Nachteil der Bank und des PKV-Anbieters.

Empfiehlt ein Versicherungsvertreter einem gesetzlich Krankenversicherten den Wechsel in eine private Krankenversicherung besteht eine intensive Beratungs- und Dokumentationspflicht. Fehler hierbei führen zur Umkehr der Beweislast und zu Schadenersatz. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem von Wirth-Rechtsanwälte erstrittenen Urteil fest.

Die Kanzlei schildert den Fall wie folgt: Der beim Abschluss 56-jährige Kläger wandte sich 2008 an seine örtliche Sparkasse, weil er über die Verbesserung seiner Altersvorsorge beraten werden wollte. Dabei zeigte er auch Interesse an einer Zusatzversicherung zur seiner gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Er war vorher Zeit seines Lebens gesetzlich krankenversichert. Nach mehrjähriger Arbeitslosigkeit hatte er nun eine freiberufliche Tätigkeit als gesetzlicher Betreuer aufgenommen und nur eine recht geringe staatliche Rente zu erwarten. Gleichwohl empfahl ihm die Mitarbeiterin der Sparkasse den Abschluss einer privaten Krankenversicherung (PKV). Dabei klärte sie nicht über die wesentlichen Nachteile dieses Wechsels für den Kunden auf.

Sparkasse und PKV-Anbieter betroffen

Dies bedeutet, dass der Kunde bei Abschluss nicht erfahren hat, dass PKV-Beiträge im Gegensatz zu GKV-Beiträgen einkommensunabhängig sind und es wegen fehlender Altersrückstellungen zu hohen Beitragssteigerungen im Alter kommen kann. Das stellte aber der Kläger nach einigen Jahren fest und verlangte daher Schadenersatz. Eine Rückkehr in die GKV war ihm nicht mehr möglich. PKV und Sparkasse weigerten sich jedoch Schadenersatz zu leisten, so dass der Kläger vor Gericht zog. Und das hat nun entschieden.

Die Kanzlei Wirth schildert die Folgen des Urteils: Die Sparkasse und die private Krankenversicherung müssen gemeinsam den Kläger so stellen, als sei er in der GKV geblieben. Das wirke sich für den Kläger vor allen Dingen bei Beginn seiner Rente aus, weil der Beitrag nun einkommensabhängig berechnet werden müsse und sich dann deutlich verringere.

Tobias Strübing, LL.M, Fachanwalt für Versicherungsrecht bei Wirth-Rechtsanwälte, sieht das Urteil als wegweisend an: Es bestätige die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.11.2014, III ZR 544/13), wonach es bei mangelhafter, gesetzlich vorgeschriebener Dokumentation zu einer Umkehr der Beweislast komme. Zwar trage die Beweislast für die Verletzung der Beratungspflichten grundsätzlich derjenige, der sich auf eine solche Beratungspflichtverletzung berufe, hier also der Kläger. Bei nicht ordnungsgemäßer Dokumentation könne sich die Beweislast aber umkehren, sodass dem Versicherer bzw. seinem Vertreter die Beweislast für eine ordnungsgemäße Beratung zukomme – erläutert Strübing die Entscheidung der Gerichte. Der Beratungsdokumentation solle der wesentliche Gesprächs- und Beratungsinhalt entnommen werden können. Im vorliegenden Fall sei dies auf eklatante Weise nicht der Fall gewesen. (bh)

OLG Hamm, Urteil vom 24.06.2015, Az.: I-20 U 116/13, nicht rechtskräftig