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BU-Rente: Profifußballer bleibt trotz Trainerjob berufsunfähig

Verweisungsregeln in der BU-Versicherung gelten auch für Profisportler: Ein Ex-Profifußballer, der nach einer schweren Knieverletzung Torwarttrainer wurde, stritt mit seiner Versicherung um die Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente. Das Gericht entschied zu seinen Gunsten.

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) beleuchtet die Rechte eines Profisportlers im Zusammenhang mit seiner Berufsunfähigkeitsversicherung. Im Mittelpunkt stand ein ehemaliger Profifußballspieler, der auf die Zahlung seiner Berufsunfähigkeitsrente klagte, nachdem die Versicherung im Rahmen einer Nachprüfung ihre Leistungen eingestellt hatte.

Profisportler wird nach Verletzung Torwarttrainer

Der 1982 geborene Kläger hatte im Jahr 1999 eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Nach einer erfolgreichen Karriere als Profifußballspieler, in der er Jahreseinkünfte von rund 587.000 Euro erzielte, zog sich der Torwart 2014 eine schwere Knieverletzung zu und wurde berufsunfähig. Die Versicherung erkannte zunächst die Leistungspflicht an und zahlte die vereinbarte monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 2.024,18 Euro.

Ab 2022 übte der Kläger jedoch eine neue Tätigkeit als Torwarttrainer bei einem Profifußballverein aus, die mit einem Jahreseinkommen von etwa 97.358 Euro vergütet wurde. Daraufhin stellte die Versicherung die Zahlungen ein und verwies darauf, dass der Kläger nun eine „seiner bisherigen Lebensstellung entsprechende“ berufliche Tätigkeit ausübt. Dies sah der Kläger anders und erhob Klage. Vor dem Landgericht wurde seine Klage zunächst abgewiesen, anders beim Berufungsgericht, wo der Versicherer das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und seine Verweisung als formell und materiell wirksam bezeichnete.

Entscheidung zur Fortzahlung der BU-Rente

Das OLG Karlsruhe entschied allerdings zugunsten des Klägers und verpflichtete den Versicherer zur Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die neue Tätigkeit als Torwarttrainer nicht die bisherige Lebensstellung des Klägers wahrt.

Zwei Hauptaspekte hat das Gericht hervorgehoben. Die Einkommensdifferenz zwischen der Tätigkeit als Profifußballer und der neuen Rolle als Torwarttrainer sei erheblich. Während der Kläger als Spieler ein durchschnittliches Jahreseinkommen von rund 468.000 Euro erzielte, lag das Einkommen als Trainer um mehr als 75% darunter. Eine solche Reduktion sei nicht mit der bisherigen Lebensstellung vereinbar, selbst wenn es sich bei Profisportlern um Berufe mit zeitlich begrenzten Spitzenverdiensten handelt. Zudem sei die soziale Wertschätzung der neuen Tätigkeit ebenfalls geringer. Als Profifußballer genoss der Kläger ein hohes öffentliches Prestige und stand im Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Dagegen bewegt sich ein Torwarttrainer eher im Hintergrund und erfährt nicht denselben Grad an gesellschaftlicher Anerkennung.

Das Gericht betonte, dass bei der Berufsunfähigkeitsversicherung die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit in „gesunden Tagen“ als Referenz für die Lebensstellung dient. Auch das Argument der Versicherung, dass das Einkommen als Profifußballer nur für einen begrenzten Zeitraum erzielt werden konnte, änderte an dieser Bewertung nichts. Der Versicherer hatte argumentiert, dass der Kläger am Anfang einer möglicherweise sehr erfolgreichen Trainerkarriere stehe, während er demgegenüber, wenn er noch als Lizenzfußballspieler (Torwart) tätig wäre, mit einem baldigen Ende seiner Spielerkarriere aufgrund des erreichten Alters rechnen müsste. Vergleiche man daher nicht nur die bloßen Einkommenszahlen, sondern berücksichtige man auch die beruflichen Perspektiven, sei der jetzt ausgeübte Beruf dem nicht mehr ausgeübten Beruf gegenwärtig bereits „gleichwertig“. Das Gericht vertrat jedoch die Auffassung, der Versicherer hätte diese Besonderheit vertraglich berücksichtigen müssen, was hier nicht geschehen sei.

Freistellung von der Beitragspflicht

Zudem stellte das Gericht fest, dass der Versicherer den Kläger von seiner Verpflichtung zur Beitragszahlung aus dem Versicherungsvertrag freizustellen sei. Es bemängelte außerdem, dass die Einstellungsmitteilung nicht ausreichend begründet war. Die Beklagte habe beispielsweise nicht dargelegt, wie sich die Lebensstellung des Klägers als Profifußballer nach dem Ende seiner aktiven Karriere ohne den Eintritt der Berufsunfähigkeit ihrer Auffassung nach typischerweise dargestellt hätte.

Unabhängig davon war die Leistungseinstellung aber auch materiell unberechtigt. Die Beklagte wäre nur berechtigt gewesen, ihre Leistungen einzustellen, wenn die Berufsunfähigkeit des Klägers weggefallen oder unter 50% gesunken wäre. Eindeutig war aber, dass der Kläger nicht in der Lage ist, seinen vor dem Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben.

Auch bei Profisportlern trägt der Versicherer das Risiko

Das Urteil verdeutlicht, dass Verweisungstätigkeiten bei Berufsunfähigkeitsversicherungen strengen Kriterien unterliegen. Insbesondere bei Berufen mit außergewöhnlich hohen Einkommen und gesellschaftlicher Anerkennung, wie es bei Profisportlern der Fall ist, können neue Tätigkeiten nicht ohne Weiteres als gleichwertig angesehen werden.

