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Sonderthema Vergütungsmodelle
12. September 2017
Wandel der Vergütung: Es ist viel passiert

Wandel der Vergütung: Es ist viel passiert

Die Abschlussprovisionen und -courtagen sinken auf breiter Front und machen neuen Vergütungselementen Platz. Diese Elemente lassen sich vielfältig gestalten, aber nicht von allen Vermittlern. Und der große Wurf ist dies bisher noch nicht.

Von Prof. Dr. Matthias Beenken, Fachhochschule Dortmund

Die Botschaft sowohl nationaler Regulierung wie unter anderem dem Lebensversicherungsreformgesetz 2015 als auch europäischer Regulierung wie der Versicherungsvertriebsrichtlinie 2018 und parallel der MiFID II ist relativ klar: Die bisher gewohnten Vergütungssysteme für Versicherungen und Anlagen sollen verbraucherfreundlicher werden. Über die richtige Vorgehensweise gibt es aber bisher keine Klarheit.

Mehr Wettbewerb, aber bitte nicht mehr Kosten?

Ein Beispiel: 2007 wollte die deutsche Bundesregierung den Wettbewerb um private Krankenversicherungen stärken und erleichterte den Wechsel des Anbieters. Doch dann war man überrascht, dass Beratung und Vermittlung beim Wechsel Geld kosten, sprich neue Abschlussprovisionen. Die im letzten Wahlkampf von Bürgerversicherungsfantasien bedrängten privaten Krankenversicherer riefen die Regierung um Hilfe. 2012 wurde der Ruf erhört und die Abschlussprovision in der Vollversicherung gesetzlich gedeckelt.

Jetzt wird über die Lebensversicherung gestritten, seit deren Kosten niedrigzinsbedingt in den Fokus geraten sind. Dass eine kollektive Vorsorge für die meisten Menschen per se günstiger ist als eine individuelle und dass das sogar etwas Rendite kosten darf, ist in Vergessenheit geraten. Kein Wunder, hat sich doch die Branche selbst jahrelang darin gefallen, für Lebensversicherungen mit zwei Totschlagargumenten zu werben, wonach es hohe Zinsen gebe – und die auch noch steuerfrei.

Vorsorge statt Anlage verkaufen

Beide Argumente ziehen nicht mehr. Alle müssen wieder lernen, Vorsorge- statt Anlageberatung zu betreiben. Und den Kunden erklären, dass der Vorteil des Kollektivs etwas wert sein muss – im Vergleich zu den Kosten und Risiken einer selbst gemanagten Geldanlage, die über Jahrzehnte aufgebaut und für nichts anderes als den Ruhestand angetastet werden soll. Nur der bei Verbraucherschützern als Leitbild beliebte „Homo oeconomicus“ ist rational und diszipliniert genug, diesen Anforderungen zu genügen, kaum aber ein realer Verbraucher.

Parallel muss sich der Vertrieb noch mit einer anderen Entwicklung auseinandersetzen. Die Akzeptanz des Berufsbilds „Vermittler“ als Handelsberuf schwindet. Händler zeichnen sich dadurch aus, dass sie Waren und Dienstleistungen günstig einkaufen und mit Aufschlag weiterverkaufen. Bei Vermittlern entspricht die Provision oder Courtage einem solchen Aufschlag. Der Aufschlag ist naturgemäß ein Geschäftsgeheimnis und für den Kunden intransparent, er erhält lediglich den Endpreis genannt. Das finden die meisten Verbraucher völlig normal. Ein Beispiel: Manches Kleidungsstück würde wohl keinen Abnehmer mehr finden, würde dem Kunden transparent vorgerechnet, dass er 80% des angegebenen Preises statt für Material und Löhne der Näherinnen in Asien für die Kosten des Händlers sowie an die Steuerkasse bezahlt.

Über manche Preise kann man nicht verhandeln

Allerdings kann man Versicherungsvermittler und sonstige Händler nicht ganz in einen Topf werfen. Der Kunde eines „normalen“ Händlers kann über den Preis verhandeln. So hat wahrscheinlich noch nie einer der Leser der AssCompact ein Auto zum Bruttolistenpreis gekauft.

Dagegen muss der Vermittler den vom Lebens- oder Krankenversicherer gesetzten Endpreis durchsetzen. Der Kunde kann nicht durch Verhandlungsgeschick erreichen, dass ein Vermittler auf einen Teil seiner Marge (Provision) verzichtet und dadurch der Preis der Versicherung selber sinkt. Die gesetzliche Vorgabe zur Gleichbehandlung der Kunden erlaubt dies nicht. Das ist übrigens in der Schadenversicherung anders. Dort kann ein Kunde Rabatte aushandeln, die der Vermittler durch einen teilweisen Provisionsverzicht mitfinanziert.

