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19. März 2019
Stolpersteine beim Wechsel von der AO in den Maklerstatus

Stolpersteine beim Wechsel von der AO in den Maklerstatus

Wechselt ein Versicherungsvertreter zu einem anderen Versicherer oder in den Makler­status, treten in der Regel einige Problemfelder auf. Das Unternehmen Die Personalexperten GbR begleitet solche Wechsel. Die geschäftsführenden Gesellschafter Clemens M. Christmann und Thomas Schaefer zeigen Erfahrungen aus der Praxis auf.

Der Wechsel von der AO in die Maklerschaft ist oftmals holprig. Es gilt den ein oder anderen Stolperstein zu überspringen. Die Unternehmensberatung „Die Personalexperten“ sind Wegbegleiter von Vermittlern vor und in der Wechselphase und kennen die Problemfelder: Was Vermittler dürfen und was nicht und welche Gegenmaßnahmen Versicherer manchmal einläuten, wird im Nachfolgenden dargestellt.

Herausgabe von Geschäftsunterlagen

Bei einem Wechsel vom Vertreter zum Makler steht mittlerweile in allen Handelsvertreterverträgen, dass mit der Vertragsbeendigung, teilweise sogar schon ab dem Zeitpunkt einer Freistellung, alle Geschäftsunterlagen zurückzugeben sind. In der Praxis fordern die Versicherer häufig die Abgabe in der nächsten Geschäftsstelle und übersehen, dass Zurückgeben nicht Überbringen bedeutet. Die Geschäftsunterlagen sind demnach zu einem abgesprochenen Termin abzuholen.

Bei Abholung sollte dokumentiert werden, was zurückgegeben wurde. Denn Versicherer fragen häufig später nach, ob wirklich alle Geschäftsunterlagen ordnungsgemäß zurückgegeben worden sind, und oft folgt die nachträgliche Aufforderung zur Abgabe einer Versicherung an Eides statt, dass tatsächlich alle Geschäftsunterlagen zurückgegeben worden sind.

Die sogenannte Rechtsnormpyramide

Hinsichtlich der Herausgabe von Geschäftsunterlagen ist Folgendes zu beachten: In unserem Rechtsstaat gilt der Grundsatz, dass „niedrigeres“ Recht nicht gegen „höheres“ Recht verstoßen darf.

Das bedeutet konkret, dass die getroffene vertragliche Vereinbarung zur Herausgabe aller Geschäftsunterlagen durch „höhere“ Rechtsbestimmungen – zum Beispiel Abgabenordnung, Aufbewahrungspflicht, Rechte und Pflichten aus dem HGB – begrenzt wird. Aus der Versicherungsvermittlerverordnung ergibt sich die Pflicht zur Beratungsdokumentation und deren Aufbewahrungspflicht. Hier ist derzeit nicht klar, ob das Deckungsangebot und eine Antragskopie in diese Aufbewahrungspflicht hineinfallen. Weiterhin besteht aus dem HGB ein Anspruch auf den Buchauszug nach § 87c HGB; dieser beinhaltet die Namen der Versicherungsnehmer, Daten zum Vertrag usw.

Besitz ja – Nutzung nein

Ein Vertreter darf aufgrund „höherwertiger“ Rechtsverpflichtungen also geschäftliche Unterlagen, die auch Daten von Kunden und zu Verträgen beinhalten, in seinem Besitz haben. Er kann in einem Handelsvertretervertrag auch nicht verpflichtet werden, diese herauszugeben. Aber es ist dem Handelsvertreter untersagt, diese – in seinem Besitz befindlichen – Daten für die Akquise zu benutzen. Auch wenn der Handelsvertretervertrag beendet ist, ist er verpflichtet, die Daten zu Kunden- und Verträgen vertraulich zu verwahren und vor Missbrauch zu schützen. Die Daten, auch wenn sie sich in seinem Besitz befinden, sind und bleiben Betriebs­geheimnis des ehemaligen Vertragspartners, also des Versicherers.

„In den Wettbewerb treten“: Die Gedächtnisrechtsprechung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat richtungsweisend entschieden, dass ein Handelsvertreter grundsätzlich mit seinem ehemaligen Vertragspartner in den Wettbewerb treten darf. Die Frage ist aber, unter welchen Voraussetzungen? Der BGH hat klar festgelegt, dass der Vermittler sich an alle Kunden wenden darf, die er aus seinem Gedächtnis, also ohne Nutzung von „sich in seinem Besitz befindlichen Informationen, die zum Betriebsgeheimnis des bisherigen Vertragspartners zählen“, replizieren kann (BGH-Gedächtnisrechtsprechung) – was im Zweifel der Neu-Makler aber vor Gericht beweisen müsste.