Versicherer müssen bei der Beurteilung von Verweisungstätigkeiten die individuelle Lebensstellung des Versicherten umfassend würdigen. Insbesondere bei Berufen mit besonderen Charakteristika wie Profisport sind generalisierte Ansätze unzureichend. (bh)

 

Franke und Bornberg analysiert Entwicklungen und Trends in der BU

Franke und Bornberg hat die Entwicklungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung 2024 beleuchtet und zeigt sich erleichtert, dass die befürchtete „Zeitenwende“ ausgeblieben ist. Zudem beleuchten die Experten, was sich 2025 in der Sparte tun könnte, etwa im Zuge der Anhebung des Höchstrechnungszinses.

Wie hat sich die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) im vergangenen Jahr entwickelt? Das hat das Analysehaus Franke und Bornberg zum Start ins neue Jahr untersucht. Laut den Experten war das Jahr 2024 geprägt von kontroversen Produktinnovationen. Insbesondere die Einführung des Verzichts auf die konkrete Verweisung vonseiten der HDI und der Bayerischen hat den Experten sauer aufgestoßen. „Diese Neuerungen bergen das Risiko, die Balance zwischen Versicherbarkeit und Solidarität zu beeinträchtigen“, so Franke und Bornberg.

Experten kritisieren Verzicht auf konkrete Verweisung

Was hat es damit auf sich? Durch die konkrete Verweisung muss der Versicherer nicht zahlen, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, die sozial und finanziell vergleichbar mit seiner vorherigen Arbeit ist. Der Verzicht auf die konkrete Verweisung bedeutet, dass der Versicherer in einem solchen Fall trotzdem weiterzahlen würde. Der Gründer und Geschäftsführer von Franke und Bornberg, Michael Franke, äußerte sich bereits in einem Interview mit AssCompact Mitte vergangenen Jahres kritisch über die Entwicklungen. Der Verzicht auf die konkrete Verweisung könnte dazu führen, dass das Versicherungsprinzip auf den Kopf gestellt wird, sagte Franke im AssCompact Interview. Im Rückblick formuliert das Analysehaus seine Position zu der Entwicklung noch etwas deutlicher: Die Entwicklung übertrete die „Linie zwischen Versicherungsschutz und sinnlosen Geschenken an einzelne Versicherte“.

Keine Zeitenwende eingetreten

Erfreut zeigen sich die Analysten, dass die vom Analysehaus befürchtete „Zeitenwende“ nicht eingetreten ist, denn: Bislang ist kein weiterer Versicherer dem Beispiel gefolgt. „Die Entscheidung, an der konkreten Verweisung festzuhalten, unterstreicht die Bedeutung von Stabilität und Risikobewusstsein im Markt“, kommentiert Franke.

Steigender Höchstrechnungszins hat Einfluss auf BU-Verträge

Eine wichtige Veränderung, die im laufenden Jahr Einfluss auf BU-Verträge haben wird, ist der Anstieg des Höchstrechnungszinses von 0,25% auf 1,0%. Die Änderung ist zum Jahreswechsel erfolgt und viele Versicherer haben ihre Produkte entsprechend angepasst. In der Regel führt die Anhebung des Rechnungszinses zu einer proportionalen Reduzierung der Überschussbeteiligungen von 0,75%, was wiederum Auswirkungen auf die BU-Rente im Leistungsfall hat, erklären die Experten. Franke und Bornberg verweist auf positive Beispiele, bei denen Versicherer die Überschussbeteiligung moderater gestaltet haben, etwa die uniVersa (-0,25 Prozentpunkte), die Hannoversche (-0,45 Prozentpunkte) und die ERGO Vorsorge (-0,30 Prozentpunkte).

Weitere „Trends“ in der BU im Jahr 2025

Neben diesem „Trend“ beobachtet Franke und Bornberg noch weitere Entwicklungen in der BU. So heben immer mehr Versicherer die Grenze für den Verzicht auf die Prüfung der Umorganisation in Kleinbetrieben von fünf auf zehn Mitarbeiter an. Bei Selbstständigen verzichten mehr Versicherer auf die Prüfung von Umorganisation, wenn mindestens 90% der Arbeitszeit auf kaufmännische oder organisatorische Tätigkeiten entfällt. In der Vergangenheit war dies meist nur für Akademiker vorgesehen, wird aber nun auf eine breitere Zielgruppe ausgeweitet.

Als Verbesserung sehen die Analysten auch die vereinfachte Anerkenntnis der BU bei Vorliegen einer Erwerbsminderung an. „Dabei wird eine Berufsunfähigkeit automatisch anerkannt, wenn eine (volle) Erwerbsminderung durch die gesetzliche Rentenversicherung festgestellt wurde, was nicht selten der Fall ist“, schreibt Franke und Bornberg. Das verkürzt die Leistungsprüfung erheblich, was dazu führt, dass Versicherte einfacher und schneller ihre Leistungen erhalten. Immer mehr Versicherer nehmen dies in ihren Leistungskatalog auf. Erst im Dezember 2024 hat Franke und Bornberg die Ergebnisse seines Leistungspraxisratings in der BU veröffentlicht, wo die Analysten die Leistungspraxis von zehn deutschen BU-Versicherern untersucht hat. Durchschnittlich dauerte die Regulierung eines BU-Antrags im Jahr 2023 knapp 182 Tage, also fast ein halbes Jahr.

BU bleibt zuverlässiger Schutz im Bereich AKS

2024 war ein herausforderndes Jahr für die BU, resümiert Franke und Bornberg, die Marktstabilität konnte jedoch gewahrt werden. Mit einem verantwortungsvollen Umfang der Versicherer und gezielten Produktanpassungen bleibt die BU ein zuverlässiger Schutz vor existenziellen Risiken, prophezeien die Experten. (js)

 

BU: Darf Versicherer Gründe für Rücktritt nachschieben?

