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6. November 2017
Telematik-Verträge sollten Rechte der Versicherten klar benennen

Telematik-Verträge sollten Rechte der Versicherten klar benennen

Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung sind im Kommen, und mit ihnen nimmt die Diskussion um datenschutzrechtliche Fragen an Fahrt auf. Doch wie erfolgen Datenerhebung und -weitergabe und worauf sollte besonders geachtet werden? Antworten gibt Dr. Daniel Schumann von der Georg-August-Universität Göttingen, der in einem aktuellen Buch Telematik-Policen aus juristischer Sicht beleuchtet.

Herr Dr. Schumann, kaum ein Thema wird in der Versicherungsbranche so intensiv diskutiert wie die Einführung von Telematik-Tarifen. Wodurch zeichnen sich diese Tarife aus?

Die Besonderheit bei Telematik-Tarifen besteht darin, dass dabei die Höhe der Versicherungsprämie von dem Fahrverhalten der Fahrer abhängig ist und somit auch das tatsächliche Schadens- respektive Unfallrisiko berücksichtigt wird – englisch auch „Pay As You Drive“ oder „Pay How You Drive“ genannt. Dies wird erreicht, indem jede Fahrzeugbewegung mithilfe eines Telematik-Geräts überwacht wird. Dies kann ein festverbautes Gerät sein, also eine Blackbox-Variante, oder ein mobiler Telematik-Stecker, die Dongle-Variante.

Inzwischen halten auch auf dem deutschen Kfz-Versicherungsmarkt immer mehr Telematik-Tarife Einzug. Wie erleben Sie die Entwicklung?

Die meisten deutschen Kfz-Versicherer sind bei dem Thema Telematik-Tarife nach wie vor doch eher zurückhaltend. Das liegt vor allem daran, dass die Versicherungsbeiträge bei uns im Vergleich zum europäischen Ausland insgesamt relativ gering ausfallen. Das Geschäft mit Kfz-Versicherungen gilt hierzulande deshalb als margenschwach, sodass der finanzielle Vorteil der Telematik-Tarife im Grunde nur für Risikogruppen wie Fahranfänger oder Senioren gegeben ist. Problematisch sind zudem die fehlenden praktischen Erfahrungswerte der Versicherer, hohe Investitionskosten und laufende Kosten. Inzwischen bieten zwar auch immer mehr Versicherer bei uns Telematik-Tarife an, diese Angebote sind jedoch zum einen mehrheitlich nur von den oben genannten Risikogruppen abschließbar und zum anderen handelt es sich dabei nicht um „richtige“ Telematik-Tarife, sondern vielmehr um klassische Versicherungstarife mit einer Telematik-Rabattoption.

Es tauchen zunehmend rechtliche Fragen auf. Welche grundlegenden Probleme bestehen hier?

Grundsätzlich handelt es sich bei allen Telematik-Tarifen ja lediglich um technikgestützte Versicherungsverträge, sodass der Abschluss eines solchen Vertrags rechtlich nicht zu bestanden ist. Äußerst problematisch ist jedoch, dass sich mithilfe der anfallenden Telematik-Daten detaillierte Bewegungsprofile erstellen lassen, was eine große Gefahr für das Persönlichkeitsrecht bzw. die Privatsphäre der Betroffenen darstellt und auch bei staatlichen Stellen entsprechende Begehrlichkeiten wecken könnte. Die Aachener Nachrichten haben die Telematik-Tarife deshalb vor einigen Jahren auch als „Nackt-Scanner der Versicherungen“ bezeichnet.

Wie erfolgt denn die Datenerhebung und -weitergabe durch das Telematikgerät und welche Daten werden erhoben?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten, da es nicht „die“ Telematik-Tarife gibt. Jeder Versicherer verfolgt mehr oder weniger sein eigenes Telematik-Konzept. Allen gemeinsam ist lediglich, dass die Telematik-Daten direkt im Fahrzeug des Versicherungsnehmers erhoben werden. Welche Daten dies sind, variiert je nach Versicherer. Potenzielle Telematik-Daten sind unter anderem Standort, Geschwindigkeit, Brems- und Beschleunigungsverhalten aber auch Motordrehzahl, Lenkeinschlag, Reifendruck und Reifendrehzahl.

Die Telematik-Geräte übermitteln die Telematik-Daten zumeist an einen externen Dienstleister, der für die Versicherer die Datenauswertung übernimmt. Einige Versicherer nehmen die Datenauswertung auch selbst vor. In Zukunft sollen dazu auch die Telematik-Geräte in der Lage sein.

Welche Beteiligten haben in der Regel Zugriff auf die Daten und welche datenschutzrechtlichen Risiken sehen Sie?

Bei nahezu allen derzeit angebotenen Telematik-Tarifen bestehen zwei getrennte Datenkreise. Während die Versicherer nur über die Kundendaten sowie über die Identifikationsnummer (ID) des Telematik-Geräts verfügen in einem Kreis 1, erhalten die Dienstleister dagegen die Telematik-Daten und die Geräte-ID in einem Kreis 2.

Der Vorteil bei diesem System besteht darin, dass die Versicherer keinen Zugriff auf die Telematik-Daten haben, das heißt, sie wissen nicht, wann und wohin die Versicherungsnehmer gefahren sind. Die Dienstleister können zwar auf die Telematik-Daten zugreifen und somit auch Bewegungsprofile erstellen, allerdings können sie diese keinem konkreten Versicherungsnehmer zuordnen.

Problematisch ist jedoch, wenn die Trennung der Datenkreise nicht absolut ist oder nachträglich sogar aufgehoben wird, da dann die Versicherer ohne weiteres personalisierte Bewegungsprofile erstellen können.

Inwieweit haben Versicherte denn die Möglichkeit, ihre Daten zu schützen bzw. den Zugriff im Rahmen eines Telematik-Tarifs einzuschränken?

Im Grunde haben die Versicherungsnehmer keine Möglichkeit, den Datenumgang einzuschränken, denn dieser ist ja „die“ essenzielle Grundvoraussetzung für die Durchführbarkeit der Telematik-Tarife. Die Versicherer sind allerdings kraft Gesetzes dazu verpflichtet, den Datenumgang auf das für die Durchführung der Telematik-Tarife notwendige Maß zu beschränken.

Auf welche Klauseln sollten Makler und Kunden bei den Telematik-Policen dann besonders achten?

Zum einen sollten die Datenumgangsklauseln detailliert formuliert sein, das heißt, es sollte klar erkennbar sein, welche Daten für welche Zwecke von wem erhoben werden, wo sie verarbeitet werden, wie lange sie gespeichert werden und wer auf diese Daten zugreifen kann. Pauschale Formulierungen genügen hier nicht.

Zum anderen sollten die Telematik-Verträge sämtliche Rechte der Versicherungsnehmer klar benennen. Hierzu zählt insbesondere ein Datenberichtigungs- bzw. Korrekturanspruch, denn keine Technik arbeitet komplett fehlerfrei. So weisen selbst GPS-basierte Ortungen nur eine Genauigkeit von rund 10 m auf. Aber auch tagesaktuelle Änderungen wie Baustellen, temporäre Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Straßensperrungen können in Einzelfällen zu falschen Datenerhebungen führen, die dann von den Versicherern bzw. ihren beauftragten Dienstleistern korrigiert werden müssen.

Dr. Daniel Schumann ist Autor des Buches „Pay As You Drive“, in dem er die rechtliche Zulässigkeit von Telematik-Tarifen im Privatkundensegment der Kfz-Haftpflichtversicherung beleuchtet. (tk)