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Management & Vertrieb
13. September 2018
Young Leader und Führungsstrukturen: Revolution? Ja, bitte!

Young Leader und Führungsstrukturen: Revolution? Ja, bitte!

Young Leader lösen die alten Alphatiere ab. Dabei müssen sie systemisch in die oberen Gremien der Unternehmen verankert und in Strategie und Governance involviert sein. Dr. Florian Feltes hat im Rahmen einer Studie der Universität Luxemburg zusammen mit der Buhr & Team Akademie für Führung und Vertrieb AG herausgefunden, wie sich die Führungsstrukturen in Unternehmen schon heute dringend verändern müssen.

Unsere Ansätze, Risiken zu messen und steuerbar zu machen, reichen von einfachen Checklisten über Extremwert-Theorien bis hin zu Algorithmen oder neuronalen Netzen, die ständig dazulernen. Jedoch sind dies alles Modelle, also Vereinfachungen der Wirklichkeit, und sie unterliegen somit alle dem Trugschluss, die komplexe Wirtschaftswelt in einfache Ursache-Wirkung-Ketten runterzubrechen. In vielen Fällen bedeutet das: Wenn sich etwas bis heute erfolgreich bewährt hat, wird davon ausgegangen, dass es auch in Zukunft erfolgreich sein wird. Häufig wird daraufhin von dem, was gut funktioniert hat, einfach mehr gemacht. Viel hilft viel? Nicht immer! Dieses Phänomen lässt sich auch in den Führungsetagen beobachten. Dort sitzen Manager, die Entscheidungen treffen, die sich bewährt haben. Manager, die Prozesse im Blick haben, um dann eingreifen zu können, wenn es Abweichungen gibt. Manager, die dafür sorgen, dass mehr von dem gemacht wird, was immer gut war.

Was es mit v.u.c.a. auf sich hat

Der Erfolg von Unternehmen wurde lange an eben solche starken Alpha-Leader geknüpft, die konsequente Entscheidungen treffen, die sich durchsetzen können. Alphatiere, die keine Rücksicht nehmen, die sagen, wo es langgeht und was gemacht wird. Über Jahre schien das der maßgebliche Mix für wirksame Führung zu sein. Weil es immer so gemacht wurde und weil der Erfolg es rechtfertigt! Vergleichbar der Risikobewertung. Nun verändern sich jedoch die Rahmenbedingungen in einer rasanten Geschwindigkeit. Die amerikanische Militäraufklärung bezeichnet die Welt, in der wir leben, als v.u.c.a. Dieser Begriff hat sich auf in der Managementlehre Raum verschafft und gilt mittlerweile als Kürzel für die besonders relevanten gesellschaftlichen Trends, die unser Wirtschaften beeinflussen. V.u.c.a. steht dabei für volatil (flüchtig, volatil), uncertain (ungewiss, unsicher), complex (vielschichtige, interdependente und sich dynamisch verändernde Strukturen) und ambiguous (uneindeutig, vielseitig deutbar).

In der Managementlehre und im Verständnis von Personal- und Unternehmensführung überwiegen Ansätze, die den Unsicherheiten der Umgebung mit Kontrolle und Planung begegnen. Diese Ansätze werden den Herausforderungen einer v.u.c.a.-Welt jedoch immer weniger gerecht. Der beste dokumentierte Arbeitsprozess kann morgen schon hinfällig sein. In der heutigen Welt kommt jeder noch so smarte Super-Chef an die eigenen Grenzen. Es sind vielmehr Führungsfähigkeiten gefragt, die auf die Aktivierung der Intelligenz des Leistungskollektivs abzielen – vergleichbar dem Mannschaftssport. Für typisches Alphatier-Gehabe ist in der modernen Führungswelt kein Platz mehr. Das muss gerade in der Finanzdienstleistungsbranche mit den oft starren und hierarchischen Strukturen noch besser verstanden werden.

Moderne Führung bietet keinen Platz für Alphatier-Gehabe

Die bisherigen Command-and-Control-Ansätze werden diesen Anforderungen nicht mehr gerecht, sie zielen nicht darauf ab, dass Mitarbeiter neben den Pflichtaufgaben auch Goodwill-Beiträge leisten. Gefragt sind heute mehr denn je Menschen, die zu Empathie in der Lage sind, sich diese nicht durch Rahmenbedingungen oder überholte Rollenerwartungen abtrainieren lassen. Wir brauchen heute Führungskräfte, die sich trauen, ihr Interesse am Menschen aktiv zu zeigen, und die das wertschätzen können, was bei den einzelnen Teammitgliedern an Talenten und Potenzialen vorliegt. Führungskräfte, die das Potenzial zum Wohl des gemeinsamen Organisationszwecks aktivieren und entwickeln.