Das Vertrauen auf den Versicherungsschutz ist ein zentraler Baustein einer Police. Doch macht der Versicherte beim Antrag falsche Angaben, kann dem Versicherer ein Rücktritts- oder Anfechtungsrecht zustehen. Doch darf der Versicherer nach Erklärung weitere Gründe nachschieben? Diese Frage erläutert Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke.

Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Ein Rücktritt vom Versicherungsvertrag durch den Versicherer kommt nach § 19 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer seine Pflicht nach § 19 Abs. 1 VVG verletzt. Danach hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer die ihm bekannten Gefahrenumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, nicht anzeigt.

Ein Ausschluss des Rücktrittsrechts kommt in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Auch besteht ein Ausschluss, wenn der Versicherer den Vertrag bei Kenntnis der fraglichen Umstände abgeschlossen hätte. Weiterhin muss der Versicherer den Versicherungsnehmer auf die Folgen der Anzeigepflichtverletzung schriftlich hingewiesen haben. Bezüglich der Geltendmachung des Rücktrittsrechts gilt eine Monatsfrist. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Versicherers von der Anzeigepflichtverletzung zu laufen.

Muss der Versicherer den Rücktritt begründen?

Da ein fehlender Versicherungsschutz den Versicherungsnehmer in eine besonders vulnerable Situation versetzt, sind auch hier bestimmte Regeln zu beachten. Der Versicherer muss innerhalb der Monatsfrist zur Geltendmachung nicht nur den Rücktritt an sich erklären, sondern auch die Gründe. Dazu ist es ausreichend, wenn der Versicherer die Gründe für den Rücktritt skizziert, so dass dem Versicherungsnehmer sein Fehlverhalten klar vor Augen geführt wird. Dabei sollten die Gründe klar und prägnant formuliert werden, um eine Überforderung des Versicherungsnehmers zu vermeiden.

Aber was ist, wenn der Versicherer neben dem erklärten Rücktritt und den zunächst genannten Gründen weitere Gründe „nachschiebt“? Ein Nachschieben von weiteren Rücktrittsgründen ist nach § 21 Abs. 1 VVG grundsätzlich zulässig, jedoch nur innerhalb der Monatsfrist.

Wann diese Frist beginnt, ist allerdings nicht klar geregelt. Es stellt sich die Frage, ob die Frist mit Kenntnis des ersten Rücktrittgrundes zu laufen beginnt oder jederzeit ab Kenntnis des neuen Rücktrittsgrundes. Nach bisheriger Rechtsprechung ist zwischen zwei Varianten zu differenzieren. Kennt der Versicherer den weiteren Grund bereits bei Erklärung des Rücktritts und Angabe des ursprünglichen Grundes, so kann er diesen auch nur binnen einer Monatsfrist mit Beginn der Kenntnis des ursprünglichen Grundes nachschieben. Erlangt er aber erst nach Ablauf der Frist Kenntnis über einen weiteren Rücktrittsgrund, so kann er sein Rücktrittsrecht bezüglich dieses Grundes neu ausüben.

Was gilt bei der Ausübung des Anfechtungsrechts des Versicherers?

Ficht der Versicherer den Versicherungsvertrag an, so ist die Anfechtung auf Grund arglistiger Täuschung von allen weiteren Anfechtungsgründen abzugrenzen. Für die Frist und Form der Anfechtung sind zunächst die allgemeinen Regeln zu beachten. Bezüglich des Nachschiebens sind für die Anfechtung die Regeln des Rücktritts (siehe oben) entsprechend anwendbar.

Anderes gilt bei der Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung (§ 123 BGB). Die Rechtsprechung ist in diesem Bereich lückenhaft. Nach der gesetzlichen Frist des § 124 BGB kann ein Nachschieben eines weiteren Anfechtungsgrundes innerhalb eines Jahres ab Kenntniserlangung erfolgen. Es muss aber geprüft werden, ob es sich nicht tatsächlich um einen neuen Umstand handelt, der eine eigenständige Anfechtung begründet. Handelt es sich um einen neuen Umstand, beginnt für diesen auch eine eigene Jahresfrist ab Kenntniserlangung zu laufen.

Fazit und Hinweise für die Praxis

Welche Rücktritts- oder Anfechtungsgründe der Versicherer angibt, kann besonders für eine rechtliche Überprüfung von Bedeutung sein. Denn je mehr Gründe vorliegen, umso wahrscheinlicher ist eine Entscheidung zugunsten des Versicherers. Daher sollte genau geprüft werden, wann der Versicherer von den Gründen Kenntnis erlangt hat und ob er diese auch fristgerecht erklärt hat.

Besonders relevant ist bei der Anfechtung aufgrund einer möglichen arglistigen Täuschung, ob es sich um einen eigenständigen Grund handelt, der ein neues Rücktritts- oder Anfechtungsrecht begründet, oder ob der fragliche Grund mit der bereits getätigten Erklärung zusammenhängt und dadurch nur durch ein Nachschieben dem Sachverhalt zugeordnet werden kann. Mithin ist ein „Nachschieben von Gründen“ durch den Versicherer nur unter den vorgenannten Voraussetzungen möglich, darüber hinaus jedoch nicht.

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BU-Leistungspraxis: Diese Versicherer regulieren am besten

Franke und Bornberg hat die Leistungspraxis von zehn deutschen Berufsunfähigkeitsversicherern untersucht. Sieben von ihnen haben die Bestnote im Rating erreicht. Die Regulierung bei den teilnehmenden Unternehmen dauert jedoch inzwischen durchschnittlich etwa ein halbes Jahr.

