AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
10. Dezember 2015
Vertriebskodex: Crux oder Chance?

Vertriebskodex: Crux oder Chance?

Mittlerweile haben alle Vermittlerverbände Verhaltensregeln für die Ausübung der Vermittlungstätigkeit entwickelt, deren Beachtung sie ihren Mitgliedern aufgeben. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch eine Initiative des GDV im Jahr 2010. Für den Makler stellt sich nun die Frage, welchen Nutzen er aus einem Verhaltenskodex ziehen kann und für welchen Kodex er sich entscheiden sollte.

Vorauszuschicken ist, dass es für Makler sinnvoll ist, ihre vertrieblichen Verhaltensregeln auch den Kunden gegenüber verständlich zu machen. Denn Versicherungsnehmer können das ebenso komplexe wie anspruchs­volle Regelwerk, das der vertrieblichen Arbeit des Vermittlers zugrunde liegt, nur schwer durchschauen. Dies zeigt sich schon daran, dass Versicherungsnehmer oft Probleme haben, den Unterschied zwischen einem Versicherungsmakler und einem Versicherungsvertreter zu erfassen. Makler sollten die Kommunikation der Verhaltensregeln deshalb auch als Chance verstehen, den Kunden dafür zu sensibilisieren, wie aufwendig die Beratungs- und Vermittlungstätigkeit ist, wenn sie verantwortungsbewusst wahrgenommen wird. Dennoch stellt die Frage nach Sinn und Zweck kommunizierter Verhaltensregelungen den Makler vor weitere Herausforderungen.

Ist der Makler etwa in mehreren Verbänden organisiert, trifft ihn die Qual der Wahl. Die schlechteste Lösung wäre es sicherlich, wenn der Makler dies zum Anlass nähme, den GDV-Verhaltenskodex für sich als verbindlich anzuerkennen. Makler und Versicherer stehen sich marktmäßig betrachtet gegenüber. Deshalb sollten sich Makler auch selbst einen Verhaltenskodex setzen und ihn sich nicht von der Marktgegenseite der Versicherer diktieren lassen. Der Sinn eines Kodex ist die Selbst­beschränkung, bei der sich die Teilnehmer des Kodex autonom einem Regelwerk unterstellen und sich dieses eben nicht von außen vorschreiben lassen.

Die meisten Versicherer haben akzeptiert, dass Makler statt des GDV-­Verhaltenskodex den sogenannten Basis-Kodex für sich als verbindlich anerkennen. Eigenartigerweise wollen Maklerverbände den Basis-Kodex aber nur für Nicht-Mitglieder akzeptieren. Diese Auffassung erscheint jedoch zweifelhaft, und zwar unabhängig davon, ob Makler in mehreren Verbänden organisiert sind oder nicht. Es ist vom Grundsatz der Gleichwertigkeit des Basis-Kodex mit den verschiedenen Regelwerken der Verbände auszugehen. Betrachtet man die inhaltlichen Punkte, so wird man feststellen, dass die meisten der Regeln letztlich die konsequente Befolgung der Gesetze zum Inhalt haben, die Makler ohnehin befolgen müssen. Was damit gemeint ist, sei am Beispiel des Basis-Kodex kurz erläutert.

Gesetzliche Herleitung der Regelungen im Basis-Kodex

1. Pflicht, die Tugenden eines ehrbaren Kaufmanns zu beachten

Die etwas befremdlich wirkende Tonalität, dass der Versicherungsmakler sich verpflichtet, die Tugenden eines ehr­baren Kaufmanns zu beachten, löst sich sehr schnell auf. Denn gemäß § 1 Abs. 1 IHK-Gesetz ist es die Aufgabe der Industrie- und Handelskammern, die auch für die Aufsicht über Versicherungs­vermittler verantwortlich sind, für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken. Die den ehrbaren Kaufmann auszeichnenden Tugenden der Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit sind nicht nur für die Erlangung der Vermittlererlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO unerlässlich, sondern auch für die Ausübung der Beratungstätigkeit. Dass jede Auskunft, die der Makler dem Versicherungs­suchenden erteilt, vollständig und richtig, also auch wahrheitsgemäß, sein muss, entspricht den zum Auskunftsvertrag entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen. Die Wahrung der Tugenden eines ehrbaren Kaufmanns entspricht daher gesetzlichen Erfordernissen der Ausübung der Maklertätigkeit.

