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12. September 2018
Wer ist gerechter? Die PKV oder die GKV? Oder spielt das gar keine Rolle?

Wer ist gerechter? Die PKV oder die GKV? Oder spielt das gar keine Rolle?

Der Zugang in die PKV wird durch die gerade veröffentlichte Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für 2019 weiter erschwert. Auch die Diskussion um überhöhte Beitragsanpassungen in der PKV und um eine Bürgerversicherung schadet dem Neugeschäft und dem Image der PKV. Dahinter steckt auch immer wieder die Frage: Wer ist gerechter, die PKV oder die GKV?

Das deutsche Gesundheitssystem ist eines der besten der Welt. Da sind sich eigentlich viele einig: PKV- und GKV-Vertreter, Gesundheitspolitiker, Wissenschaftler und letztlich auch viele Versicherte, wie Umfragen immer wieder zeigen. Gerade im Vergleich zum Ausland seien die Wartezeiten sowohl für PKV- als auch für GKV-Versicherte gering und eine echte, harte Rationierung von Gesundheitsleistungen gebe es in Deutschland nicht. Dennoch reagiere die Bevölkerung sensibel, wenn es um die Gerechtigkeit im Gesundheitssystem gehe, erklärte Dr. Christoph Helmich, Vorstandsvorsitzender des Continentale Versicherungsverbundes. Dieser hatte am Dienstag zum 18. PKV-Forum nach Köln eingeladen und als ein Schwerpunktthema die Gerechtigkeit im deutschen Gesundheitswesen auf die Agenda gesetzt.

Gesundheit ist ein hohes, zumindest ein fundamentales Gut

Gesundheit sei ein fundamentales Gut, das es Menschen ermögliche, nach ihren Wertvorstellungen und Lebenszielen zu leben. Deshalb lege man hier besonderen Wert auf Gerechtigkeit, erklärte etwa Dr. Christiane Woopen, Professorin für Ethik und Theorie der Medizin an der Uni Köln. Es gehe dabei immer um Zugangs- und Verteilungsgerechtigkeit. Die Ressourcen seien begrenzt und müssten entsprechend verteilt werden. Was dabei gerecht oder ungerecht sei, sei schwer zu beurteilen und müsse einer ethischen Debatte folgen. Das Dilemma zeige sich etwa bei der Organspende: Priorisiert werde dort nach Dringlichkeit und nach Erfolgsaussichten. Beides widerspreche sich aber häufig, denn wer ein Organ dringend brauche, sei schon sehr krank und die Erfolgsaussichten der Organspende würden dadurch geringer. Deshalb sei der Gesetzgeber angehalten, den richtigen Rahmen zu setzen und die Richtlinien nicht allein den Selbstverwaltungen oder Ärzten zu überlassen.

Telematiktarifen erteilte Woopen auf dem PKV-Forum eine Absage – insbesondere im Zusammenhang mit den Themen Solidarität und Gerechtigkeit. Die Solidarität gehe bei verhaltensbezogenen Tarifen verloren. Solidarität kenne kein Belohnungs- und kein Bestrafungssystem, sondern bedeute, füreinander einzustehen, um jedem den Zugang zur Gesundheit zu ermöglichen, so die Ethik-Professorin.

Keine Frage von PKV oder GKV

Die Gerechtigkeit im deutschen Gesundheitswesen zeige sich weniger in der PKV oder in der GKV, sondern liege viel tiefschichtiger. Das duale System habe eines der besten Gesundheitssysteme der Welt geschaffen, die Wartezeitendiskussion etwa komme nicht an den Kern des Problems. Diese Diskussion sei keine Gerechtigkeitsfrage, sondern es sei schlicht und ergreifend ein Versorgungsproblem. Es habe wenig damit zu tun, ob ein Patient PKV- oder GKV-versichert sei, argumentiert BARMER-Vorsitzender Dr. Christoph Staub.

Solidarität lässt sich so und so erklären

Die PKV sei genauso solidarisch wie die GKV, so Dr. Marcus Kremer, Vorstandsmitglied der Continentale. Die Frage nach der Gerechtigkeit sei in beiden Systemen nicht leicht zu beantworten. Kremer wirft die Frage auf, ob es gerecht sei, dass in der GKV der Beitrag vom Einkommen abhänge. Der PKV-Versicherte wiederum bezahle die in der GKV versicherten Kinder mit. Auch in der PKV stünden die Gesunden für die Kranken ein, ergänzt Dr. Florian Reuther vom PKV-Verband. Zudem trügen die PKV-Versicherten über ihre Steuern zusätzlich zur Finanzierung des Gesundheitssystems bei, das aus einem Drittel aus Steuergeldern finanziert werde.

Doch eigentlich wolle man gar nicht mehr über die Gegensätze von PKV und GKV streiten. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, fasst dies so zusammen, dass die PKV und die GKV die konstituierenden Pfeiler für das gute Gesundheitssystem seien. Die Problematik liege in den Versorgungsthemen, etwa der mangelnden Ärzteversorgung auf dem Land.