Eine gute Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist mehr als nur die Versicherungsbedingungen und der Preis. Denn wie professionell, fair und kundenorientiert ein Versicherer tatsächlich handelt, das wird erst klar, wenn ein Antrag auf Leistungen eingeht, so das Analysehaus Franke und Bornberg. Das Hannoveraner Unternehmen hat nun seine aktuelle Auflage des BU-Leistungspraxisratings veröffentlicht. Zehn Teilnehmer haben an dem Rating teilgenommen, darunter auch die größten BU-Versicherer hierzulande.

BU-Leistungspraxis bei vielen Versicherern ein „gut gehütetes Geheimnis“

Bei Franke und Bornberg ist man nicht überrascht, dass nicht alle BU-Versicherer sich an dem umfangreichen Rating beteiligen. Denn anders als die Prämien und die Versicherungsbedingungen ist die Leistungspraxis bei vielen Unternehmen ein „gut gehütetes Geheimnis“, das nicht öffentlich einsehbar ist, so Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter von Franke und Bornberg. „Viele Versicherer spekulieren damit, Fehler in der Kalkulation oder zu großzügige Leistungsversprechen unter Ausschluss der Öffentlichkeit bei einzelnen Kunden zu „korrigieren.“

Rating basiert auf Daten und Vor-Ort-Untersuchungen

Die Grundlage für das diesjährige Rating bilden BU-Regulierungsfälle aus dem Jahr 2023. Dieses Jahr haben sich zehn Versicherer dem Rating gestellt, einer mehr als im vergangenen Jahr. Um an dem Rating teilzunehmen, müssen Versicherer detailliertes Datenmaterial liefern. Zusätzlich machen sich die Experten des Analysehauses anhand umfangreicher Untersuchungen, Interviews und Stichproben ein Bild vor Ort. Vier der zehn Versicherer lassen sich zusätzlich im BU-Unternehmensrating in den Kategorien Antrag und Stabilität bewerten. Die Ergebnisse des Unternehmensratings hat Franke und Bornberg vor wenigen Wochen veröffentlicht.

Durchschnittliche Dauer für Regulierung deutlich gestiegen

Wie steht als also um die Leistungspraxis bei den BU-Versicherern? Die Regulierung dauerte im Jahr 2023 auf jeden Fall deutlich länger. Durchschnittlich waren es knapp 182 Tage, also ziemlich genau ein halbes Jahr. 2021 waren es noch 166 Tage gewesen. Was steckt dahinter? Zum einen das zunehmende Alter der Versicherten. „Die BU-Bestände werden reifer. Und mit dem Alter der Versicherten steigt die Zahl der Anträge auf BU-Leistungen“, erklärt Philipp Wedekind, Leiter Rating Vorsorge und Nachhaltigkeit. „Das stellt derzeit viele Leistungsabteilungen vor Herausforderungen.“ Um sich besser aufzustellen, stellen viele Versicherer derzeit neues Personal ein und bilden Nachwuchs aus.

Auch die Beantwortung der BU-Fragebögen verlangsamt den Regulierungsprozess – durchschnittlich allein 40 Tage brauchen Antragsteller, um ihn auszufüllen und zu übersenden. Abhilfe schaffen digitale Tools wie Online-Kundenportale sowie telefonische Prozesse. „Telefonie verkürzt die Regulierungsdauer und erhöht die Kundenzufriedenheit“, so Wedekind.

Nur wenige Fälle landen vor Gericht

Als Neuerung im diesjährigen Kriterienkatalog nennt Franke und Bornberg Quoten zu Gutachten und Prozessen. Beide Punkte gelten zwar als Kritik an der Regulierungspraxis, doch aktuell spielen sie nur eine untergeordnete Rolle, stellt das Analysehaus fest. Vor Gericht landeten im Jahr 2023 lediglich 2,17% der Fälle, oder etwa jeder 50. Und die Gutachtenquote ist in den letzten Jahren gesunken, von 6,01% im Jahr 2019 auf 2,87% im Jahr 2023. Hohe Kosten, die häufig mangelhafte Qualität und lange Antwortzeiten sind verantwortlich für den Rückgang, so Wedekind. Stattdessen setzten Versicherer hier häufig auf eigenes Know-how durch Mitarbeiterweiterbildung oder die Einbindung eines Gesellschaftsarztes.

Diese BU-Versicherer erhalten Bestnoten

Die analysierten Unternehmen werden in den Teilbereichen Qualität der Leistungsfallbearbeitung (50%), Unterstützung der Kunden (25%) und Qualität der Leistungsentscheidung (25%) bewertet. Die Ergebnisse werden wie üblich bei Franke und Bornberg auf einer Skala von FFF+ („hervorragend“) bis F- („ungenügend“) eingeordnet.

 

BU-Leistungspraxis: Diese Versicherer regulieren am besten und fairsten

 

Im aktuellen Rating können die Versicherer überzeugen (siehe Grafik). Sieben der zehn teilnehmenden Gesellschaften können sich die Höchstnote FFF+ („hervorragend“) sichern. Das sind (in alphabetischer Reihenfolge): Allianz, ERGO, Generali, HDI, NÜRNBERGER, Signal Iduna und Zurich. Die Dialog und Gothaer schneiden mit der Note FFF „sehr gut“ ab, die Continentale kann eine Gesamtnote von FF+ („gut“) vorweisen. (js)

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Rating: Versicherer setzen im „BU-Dreikampf“ Maßstäbe

Das Analysehaus Franke und Bornberg hat die Ergebnisse seines diesjährigen BU-Unternehmensratings veröffentlicht. Erneut haben sich nur vier Unternehmen dem „anspruchsvollen Verfahren“ gestellt. Wie sie im Rating abgeschnitten haben.

