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23. Juni 2015
Was Vermittler über die gesetzliche Unfallversicherung wissen sollten

Was Vermittler über die gesetzliche Unfallversicherung wissen sollten

Über die gesetzliche Unfallversicherung hört man in der Beratung im Gegensatz zur privaten Krankenversicherung oder der Berufsunfähigkeitsversicherung recht wenig bis gar nichts. Dabei wird der Kunde, nicht nur der Selbstständige, das Know-how des Vermittlers zu schätzen wissen.

Der Bedarf und die Notwendigkeit einer Berufsunfähigkeitsversicherung kann im Vermittlungsgespräch recht schnell plausibel erläutert werden. Auch die Vorzüge einer privaten Krankheitskostenversicherung gegenüber den Leistungen der GKV lassen sich schnell aufzählen. Über die gesetzliche Unfallversicherung hört man in der Beratung jedoch recht wenig bis gar nichts. Dabei wird der Kunde, nicht nur der Selbstständige, das Know-how des Vermittlers zu schätzen wissen.

In der privaten Unfallversicherung kommt es nicht darauf an, ob sich der Unfall in der Freizeit, bei der Arbeit oder auf dem Weg dahin ereignet. Der Versicherungsschutz besteht weltweit, 24 Stunden am Tag. Das ist ein echtes Verkaufsargument. Denn das kann und will die gesetzliche Unfallversicherung (GUV), finanziert allein durch Arbeitgeberbeiträge, nicht leisten. Aufgabe der Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger ist es vielmehr, Arbeitsunfälle (wozu auch Wegeunfälle zählen), Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten (Präventionsgedanke). Ist der Versicherungsfall eingetreten, dann ist die Gesundheit des Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und die unfallverletzte Person oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen (Verletztengeld, Rente) zu entschädigen. Daneben bestehen weitreichende Ansprüche, deren Absicherung sich durchaus lohnen kann.

GUV auch für Selbstständige

Der gesetzliche Versicherungsschutz erstreckt sich auf alle abhängig Beschäftigten (Arbeitnehmer), Kinder, Schüler, Studenten, ehrenamtlich Tätige und sogenannte Nothelfer (zum Beispiel bei der Ersten Hilfe nach einem Verkehrsunfall). Selbstständige und Freiberufler können sich, was oftmals nicht bekannt ist, freiwillig in der GUV versichern und so die Vorzüge der GUV – gegebenenfalls zusätzlich – in Anspruch nehmen. Eine Verrechnung der doch sehr unterschiedlichen Leistungen findet nicht statt. Aber trotz niedriger Beiträge wird von dieser Möglichkeit nur selten Gebrauch gemacht.

Drei-Klassen-Medizin

Während die Behandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) „ausreichend, wirtschaftlich und zweckmäßig“ sein muss und der bedingungsgemäße Anspruch auf Kostenerstattung im tariflichen Umfang in der privaten Krankenversicherung (PKV) eine „medizinisch notwendige Heilbehandlung“ voraussetzt, haben Unfallgeschädigte nach einem Arbeitsunfall oder im Falle einer Berufskrankheit nach dem SGB VII (siebtes Sozialgesetzbuch) Anspruch auf die „bestmögliche“ Heilbehandlung und Rehabilitation, sodass man richtigerweise von einer „Drei-Klassen-Medizin“ sprechen kann und muss. Dazu bedient sich die Berufsgenossenschaft (BG) der sogenannten Durchgangsärzte (D-Ärzte), die die besondere berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung vornehmen.

Neben dem Verletztengeld, das bei unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit für bis zu 78 Wochen gezahlt wird, hat die BG (anders als die private Unfallversicherung) auch den Beruf und die Erwerbsfähigkeit des Versicherten in den Blick zu nehmen. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20% gemindert ist, haben einen Anspruch auf eine Rente. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich dabei nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die genaue Höhe der rentenberechtigten MdE wird in aller Regel durch ärztliche Gutachten geklärt. Die BG muss dem Versicherten hierzu drei Sachverständige zur Auswahl benennen, wobei der Verletzte auch einen Arzt vorschlagen kann. In der privaten Unfallversicherung besteht kein solches Auswahl- und Vorschlagsrecht.

Darüber hinaus können im Einzelfall sehr weitgehende Ansprüche bestehen, die ansonsten nicht abgesichert sind, wie zum Beispiel:

  • berufliche Maßnahmen (Ausbildung, Fortbildung, Umschulung)
  • behinderungsgerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes
  • Wohnungshilfe (zum Beispiel Türenverbreiterung, barrierefreies Wohnen, vom Fahrstuhleinbau bis zum behindertengerechten Neubau)
  • Betriebs- oder Haushaltshilfe
  • Kraftfahrzeughilfe
  • Stellung einer Pflegekraft, Pflegegeld, stationäre Heimpflege
  • Reisekosten, Kinderbetreuungskosten
Nach Branchen gegliederte Berufsgenossenschaften

Die Prüfung und Entscheidung, ob das Unfallereignis als Arbeitsunfall anerkannt wird, ob die Kosten der Heilbehandlung übernommen werden und ob Verletztengeld bzw. eine Rente gezahlt wird, trifft die zuständige BG bzw. der Träger der GUV der öffentlichen Hand. Es gibt insgesamt neun nach Branchen gegliederte Berufsgenossenschaften (BG Bau, BG RCI, BGHM, BG ETEM, BGN, BGHW, BGW, BG Verkehr und VBG). Die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand gliedern sich in 19 Unfallkassen und Gemeindeunfallversicherungsverbände, vier Feuerwehr-Unfallkassen, die Eisenbahn-Unfallkasse, die Unfallkasse Post und Telekom sowie die Unfallkasse des Bundes.

Zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls

Ein Arbeitsunfall im Sinne der GUV ist ein Unfall eines Versicherten, der rechtlich wesentlich durch eine versicherte Tätigkeit verursacht wurde. Zunächst muss also eine versicherte Tätigkeit vorliegen. Das ist nicht nur die berufliche Tätigkeit selbst, sondern auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (zum Beispiel auf der Fahrt zum Kunden). Zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall muss ein innerer Zusammenhang bestehen. Dabei sind die eigenwirtschaftliche und die betriebliche Gefahr voneinander zu trennen. Die ausgeübte Tätigkeit muss bei wertender Betrachtung dem versicherten Tätigkeitsbereich zuzurechnen sein, wobei es auf die Vorstellung des Versicherten, sein Tätigwerden diene der versicherten Tätigkeit, ankommen soll.

Es muss zu einem Unfall gekommen sein, also einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod geführt hat. Die versicherte Tätigkeit muss für den Unfall ursächlich gewesen sein. Im Sozialrecht bedient man sich dazu der Theorie der rechtlich-wesentlichen Bedingung, dass heißt der Schaden muss wesentlich durch das Unfallereignis und nicht durch „innere Ursachen“ herbeigeführt worden sein. Darüber wird, angesichts der weitreichenden Folgen, oft und viel gestritten. Aber das ist in der privaten Unfallversicherung nicht anders.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2015, Seite 52f.

 
Ein Artikel von
Marc O. Melzer