Keine 100%-ige Gerechtigkeit

Die rund 1.200 Teilnehmer des PKV-Forums folgten zudem den Ausführungen des CDU-Politikers Wolfgang Bosbach, der betonte, dass Gerechtigkeit jeweils anders empfunden werde. Deshalb könne es eine absolute Gerechtigkeit gar nicht geben. Im Hinblick auf die immer wiederkehrende Diskussion zur Bürgerversicherung gab er zu bedenken: Wer glaube, dass mit ihr alles entfalle, was es an Problemen gebe, der täusche sich.

In den Herzen und Köpfen der Menschen

Inwieweit das Thema Gerechtigkeit und Solidarität Einzug in die Beratungsgespräche der Versicherungsvermittler hält, ist sicherlich eine Typfrage – werden dort doch eher individuelle Bedarfe der Kunden sowie Vor- und Nachteile der Versorgungssysteme erklärt. Wer einen ethischen Aspekt hineinbringen möchte, dem seien noch die Schlussworte von Dr. Christiane Woopen mit auf dem Weg gegeben: „Solidarität und Gerechtigkeit passiert in den Herzen und Köpfen der Menschen.“ Und alles was dort passiere, sei auch das, was dann tatsächlich passiere. (bh)

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Bruno Steiner am 12. September 2018 - 11:43

Die Versicherungsbeiträge steigen, egal ob PKV oder GKV (Beitrag + Selbstbehalt)unaufhörlich. In der GKVkommen zum Beitrag noch die unzähligen Zuzahlungen für Arznei-, Hilfs- und Heilmittel, Behandlungen usw. usf. zum Beitrag dazu. Als freiwillig versicherter muss ich, weil ich als Rentner so dumm bin, nebenher gerne) noch berufstätig zu sein, einen erhöhten Beitrag als "Selbständiger" bezahlen. Dadurch sind die Angaben %-tual schon mal gelogen. Wer nicht aufpasst bei seinen Angaben (Kinder im Haushalt? - die Frage müsste eigtl. heissen "haben oder hatten sie Kinder im Haushalt" - zahlt ungewusst einen zu hohen GesPflVersBeitrag. Teuerungsrate? Wohl individuell. Ich hab mal nachgerechnet: Im Verhältnis von Einkommen zum Beitrag (1972 zu 2018) müsste ich momentan mtl. 26.000,-- € netto verdienen. Leider hat da meine Rente und mein Nebenverdienst nicht mitgehalten. Fazit: Beiträge sind weder logisch und erst recht nicht gerecht!

Gespeichert von Wilfried Strassnig am 12. September 2018 - 18:23

Bis auf Familien mit vielen Kindern und nur einem Verdiener ist die PKV meistens attraktiver!Beamte sind aktuell mit und ohne Kinder günstiger. So liegt der Beitrag zun Beispiel eines/einer Selbständigen mit 30 Jahren ca. bei 50% des GKV Beitrages. Wenn man in diesem Beispiel € 150,00 monatlich in eine Fondsrente (Basisrente-Nettoeinzahlung dadurch oft nur ca. € 100,00 oder weniger) einzahlt, wird man mit hohen Beiträgen im Ruhestand nichts gemein haben. Wer von einem guten Makler (ich???) beraten wird, kann durchaus eine sehr hohe Rendite erzielen.
Warum sozialer? Privatversicherte zahlen über Ihre Steuern, ohne den geringsten persönlichen Vorteil zu generieren, einen erheblichen Teil der Staatszuschüße in die gesetzliche Rentenversicherung.

Gespeichert von Christoph Lampe am 12. September 2018 - 22:12

Gerecht ist vor allem, dass wir einen so hohen Versorgungsstandard genießen, der jedem Bürger offensteht. Selbst die GKV bietet im internationalen Vergleich Top-Leistungen, die allerdings durch die PKV noch deutlich übertroffen werden können. Aber auch GKV-Versicherte können davon profitieren, indem sie z.B. entsprechende Zusatzversicherungen abschließen. Ob man in der GKV oder in der PKV (monetär) besser aufgehoben ist, kann man nur sagen, wenn man alle Aspekte (Familie, Einkommensschwankungen, Alter) einbezieht. Die PKV sollte man nur für sich wählen, wenn man bessere Leistungen wünscht und bereit sowie dauerhaft in der Lage ist, diese auch zu bezahlen. PKV zu wählen, um anfänglich Beiträge zu sparen (wie im Kommentar zuvor erwähnt) ist niemals sinnvoll. Erstens bringt eine Bruttobetrachtung gar nichts (Beiträge sind steuerlich abzugsfähig und da können sich selbst hohe Bruttovorteile in reale Netto-Nachteile umkehren) und zweitens kennen wir inzwischen die Beitragsentwicklung vieler anfänglich besonders günstiger „Einsteigertarife“ für Selbständige.
Zurück zur Gerechtigkeit: Ein wesentlicher Unterschied der beiden Systeme ist die Generationengerechtigkeit. In der umlagefinanzierten GKV werden die künftigen (wenigen) Beitragszahler für die langlebigen (vielen) Babyboomer zahlen müssen. Das ist alles andere als gerecht. In der PKV hingegen sorgt seit jeher jede Generation für sich selbst vor. Imzwischen betragen die dafür angesparten Alterungsrückstellungen bereits 250 Milliarden Euro, was in für die Leistungsausgaben von über 8 Jahren reicht. Kein junger Kunde wird somit mit den hohen Kosten der älteren Versicherten belastet.