Seit 2004 untersucht das Analysehaus Franke und Bornberg mit dem BU-Unternehmensrating die Antrags- und Leistungspraxis sowie die Stabilität mehrerer Versicherer in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Zum wiederholten Male haben sich nur vier Versicherer dem Verfahren gestellt. Die Generali, HDI und NÜRNBERGER sind seit Anfang an dabei, die ERGO Vorsorge kam im Jahr 2007 hinzu.

Dass weiterhin nur wenige Gesellschaften an dem freiwilligen Rating teilnehmen, überrascht Michael Franke, den geschäftsführenden Gesellschafter von Franke und Bornberg, nicht. Die Teilnahme erfordere Transparenz auch in „sensiblen Bereichen“, beispielsweise aus internen Daten und Berichten.

Mehrere Faktoren spielen in der BU eine Rolle

Kunden wollen bei einem Unternehmen versichert sein, das „Prämienstabilität bietet und in der Leistungsregulierung ein zuverlässiger und fairer Partner ist“, so Franke und Bornberg. Ein guter BU-Tarif allein garantiere dabei nicht, dass der BU-Schutz hält, was er verspricht. „Stabiles BU-Geschäft erfordert eine adäquate Risikoprüfung und intelligentes Controlling“, betont Franke. „Beides bewahrt das Versichertenkollektiv vor nicht sachgerechten Lasten und sinkenden Überschüssen. Auf der anderen Seite erwarten Versicherte zurecht, dass ihr Antrag auf BU-Leistungen fair, professionell und zügig bearbeitet wird. Die Regulierung ist der Lackmustest für jeden BU-Vertrag.“

Gesamtergebnis setzt sich aus drei Teilbereichen zusammen

Für das Rating nutzt Franke und Bornberg ausschließlich selbst erhobene Daten. Diese werden bei den Unternehmen vot Ort geprüft und verifiziert, schreibt das Analysehaus. Das Fundament des Ratings bilden dabei über 500 Einzelpositionen. Diese werden in die drei Bereiche Kundenorientierung in der Angebots- und Antragsphase, Kundenorientierung in der Leistungsregulierung und Stabilität des BU-Geschäfts aufgeteilt. Letzterer Bereich fließt mit 50% in die Gesamtwertung ein, die anderen beiden mit jeweils 25%.

In den Teilbereich „Stabilität“ fließen dabei auch die Ergebnisse des map-reports „Stabilitätsrating BU“ ein. Der Prüfprozess für das Rating umfasst dabei alle Arbeitsschritte der Risiko- und Leistungsprüfung, so Franke und Bornberg. Für den aktuellen Zyklus wurde der Prozess um zwei wichtige Parameter erweitert: Quoten für Gerichtsprozesse und Gutachten.

Alle teilnehmenden Versicherer mit Höchstbewertung

Alle vier Versicherer können die Höchstnote FFF+ („hervorragend“) erreichen. Diese wird nur dann vergeben, wenn die Unternehmen mindestens 80% der maximalen Punktzahl erreicht, zwei von drei Teilbereichen mindestens bei 80% liegen und kein Bereich unter 75% liegt. Die Bewertung der Einzelbereiche können der Grafik entnommen werden.

 

Rating: Versicherer setzen im „BU-Dreikampf“ Maßstäbe

 

Alle Teilnehmer zeichnen sich durch „herausragende Leistungen“ aus, schreibt das Analysehaus, ein Ergebnis von Entschlossenheit, Disziplin und nachhaltigen Anstrengungen der Anbieter. „Wer im BU-Dreikampf aus Antrag, Schaden und Stabilität auf höchstem Niveau bestehen will, braucht Ehrgeiz, Geduld und Engagement, um seine Fähigkeiten und Prozesse zu perfektionieren“, so Philipp Wedekind, Leiter Ratings Vorsorge und Nachhaltigkeit bei Franke und Bornberg. Die Ergebnisse der Teilnehmer können andere Versicherer dazu motivieren, zu ihnen aufzuschließen. (js)

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Canada Life erweitert BU-Schutz

Der Lebensversicherer Canada Life hat einige Upgrades bei seiner Berufsunfähigkeitsversicherung vorgenommen. Menschen, die in Teilzeit arbeiten, den Job wechseln oder den Schutz aufstocken möchten, haben nun mehr Optionen zur Verfügung.

Der Berufsunfähigkeitsschutz der Canada Life wurde aktualisiert. Neukunden kommen nun besser weg, wenn sie z. B. in Teilzeit arbeiten, den Beruf wechseln oder ihren Schutz aufstocken möchten, so der Lebensversicherer in einer Unternehmensmitteilung. Auch Berufsanfänger finden nun bessere Absicherungsperspektiven, da Canada Life ab sofort BU-Schutz für insgesamt 144 Studiengänge bietet.

AU-Klausel und Günstigerprüfung

Ab sofort sichert der Berufsunfähigkeitsschutz von Canada Life auch Kunden ab, die einer Teilzeittätigkeit nachgehen. Dabei gilt, dass die versicherte Person weniger als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer arbeitet. Bei Selbstständigen greift die Neuerung, wenn diese weniger als 40 Stunden pro Woche arbeiten.