2. Vorrang des Kundeninteresses und Orientierung an dessen Wünschen und Bedürfnissen

Die weiterhin nach dem Basis-Kodex obligatorische Orientierung der Vermittlungs- und Beratungstätigkeit an den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden unter Zugrundelegung einer Marktauswahl entspricht den vom Makler als Versicherungsvermittler zu beachtenden Vorschriften der §§ 60, 61 VVG. Der Vorrang des Kunden­interesses vor dem Vergütungsinteresse des Maklers entspricht der Pflicht des Maklers zur Wahrnehmung der Interessen des Kunden. Diese Pflicht resultiert unmittelbar aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Makler und seinem Auftraggeber und der daraus von der Rechtsprechung abgeleiteten Sachwalterstellung des Maklers.

3. Beachtung der allgemeinen Regeln der Compliance

Die Pflicht, allgemeine Regeln der Compliance zu beachten, hat nichts anderes zum Inhalt, als das Verhalten im Vertrieb an den Gesetzen und Richtlinien auszurichten, die für alle Marktteilnehmer gelten. Dies gilt insbesondere für die Beachtung strafrechtlicher Vorschriften über die Bestechung und Bestechlichkeit. Von diesen Pflichten ist jeder Makler in seiner Eigenschaft als ordentlicher Kaufmann betroffen.

4. Beachtung des Daten- und Geheimnisschutzes

Ebenso ist der Makler gesetzlich verpflichtet, personenbezogene oder vertrauliche Daten entsprechend den gesetz­lichen Vorschriften zu speichern und zu verarbeiten. Dabei sollte dieser insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz beachten sowie die Vorschriften des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb. Auch Ziffer 4 des Basis-Kodex entspricht daher dem gesetz­lichen Lastenheft der Maklertätigkeit.

5. Beratungsdokumentation

Die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Dokumentation der Beratung folgt unmittelbar aus der Norm des § 61 VVG. Die ordnungsgemäße Dokumentation der Beratung ist auch ein wichtiger Bestandteil des Enthaftungsmanagements des Maklers. Nur mit einer Dokumentation, mit der der Makler die individuelle Beratungslage abbildet und sowohl den erteilten Rat als auch dessen Begründung darstellt, verhindert er eine Umkehr der Beweislast zu seinen Lasten. Zwar kann der Versicherungsnehmer nach § 61 Abs. 2 VVG durch gesonderte schriftliche Erklärung auf die Dokumentation verzichten. In dieser Erklärung muss der Kunde aber darauf hingewiesen werden, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Vermittler einen Schadenersatzanspruch nach § 63 VVG geltend zu machen. Der Beratungsverzicht des Kunden wird deshalb zwangsläufig auf Einzelfälle beschränkt bleiben.

6. Vertragsbegleitende Beratungspflicht

Die Verpflichtung des Maklers zur vertragsbegleitenden Be­ratung des Kunden ergibt sich aus dem Maklervertrag als Dauerschuldverhältnis. Diese Pflicht kann der Makler nach der Rechtsprechung formularmäßig nicht abbedingen, ohne den Kunden unangemessen zu benachteiligen. Ziffer 6 des Basis-Kodex bürdet dem Makler also keine weitergehenden Pflichten auf.

7. Aufklärungspflichten bei Umdeckungsempfehlung

Auch die Verpflichtung des Maklers, den Kunden bei der Umdeckung von Versicherungsverträgen über sämtliche mit dem Neuabschluss und der Kündigung verbundenen Vor- und Nachteile aufzuklären, entspricht den von der Recht­sprechung entwickelten Grundsätzen, die jeder Makler zur Meidung einer Haftungsverantwortung zu beachten hat.

8. Weiterbildungspflicht

Nach der Vorschrift des § 60 Abs. 1 VVG ist der Makler gehalten, seiner Marktauswahl eine hinreichende Anzahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und Ver­sicherern zugrunde zu legen, damit er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung abgeben kann, welcher Versicherungs- O vertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Kunden zu erfüllen. Aus dieser Regelung folgt ohne Weiteres die mit Ziffer 8 des Basis-Kodex thematisierte Pflicht des Maklers, sich regel­mäßig weiterzubilden. Ohne Weiterbildung geht die Ausrichtung der Beratung an den gesetzlichen Erfordernissen schon deshalb nicht, weil sich nicht nur Kundenbedürfnisse ständig ändern, sondern auch das Produktangebot und die Anzahl der in Betracht kommenden Versicherer. Fraglich könnte allenfalls sein, ob Makler tatsächlich Veranstaltungen be­suchen müssen, um Weiterbildungsnachweise zu erbringen. Solange keine entsprechende gesetzliche Verpflichtung besteht, muss es zwar reichen, dass Makler durch Selbststudium für die nötige Weiterbildung sorgen. Mit der Weiterbildungspflicht wird aber letztlich ein eher theoretisches Problem an­gesprochen. Denn Maklermessen erfreuen sich einer hohen Beliebtheit bei den Maklern. Makler nehmen die Weiterbildungsangebote gern in Anspruch. Dies betrifft nicht nur die Produktlandschaft, sondern auch das nötige Fachwissen, wie die überaus erfolgreichen Maklerrechtskongresse der letzt- und diesjährigen DKM gezeigt haben. Insoweit kann nicht wirklich davon gesprochen werden, dass Makler dadurch in der Dispositionsfreiheit beschränkt würden, dass sie sich verpflichten, Weiterbildungsnachweise zu sammeln. Unabhängig davon ist auf europäischer Ebene mit der IDD der Weg vor­gezeichnet, dass den nationalen Gesetzgebern vorgegeben wird, eine Weiterbildungsverpflichtung für Versicherungsvermittler in das Gesetz aufzunehmen.