Der Kunde muss sich auf die Verhandlungsstärke der Ver­sicherer verlassen

Wenn der Kunde einer Lebens- oder Rentenversicherung aber nicht über den Preis verhandeln kann, wird der Wettbewerb eingeschränkt. Der Kunde muss sich darauf verlassen, dass die Lebens- und Krankenversicherer ihre Verhandlungsmacht gegenüber Vermittlern einsetzen und deren Vergütungsforderungen auf ein vernünftiges Maß begrenzen. Dass das nicht immer funktioniert, haben die Vergütungsexzesse des Krankenversicherungsvertriebs gelehrt. Wäre die Prämie von ein und derselben Krankenversicherung entsprechend teurer gewesen, wenn der Vertrieb 16 statt 8 Monatsbeiträge Abschlussprovision beansprucht, dann hätte der Wettbewerb diese Exzesse wohl eindämmen können.

Vielfalt der Honorargestaltung

Die Neuordnung der Berufsbilder mit dem Umsetzungsgesetz zur IDD soll den Versicherungsberater stärken, der grundsätzlich einem anderen Leitbild folgt: demjenigen des freien Berufs. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er seine Zeit und seine Expertise verkauft. Deshalb ist hier der Stundensatz eine naheliegende Berechnungsgröße.

Dieses klare Alleinstellungsmerkmal des Versicherungsberaters wird am 23.02.2018 aufgegeben. Versicherungsberater dürfen dann, analog den Honorar-­Finanzanlagenberatern und Honorar-Immobiliardarlehensvermittlern, auch Versicherungen vermitteln, sprich als Händler auftreten. Damit sind Vergütungsgestaltungen analog der Provision bzw. Courtage nahe­liegend – der Honorarberater lässt sich erfolgsabhängig auf Basis der vermittelten Beitragssummen bezahlen. Ein Unterschied zum Makler ist damit ernsthaft nicht mehr erkennbar.

Selbst das ins Feld geführte Argument Unabhängigkeit durch die Form der Vergütung entfällt. Denn der Versicherungsberater darf zwar nur Honorar nehmen und soll dafür möglichst Nettotarife vermitteln. Doch er kann auch Bruttotarife anbieten und dabei einen Rabatt in Höhe von 80% der im Tarif einkalkulierten Vermittlungskosten versprechen. Versicherungsberater müssten schon Heilige sein, um der Versuchung zu widerstehen, dem Kunden das Honorar mit der Aussicht auf einen „Ersatz“ durch den Rabatt des Versicherers schmackhaft zu machen, anstatt sich abzumühen, die Vorteilhaftigkeit eines Nettotarifs vorzurechnen.

Nächste Reform sorgfältiger vorbereiten

Die Vergütung wird weiter im Gespräch bleiben, auch wenn bereits viel passiert ist. Nach einer aktuellen Studie sind die durchschnittlichen Abschlusscourtagen der Makler im Zeitraum 2015 bis 2017 von 39 auf 32‰ gesunken, Einfirmenvertreter erhalten 25 statt 26‰. Gleichzeitig ist die Stornohaftung durchschnittlich auf sechs Jahre gestiegen. Viele, aber bei Weitem nicht alle Vermittler bekommen neue laufende Vergütungselemente. Deren Gestaltung ist aber so vielfältig, dass ein verlässlicher Überblick derzeit schwierig ist.

Ob die Politik bei der im kommenden Jahr geplanten Revision des LVRG diese Maßnahmen als ausreichend beurteilt, weiß derzeit noch niemand. Wünschenswert wäre, dass sie bei neuerlichen Eingriffen sorgfältiger vorgeht. Ein Beispiel: Zur Vorbereitung der VVG-Reform 2008 setzte das Justizministerium Jahre zuvor eine Expertenkommission ein. Das Ergebnis ist weitaus besser gelungen als die nur schlecht vorbereitete IDD-Umsetzung.

Den Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 09/2017, Seite 112 f.

 
 
Ein Artikel von
Prof. Dr. Matthias Beenken

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Heinrich Bockholt am 12. September 2017 - 09:00

Prof. Beenken hat die Problematik zwischen Courtage und Honorar sehr gut auf den Punkt gebracht. Unklar ist nach der IDD die exakte vertragliche Abgrenzung bei einem Versicherungsmakler, was Gebühren/Honorar und Provision bei den einzelnen Geschäften betrifft. Ist die Branche daran interessiert oder lebt es sich in der Grauzone sehr gut?
Prof. Heinrich Bockholt, Koblenz