Vor allem junge Mitarbeiter (Gen Y, Gen Z) werden durch moderne Führungsansätze wie den der transformationalen Führung angesprochen. 2020 wird mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer in Deutschland der Generation Y (zwischen 1980 und 1995 geboren) angehören. Diese Generation ist sozu­sagen von frühesten Tagen an eine Pioniergruppe, die sich auf den Weg gemacht hat, sich von analog und hierarchisch strukturiert hin zu digital und flexibel zu bewegen. Eine neue Generation, die einer Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten der Konsumenten nicht im Wege steht und die die Transformation von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt aktiv lebt.

Betrachtet man die Haupteigenschaften (siehe Infokasten), die den jungen Generationen zugeschrieben werden können, ist schnell erkennbar, dass die klassischen Führungsansätze nicht mehr greifen, aber auch, dass die junge Generation andere Fähigkeiten, Perspektiven, Ideen und Verhaltensweisen mit in die Unternehmen bringt.

Young-Leader-Konzept

Auf der Führungsebene braucht es jedoch verschiedene Perspektiven: die der Alten und der Jungen, der Frauen und der Männer, der Externen und der Internen. Eine einzelne Person ist nicht mehr in der Lage, alle Eventualitäten zu überblicken, alle Chancen zu erkennen und alle Risiken abzuwägen. Wie so etwas in der Praxis aussehen kann, zeigt die Zeppelin Universität Friedrichshafen, die seit 2010 einen studentischen Vizepräsidenten institutionalisiert hat, wobei der Studierende seine Tätigkeit hauptamtlich ausführt. Der redet bei den großen Entscheidungen der Universität mit. Das hat mit der studentischen Selbstorganisation nichts zu tun, sondern geht weit darüber hinaus. Der Vizepräsident ist in der Organisation der Universität ganz oben angesiedelt.

Ein solch integrativer Ansatz ist durchaus empfehlenswert: Im Rahmen meiner Studie mit der Universität Luxemburg konnte gezeigt werden, dass die Generation Y mit ihren Ideen in den Unternehmen auf der Stelle tritt. Wenn das so weitergeht und die jüngere Generation sich mühsam durch die Hierarchien kämpfen muss, sieht es für die Zukunft der mittelständischen Unternehmen düster aus. Um gute, nachhaltige Ergebnisse zu erzielen, ist für sie das Tempo der Veränderung zu hoch.

Die Young Leader, wie sie auch genannt werden, sind keine Praktikanten oder Assistenten! Sie dürfen und müssen wirklich mitentscheiden, sonst findet keine Transformation statt. Selbstverständlich müssen die Young Leader, wenn sie in die Entscheidungen einbezogen werden, auch mitreden und mitentscheiden wollen. Und sie müssen daher die Verantwortung auch mittragen. Mit „ein bisschen mitreden“, ohne für die Auswirkungen der eigenen Entscheidungen geradestehen zu müssen, ist es nicht getan. Wenn schon, denn schon!

Revolution? Ja, bitte!

Die Integration der Generation Y/Z auf der Führungsebene ist modernes Risikomanagement:

  • Andere Ansichten und Out-of-the-box-Denken sind in diesen Zeiten eine Überlebensfrage.
  • Es können etablierte Strukturen durchbrochen werden, Strukturen, die oft durch persönliche (Karriere-)Interessen gekennzeichnet sind und in diesen Zeiten die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens einschränken können.
  • Das Gleiche gilt für die Erfahrung der Älteren im Unternehmen, eine Erfahrung, die nicht an die Digitalisierung gekoppelt ist. Ist sie die alleinige Entscheidungsbasis im Unternehmen, kann dies in Umbruchzeiten wie diesen für die weitere Entwicklung des Unternehmens sogar von Nachteil sein. Wer die Jungen bei den Entscheidungen einbezieht, beugt Fehlentscheidungen im Unternehmen vor.

Über den Autor

Als Digital Native und Teil der Generation Y beschäftigt sich Dr. Florian Feltes seit mehreren Jahren mit generations- und technologiebedingten Transformationsprozessen in der Führung und Organisationsentwicklung. Gemeinsam mit Andreas Buhr veröffentlicht er im Herbst 2018 das Buch „Revolution? Ja, bitte! – Wenn Old-School-Führung auf New-Work-Leadership trifft“ (ISBN 3869368624). Mehr unter revolution-ja-bitte.de

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2018, Seite 110 f.

 
Ein Artikel von
Dr. Florian Feltes