Umgang mit Akquisedaten

Akquisedaten – in reiner Form – stehen im Eigentum des Handelsvertreters und dürfen für die Akquise genutzt werden. Akquisedaten können auch, mit Zustimmung des Kunden, in einer Datenbank gespeichert und verarbeitet werden. Kritisch ist allerdings die klare Abgrenzung der Akquisedaten (Eigentum des Handelsvertreters) und der Kunden- und Vertragsdaten (Eigentum und Betriebsgeheimnis des Versicherers). Bei der Abgrenzung muss unbedingt beachtet werden, dass eine Akquisedatenbank zum Betriebsgeheimnis des ehemaligen Vertragspartners wird, wenn nur ein Vertragswert darin enthalten ist.

Häufig nutzen Handelsvertreter die IT-Systeme der ehemaligen Vertragspartner und geben dort auch die Akquisedaten, etwa Hobbys, Familienbeziehungen, Gewohnheiten usw., ein. Ohne vertragliche Regelung bleiben diese Daten Eigentum des Handelsvertreters und müssen unter Umständen vom ehemaligen Vertragspartner gelöscht oder herausgegeben werden bzw. dürfen nicht an Dritte übergeben werden.

Es ist grundsätzlich sehr empfehlenswert, dass Handelsvertreter eine eigene Datenschutz- und Telefoneinwilligungserklärung mit ihren Kunden vereinbaren und ihre gesammelten Akquisedaten geschützt, eigenständig und gesondert vom IT-System des Vertragspartners verwalten.

Neun Stufen möglicher Gegenmaßnahmen vonseiten der Versicherer

In der Wechselpraxis machen die Personalexperten neun Stufen aus, mit denen Versicherer auf den AO-Wechsel reagieren:

1. Aufforderung zur Herausgabe aller Geschäftsunterlagen

2. Vorwurf zurückbehaltener Geschäftsunterlagen, Aufforderung zur erneuten Herausgabe unter Fristsetzung/Anforderung einer Versicherung an Eides statt

3. Kundenansprache durch den Versicherer: Einsatz von Agenturnachfolgern oder angestellten Kundenberatern zur Kündigungsrücknahme mit Angebot eines Treuebonus oder eines Rabattes zur Kundenbindung

4. Vorwurf eines Verstoßes gegen das nachvertragliche Verwertungsverbot und die Verschwiegenheitspflicht durch Nutzung geschäftlicher Unterlagen bei der aktiven Ansprache und Abwerbung von Kunden; Androhung von Verfahren wegen des Verstoßes gegen § 90 HGB und Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche gemäß §§ 280, 687 Abs. 2; 823 Abs. 1 und 826 BGB

5. Androhung von Schadensersatz, Unterlassung, Beseitigung und Auskunft sowie Herausgabe von Daten gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8, 9 UWG und Erstattung einer Strafanzeige nach § 17 Abs. 2 u. 4 Nr. 1 UWG

6. Anforderung einer Unterlassungserklärung im Zusammenhang mit wettbewerbswidrigem Verhalten (UWG-Verstoß) und Androhung einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung bei Nichtabgabe

7. Eil- und/oder Klageverfahren zur Erlangung einer straf­bewährten Unterlassungserklärung aufgrund eines wett­bewerbswidrigen Verhaltens

8. Erstattung einer Strafanzeige bei der zuständigen Staats­anwaltschaft wegen des Verrats von Betriebsgeheimnissen

9. Anfangsverdacht mit polizeilichem Ermittlungsverfahren; Klage auf Auskunft und Schadensersatz durch den bisherigen Vertragspartner

Nicht alle Maßnahmen sind rechtlich im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten und viele Praxisfälle zeigen, dass die Abwehr eher als „Beschäftigungstherapie“ für den gewechselten Handelsvertreter genutzt wird. Der Neu-Makler ist gut beraten, seine Interessen bestmöglich wahrzunehmen. Spätestens ab Stufe fünf sollte ein Fachanwalt eingeschaltet werden. Eine gute Vorbereitung und eine zielgerichtete Nutzung der rechtlich einwandfreien Handlungsoptionen helfen allerdings, dass die Stufe fünf gar nicht erst erreicht wird.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2019, Seite 112 f. und in unserem ePaper.

 
 
Ein Artikel von
Clemens M. Christmann
Thomas Schaefer