Die optional wählbare Zusatzoption „Arbeitsunfähigkeits-Klausel“ bietet ebenfalls einige Neuerungen. Canada Life erhöhte die maximale Leistungsdauer auf 36 Monate, eine parallele Leistungsprüfung ist laut dem Versicherer nicht mehr nötig. Wenn Kunden den Beruf wechseln, kommt außerdem die Günstigerprüfung zum Tragen. Hier sind dann geringere Monatsbeiträge möglich. Eine Beitragsdynamik ist nun in 1%-Schritten zwischen 1% und 5% wählbar. Zudem haben Versciherte die Möglichkeit, sie vor dem Leistungsfall ohne erneute Risikoprüfung zu verändern sowie ein- oder auszuschließen.

BU-Schutz aufstocken

Weiterhin hat Canada Life die Gesundheitsfragen und die Abfragezeiträume vereinfacht. Zudem bekommen Neukunden ab sofort mehr Möglichkeiten, ihren BU-Schutz aufzustocken. Für die Ausübung der Nachversicherungsgarantie beträgt die Frist nun zwölf Monate. Eine ereignisunabhängige Nachversicherungsgarantie kann einmalig innerhalb der ersten fünf Jahre oder zum zehnten Jahrestag ausgeübt werden.

Zudem hat der Versicherer die ereignisabhängigen Nachversicherungsgarantien wie etwa beim Erwerb einer Immobilie verbessert. Canada Life hat hier weitere Anlässe ergänzt, z. B. die erstmalige Gründung eines Hausstandes, der erstmalige Beginn eines Studiums oder einer Ausbildung und die Wiederaufnahme der Tätigkeit nach Beendigung der Elternzeit. (mki)

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BU: Was ist bei vertraglicher „Dynamik“ zu beachten?

Beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung begegnet man dem Begriff der sogenannten „Dynamik“. Aber was ist eine Dynamik in der BU und was gilt es zu beachten? Diese Fragen erläutert Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke in seiner regelmäßig erscheinenden BU-Kolumne.

Ein Kolumne von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Eine Dynamik ist die dynamische Anpassung der Berufsunfähigkeitsversicherung an die Lebensumstände des Versicherungsnehmers sowie die Anpassung an die Inflation. Diese Anpassung wird in der Regel durch eine Erhöhung der zu zahlenden Beiträge erreicht. Durch die Erhöhung steigt die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente. Der Versicherungsnehmer muss bei der Erhöhung der Beiträge meist keine neue Gesundheitsprüfung durchlaufen.

Neben der Beitragsdynamik gibt es auch die Möglichkeit, eine Leistungsdynamik zu vereinbaren. Diese bezieht sich auf den Eintritt des Versicherungsfalls. Im Gegensatz zur Beitragsdynamik, die die zu zahlende Rente bis zum Eintritt des Versicherungsfalls erhöht und dann im Leistungsfall aussetzt, wird bei der Leistungsdynamik vereinbart, dass sich die Berufsunfähigkeitsrente während des Leistungszeitraums um einen bestimmten Prozentsatz erhöht.

Übersicherung durch Dynamik möglich?

Versicherte können der jährlichen Erhöhung der Beiträge bzw. Renten in der Regel widersprechen. Dazu gilt es, die individuellen Vereinbarungen mit dem Versicherer zu beachten. Aber was passiert, wenn der Versicherte den Dynamisierungen nicht widerspricht und die im Leistungsfall zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente das Gehalt des Versicherungsnehmers übersteigt? Hier gilt Entwarnung für den Versicherungsnehmer. Da die Berufsunfähigkeit eine Summenversicherung ist, findet die Vorschrift des § 74 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) keine Anwendung. Der Versicherer kann die Versicherungsleistung also nicht entsprechend dem Einkommen des Versicherungsnehmers anpassen, sondern muss die vertraglich zugesicherten Leistungen in voller Höhe erbringen (siehe auch: „Darf der Versicherer eigentlich die BU-Rente kürzen?“).

Leistungskürzung via „Übersicherungsklausel“?

Bei einer „Übersicherung“ schneidet der Versicherer also im Zweifel schlecht ab und muss dem Versicherungsnehmer trotz möglichem Missverhältnis die geforderte Berufsunfähigkeitsrente zahlen. Dieses „Problem“ versuchen manche Versicherer über eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) zu umgehen, indem sie Versicherten auferlegen, eine mögliche Übersicherung jährlich selbst zu überprüfen und bei entsprechender Feststellung einen Widerspruch einzulegen. Auch lassen sich im Zuge dessen Klauseln finden, bei denen sich der Versicherer vorbehält, bei unterlassenem Widerspruch die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente an das tatsächliche Gehalt des Versicherten anzupassen.

Beispielhaft könnten die entsprechenden Klauseln wie folgt lauten:

„Welche sonstigen Bestimmungen gelten für die Erhöhungen der Versicherungsleistungen?

Voraussetzung für die Dynamik von Berufsunfähigkeitsleistungen ist eine stets angemessene Relation der Rente zum Einkommen des Versicherten. Übersteigt die gesamte Jahresrente 25.200 Euro und übersteigt die Rente einschließlich bestehender Berufsunfähigkeitsanwartschaften 70% des jährlichen Bruttoeinkommens, ist der Erhöhung zu widersprechen. Hierauf werden wir Sie in jedem Nachtrag über die Erhöhung hinweisen.

Stellen wir im Leistungsfall fest, dass zum Zeitpunkt einer Erhöhung keine angemessene Relation zum Einkommen gegeben war, sind wir von der Verpflichtung zur Leistung aus dieser Erhöhung frei. Die für diese Erhöhung aufgewendeten Beträge werden – unter Abzug bereits erhaltener Überschussanteile – unverzinst zurückerstattet.“

Aber sind diese Klauseln rechtlich haltbar?

Unwirksamkeit von Klauseln zur Übersicherung?