9. Vermeidung von Interessenkonflikten

Auch der Grundsatz, dass Makler sich keine Vergütung versprechen lassen dürfen, die ihre Unabhängigkeit im Kern tangieren, ergibt sich ohne Weiteres aus der Pflicht des Maklers, die Interessen des Kunden wahrzunehmen. Dies bedeutet aber nicht, dass Makler grundsätzlich Pensum- und Staffelcourtagen ablehnen müssten. Entscheidend ist, dass die Vergütung im Einzelfall die Beratung inhaltlich nicht in der Form beeinflussen kann, dass sie sich nicht mehr an den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden orientiert. Dies ist nicht der Fall, wenn der wirtschaftliche Vorteil, der durch Pensum- oder Staffelcourtagen erzielt wird, nicht zu einer faktischen Beschränkung der Beratungstätigkeit des Maklers führt. Andernfalls müsste Versicherern auch vorgeschrieben werden, allen Maklern gleich hohe Courtagesätze zu bieten. Dies ist aber weder der Fall noch erscheint dies realisierbar. Pensum- und Staffelcourtagen sind auch unbedenklich, wenn sie danach ausgerichtet sind, dass Makler mit höheren Produktionsvolumina für das Versicherungsunternehmen geringere Kostensätze generieren. Ebenso unbedenklich sind sie, wenn der Makler sich mit der Mehrvergütung für einen aufwendi­geren Kundenzugang entgelten lässt.

10. Ombudsmann-System

Schließlich entspricht es den Regeln des § 11 Abs. 1 Nr. 7 der Versicherungsvermittlungsverordnung, dass Makler den Kunden im Rahmen der Erstinformation auf das Ombudsmann-System zur unabhängigen und unbürokratischen Bei­legung von Meinungsverschiedenheiten mit Versicherungsunternehmen und -vermittlern hinzuweisen haben.

Vorteil der Kommunikation von Verhaltensregeln

Nach alledem ist festzustellen, dass Makler mit der Befolgung der zehn Verhaltensregeln des Basis-Kodex lediglich konsequent bestehende gesetzliche Pflichten umsetzen. Deshalb kann der allgemeine Sinn einer freiwilligen Selbstverpflichtung, einer Regulierung durch den Gesetzgeber vorzubeugen, zwar nicht erreicht werden, weil diese Pflichten bereits jetzt bestehen. Als Sinn der Beachtung der Verhaltensregeln und vor allen Dingen der Kommunikation der Verhaltensregelung kommt jedoch in Betracht, dem Kunden aufzuzeigen, welchen Aufwand der Makler betreibt, um seine Beratungs- und Vermittlungstätigkeit mit der gebotenen Sorgfalt auszuüben. Darin liegt ein erheblicher Vorteil. Denn die Kommunikation der Verhaltensregeln schafft mit der dadurch erzeugten Transparenz eine höhere Wertschätzung der Maklerleistungen auf Kundenseite. Zwar bringt die Kommuni­kation für den Makler die Herausforderung mit, auch dafür zu sorgen, dass sämtliche Mitarbeiter seines Betriebes die Verhaltensregeln in ihrer Detaillierungstiefe begreifen und umsetzen. Damit leistet der Makler jedoch einen unverzichtbaren Beitrag zu seiner Enthaftung. Durch ein klares Bekenntnis zum Basis-Kodex eröffnen sich daher unter dem Strich mehr Chancen als Risiken für den Makler.

Den Artikel lesen Sie auch in der AssCompact 12/2015, Seite 124ff.

 
Ein Artikel von
Jürgen Evers

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von R. André Klotz am 10. Dezember 2015 - 08:25

Der wichtigste Punkt fehlt sowohl beim GDV als auch bei den Versicherern und Verbänden. Wieso verpflichtet sich der Makler nicht bei der Zusammenarbeit mit Untervermittlern die Regelungen des §34d Abs. 6 konsequent einzuhalten? Fast alle gesetzlichen Regelungen werden zwanghaft im Kodex nochmals reguliert, wieso die Zusammenarbeit mit Untervermittlern nicht? Glauben die Gesellschaften dann Umsatz zu verlieren?