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11. April 2022
Ist bei den Betrieben die finanzielle Belastungsgrenze erreicht?

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Ist bei den Betrieben die finanzielle Belastungsgrenze erreicht?

Die wirtschaftliche Lage in den deutschen Firmen verschärft sich. Daher werden auch vermehrt Finanzberater und Financial Intermediaries auf Finanzierungsthemen angesprochen. Fünf aktuelle Herausforderungen erklären Andreas Dehlzeit und Marko Dupor in einem Gastbeitrag.

Es fällt sicher nicht leicht, über ökonomische Herausforderungen zu schreiben und geschäftliche Empfehlungen auszusprechen, während mitten in Europa Krieg und menschliches Leid stattfinden. Dass der Konflikt hierzulande wirtschaftlich angekommen ist, dazu gibt es kaum zwei Meinungen.

Probleme etwa mit Energiepreisen und Lieferketten, die bereits vor der geopolitischen Eskalation virulent waren, haben sich in vier von fünf Unternehmen verschärft, wie eine aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) nahelegt. Gleichsam deuten die aktuellen Geschäftsklimazahlen des Münchener Ifo-Instituts auf eine Eintrübung der Stimmung in deutschen Betrieben hin – vor allem bei der wichtigen Erwartungskomponente ist ein deutlicher Einbruch um 13,3% zu verzeichnen.

Der Liquiditätsspielraum wird bei vielen Mittelständlern knapper. Einige GmbHs und inhabergeführte Unternehmen kommen aktuell an ihre finanzielle Belastungsgrenze. Der Factoringspezialist Bibby Financial Services, der weltweit rund 7.000 Unternehmen betreut, nennt die fünf dringlichsten Themen. Die Liste soll Unternehmern sowie ihren Beratern und Vermittlern dabei helfen, Herausforderungen bei der Finanzierungsstrategie frühzeitig zu adressieren und die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen.

1. Energiepreise

Nach dem Entlastungspaket für steuerpflichtige Bürgerinnen und Bürger hat die Ampelregierung am 08.04.2022 Milliardenhilfen für Unternehmen beschlossen. Steigende Öl- und Dieselpreise haben zuletzt nicht nur Betriebe energieintensiver Branchen wie der Transportwirtschaft mit ihren rund 15.000 Speditionen in Schwierigkeiten gebracht. Laut Zahlen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI) bewerten fast 90% der Mittelständler die aktuelle Lage als starke oder existenzielle Bedrohung. Leider ist damit zu rechnen, dass speziell im Bereich des gewerblichen Güterkraftverkehrs, der sich in Deutschland durch viele mittlere und kleine Player kennzeichnet, eine Marktkonsolidierung bevorstehen könnte. Die Gründe sehen wir vornehmlich in unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der Marktteilnehmer. Während große Logistikunternehmen zumeist entsprechende Preisklauseln verhandelt oder sich gegen steigende Kosten abgesichert haben (Hedge), fehlt kleineren Anbietern oftmals diese Expertise. Zudem dominieren Hausbankprinzip und Bankkredit bei vielen die Unternehmensfinanzierung. Wenn zinsgünstige Darlehen jetzt knapper werden, lohnt sich die Beschäftigung mit Alternativen in der Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung, zum Beispiel mittels Factoring und Private Equity, oder Mezzanine-Kapital.

2. Lieferketten und Materialengpässe

Die Hochphase der Corona-Pandemie war charakterisiert von einer Knappheit an Rohstoffen und Vormaterialien. Im produzierenden Gewerbe sehen wir nach der Chipkrise der vergangenen 24 Monate aktuell neue Engpässe, die mit rasant steigenden Waren- und Erzeugerpreisen einhergehen. Während Verbraucher die Brüche in den Lieferketten unter anderem bei Weizenprodukten in den Supermärkten wahrnehmen, deren Preise teilweise auf Zehnjahreshochs notieren, sind viele Firmen mit der mangelnden Verfügbarkeit von Kabelbäumen und weiteren Zulieferteilen konfrontiert. Besonders betroffen sind Unternehmen im Exportgeschäft, die von funktionierenden Logistikketten abhängig sind. Obgleich explodierender Kosten produzieren sie weiter – schließlich wollen sie ihre Kunden nicht verlieren. Kommen dann noch lange Rechnungsziele oder gar Zahlungsverzögerungen hinzu, steigen Ausfallrisiken bei gleichzeitig dünner Kapitaldecke. Für diese Unternehmen ist es Top-Priorität, die Finanzierung der kommenden Monate sicherzustellen inklusive der Absicherung gegen Forderungsausfälle und -verluste. Einige Unternehmen müssen zudem, entlang EU-Lieferkettengesetz und BaFin-Bilanzkontrolle, zusätzliche Kosten für regulatorische Standards einplanen. Es besteht die Gefahr einer Preis- und Regulierungsarbitrage, insofern Produktionslinien an bestimmten Standorten, inklusive Deutschland, erst einmal zurückgefahren werden könnten.

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