Grundsätzlich besteht Vertragsfreiheit in Deutschland. Die Vertragsparteien können den Inhalt ihrer Verträge grundsätzlich selbst bestimmen. Besonders bei der Verwendung von AVB gegenüber Verbrauchern gilt aber ein besonderer Schutz für Versicherte. Die Wirksamkeit von Klauseln kann nämlich gerichtlich überprüft werden. Nach § 305 c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könnte es sich hier um eine überraschende Klausel handeln, da der Verbraucher nicht mit einer derartigen Klausel zu rechnen braucht. Dies wird besonders durch den Umstand unterstützt, dass eine Übersicherung nicht gesetzlich für die Berufsunfähigkeitsversicherung geregelt ist. Ginge man davon aus, dass es sich um eine überraschende Klausel handelt, wird sie nicht Bestandteil des Versicherungsvertrags, so dass der Versicherer sich nicht darauf berufen könnte.

Verstoß gegen das Transparenzgebot?

Aber auch bei der Annahme einer wirksamen Einbeziehung in den Vertrag könnte die entsprechende Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers nach § 307 BGB darstellen. So kann in einer unverständlichen Formulierung, die den Versicherungsnehmer zur Überprüfung der Übersicherung auffordert, auch Berufsunfähigkeitsanwartschaften zu berücksichtigen, eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB gesehen werden, da gegen das Transparenzgebot verstoßen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) werden könnte. Versicherten könnte unklar sein, was von den Berufsunfähigkeitsanwartschaften überhaupt umfasst wird. So könnten neben weiteren Berufsunfähigkeitsversicherungen auch andere Rentenansprüche gemeint sein, wie zum Beispiel die Erwerbsminderungsrente. Nimmt man einen Verstoß gegen das Transparenzgebot an, wäre die Klausel unwirksam, so dass der Versicherer sich nicht darauf berufen könnte.

Praxistipp

Eine Dynamik in der Berufsunfähigkeitsversicherung stellt eine gute Lösung zum Ausgleich der Inflation und eine stetige Anpassung an den Lebensstandard des Versicherungsnehmers dar. Auch bezüglich der Gefahr der Übersicherung gilt, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung als Summenversicherung grundsätzlich voll leisten muss. Bei Übersicherungsklauseln gilt jedoch besondere Aufmerksamkeit. Diese sollten zwingend auf ihre Wirksamkeit hin juristisch überprüft werden.

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Arbeitsunfähigkeit gleichbedeutend mit Berufsunfähigkeit?

Wann liegt Arbeitsunfähigkeit, wann Berufsunfähigkeit vor? Ist der Versicherte nicht mehr im Stande, seiner bisherigen Tätigkeit nachzugehen, stellt sich die Frage, welche Ansprüche geltend gemacht werden können und wie sich das Zusammenspiel von „AU vs. BU“ auswirkt. Das erläutert Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke.

Eine Kolumne von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Ein Anspruch auf Leistungen aufgrund von Arbeitsunfähigkeit ist zunächst nicht immer an eine reine Arbeitsunfähigkeitsversicherung geknüpft. Die Ansprüche können grundsätzlich auch im Rahmen der Krankenversicherung geltend gemacht werden. Die Arbeitsunfähigkeit tritt ein, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlechterung der Krankheit in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit nachzugehen.

Leistungspflichtig ist dann zunächst bei gesetzlich Krankenversicherten die gesetzliche Krankenkasse. Bei Privatversicherten muss die private Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankentagegeld enthalten, da kein zusätzlicher Anspruch auf ein gesetzliches Krankengeld besteht. Der Arbeitnehmer kann zunächst einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich zur Fortzahlung des Entgelts für bis zu sechs Wochen verpflichtet.

Das gilt beim Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung tritt der Anspruch auf Krankengeld bei gesetzlich Versicherten und Krankentagegeld bei privat Versicherten anstelle der Entgeltfortzahlung. Der Anspruch bei der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst 70% des regelmäßig erzielten Bruttoarbeitsentgelts und maximal 90% des Nettoarbeitsentgelts. Bei einer privaten Versicherung bestimmt sich die Höhe des Anspruchs nach dem individuellen Vertrag.

Für die Geltendmachung des Anspruchs muss der Versicherte dem Versicherer die Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Der Anspruch gilt ab dem Tag, an dem ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat. Auch wie lange der Anspruch besteht, unterscheidet sich bei der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung. Der Anspruch auf Krankengeld einschließlich der Entgeltfortzahlung wegen derselben Krankheit beschränkt sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung auf 78 Wochen innerhalb von drei Jahren. Für die private Krankenversicherung gilt wiederum die individuelle vertragliche Vereinbarung.

Wann liegt eine Berufsunfähigkeit vor?

Um Leistungen aufgrund einer Berufsunfähigkeit zu beziehen, muss der Arbeitnehmer zunächst eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben und sodann die Voraussetzungen dieser erfüllen. Die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit richten sich nach dem individuellen Versicherungsvertrag. Meist liegt eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherungsnehmer seine zuletzt in gesunden Tagen konkret ausgeübte Tätigkeit zu mindestens 50% nicht mehr ausüben kann.

Eine Arbeitsunfähigkeit ist aber nicht mit einer Berufsunfähigkeit gleichzusetzen. Das bedeutet, dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht automatisch zu einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit führt.

Tritt die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ein, hat der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente. Dabei schützt die Berufsunfähigkeit die Gefahr, einen bestimmten Beruf voraussichtlich dauerhaft nicht mehr ausüben zu können. Die Vereinbarung von abstrakten oder konkreten Verweisungsmöglichkeiten ist jedoch möglich. Auch die Länge der Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente bei bestehender Berufsunfähigkeit richtet sich nach dem individuellen Vertrag.

Neben einer eigenständigen Krankentagegeldversicherung kann auch die Berufsunfähigkeitsversicherung eine Arbeitsunfähigkeitsklausel enthalten.

Zusammenspiel von BU und Arbeitsunfähigkeit?

Kann der Versicherungsnehmer nun bei Unterhaltung mehrerer Versicherungen auch mehrfache Leistungen beziehen? Zunächst gilt für gesetzlich Krankenversicherte, dass ein gleichzeitiger Bezug von Krankengeld und Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit AU-Klausel möglich sein kann. Selbes gilt für eine privat abgeschlossene Krankentagegeldversicherung in Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung.

Anderes gilt im Zusammenspiel einer Krankentagegeldversicherung und einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Meist ist dann für den Eintritt einer Berufsunfähigkeit ein Ausschluss eines Anspruchs auf Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung vereinbart. Selbes gilt für das Zusammenspiel der AU-Klausel und der Berufsunfähigkeit in einem gemeinsamen Versicherungsvertrag. Es gilt aber, dass immer auf die individuellen vertraglichen Vereinbarungen geachtet werden muss. Beispiele über rechtliche Fallstricke bei der Rückforderung Krankentagegeld können Sie hier nachlesen.

Praxistipp

Ist es Versicherten nicht mehr möglich, ihrem gewohnten Beruf nachzugehen, geht es nicht nur um gesundheitliche, sondern auch um finanzielle Sorgen. Gerade dann ist ein umfassender Versicherungsschutz von großer Bedeutung. So sollten gesetzlich Krankenversicherte besonders über den Abschluss einer privaten Krankentagegeldversicherung oder einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit AU-Klausel nachdenken. So können Höhe und Dauer der Leistung individuell bestimmt werden, um möglichen finanziellen Engpässen entgegenzuwirken. Doch auch Privatkrankenversicherte sollten besonders auf die Bedingungen des Versicherungsvertrages achten.

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uniVersa reagiert auf steigenden Höchstrechnungszins

Zum Jahreswechsel wird der Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung auf 1,0% angehoben. Die uniVersa gibt für Produkte in der Privatvorsorge eine Umstellungsgarantie bzw. ein Umtauschrecht für Abschlüsse ab dem 16. September.

Der gesetzlich festgelegte Höchstrechnungszins steigt zum 01.01.2025 von den aktuellen 0,25% auf 1,0%. Darauf hat nun auch die uniVersa reagiert. Für die private Altersvorsorge mit Fondsprodukten ohne Garantien hat die uniVersa eine Umstellungsgarantie für Abschlüsse ab dem 16. September eingeführt. Damit erhalten Versicherte „automatisch und kostenfrei“ die verbesserten Konditionen beim garantierten Rentenfaktor. Dieser wird, je nach Vertragskonstellation, zwischen 6% und 15% höher sein, so die uniVersa.

Kunden, die ab sofort eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abschließen, erhalten ein Umtauschrecht. Damit können Versicherte bis zum 31.03.2025 in den dann angebotenen neuen BU-Tarif mit dem höheren Rechnungszins wechseln. Eine erneute Gesundheitsprüfung ist nicht notwendig. (js)

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Hannoversche lanciert Neuerungen in der BU

Die Hannoversche hat Anpassungen bei ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung gemacht. Die Neuerungen beinhalten unter anderem die Einführung eines „Krisen-Airbags“ im Falle eines Todes im nahen Umfeld, eine neue Beitragsdynamik sowie die Flexibilisierung der Versicherungsdauer.

Die Hannoversche Lebensversicherung hat Änderungen bei ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) an den Start gebracht. Die Neuerungen erfolgten auch auf Wunsch von Vermittlern und Endkunden, so der Versicherer.

Neu eingeführt wird beispielsweise ein sogenannter „Krisen-Airbag“, der künftig im Tarif Premium-Exklusiv integriert ist. Er leistet im Fall eines Todes im nahen Umfeld. Versicherte erhalten dann bis zu 2.000 Euro für professionelle Hilfe, um die Trauer zu bewältigen, etwa für die Finanzierung einer stationären oder ambulanten privaten Therapie, einer private Sozialberatung oder für ein digitales Angebot zur Begleitung des Trauerprozesses.

Anpassungen bei der Beitragsdynamik

Änderungen gibt es auch bei der Beitragsdynamik. Die Hannoversche hat die Obergrenze für Erhöhungen während der Vertragslaufzeit deutlich erhöht. Künftig beträgt die Maximalsummer der versicherten Jahresrente 120.000 Euro. Die Neuerung soll auch für hohe versicherte BU-Renten Schutz vor Inflation bieten, so das Unternehmen. Zudem können dynamische Anpassungen ab sofort bis zum Alter von 60 statt wie vorher 55 Jahren erfolgen, jedoch nicht in den letzten fünf Versicherungsjahren. Eine weitere Anpassung: Die Dynamik kann nun jederzeit ausgesetzt werden. Bisher war das nur fünf Mal in Folge möglich.

Künftig „gebrochene Versicherungsjahre“ versicherbar

Zudem schließt die Hannoversche eine Lücke, um Versicherungsschutz bis genau zum Rentenbeginn zu bieten. Statt nur ganze Jahre zu versichern, führt der Versicherer nun sogenannte „gebrochene Versicherungsjahre“ ein. Das bedeutet Versicherte können sich beim Vertragsende an ihrem Geburtstag und dem Endalter orientieren, unabhängig davon, wann der BU-Anschluss erfolgt ist. So entsteht beim Übergang in die Altersrente keine Lücke oder Doppelrente mehr, so die Hannoversche. (js)

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