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Alte Leipziger: BU-Abschluss bei psychischen Vorerkrankungen

Die Alte Leipziger macht es einfacher für Menschen mit psychischen Vorerkrankungen, eine BU abzuschließen. Seit Anfang September arbeitet der Versicherer mit einer Ausschlussklausel für bestimmte psychische Vorerkrankungen, andere Auslöser bleiben davon unberührt.

Menschen mit psychischen Vorerkrankungen haben es oftmals schwer, eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abzuschließen. Die Alte Leipziger Lebensversicherung hat nun Anfang September eine Änderung eingeführt, die es bei bestimmten psychischen Vorerkrankungen ermöglicht, eine BU abzuschließen, ohne dass der Vertragsabschluss wie bisher zeitlich zurückgestellt werden muss. Möglich macht dies eine Ausschlussklausel für psychische Vorerkrankungen. Alle anderen Leistungsauslöser, wie etwa Krebs oder Gelenkerkrankungen bleiben von der Ausschlussklausel unberührt.

Die Ausschlussklausel kann in mehreren Fällen vereinbart werden. Als Beispiele nennt die Alte Leipziger erste Sitzungen bei einem Psychotherapeuten, ohne dass eine Therapie angeordnet wird, eine Arbeitsunfähigkeit oder eine Therapie als Reaktion auf einen Trauerfall, oder eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Prüfungsstress, Prüfungsangst, Arbeitsplatzkonflikt bzw. -wechsel oder Mobbing.

Nach zwölf bis 36 Monaten nach Abschluss ist eine Prüfung möglich, um zu entscheiden, ob die Ausschlussklausel wieder entfallen kann. Die Neuerung soll es mehr Menschen ermöglichen, ihre Arbeitskraft abzusichern, so die Alte Leipziger. (js)

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BU: Spontane Anzeigeobliegenheit bei Multipler Sklerose?

Beim Antrag auf Abschluss einer BU müssen sich Antragsteller unter anderem auch zu ihrem Gesundheitszustand erklären. Aber müssen auch Angaben gemacht werden, nach denen gar nicht gefragt wird, etwa bei Multipler Sklerose? Diese Frage erläutert Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke in seiner regelmäßigen BU-Kolumne.

Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Im Versicherungsantrag müssen Antragsteller zunächst nur Fragen wahrheitsgemäß und vollständig beantworten, die vom Versicherer gestellt werden. Dieses ergibt sich aus § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), wonach der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen hat.

Grundsätzlich wird unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben anerkannt, dass ein Versicherungsnehmer Erklärungen, die die Leistungspflicht des Versicherers betreffen, in der Regel nicht unaufgefordert abgeben muss. Der Versicherte kann vielmehr abwarten, bis der Versicherer diese Informationen erfragt. In bestimmten Ausnahmefällen kann den Versicherungsnehmer aber auch bei fehlender Fragestellung durch den Versicherer eine sogenannte spontane Anzeigeobliegenheit (Muss der Versicherte auch ungefragte Angaben im BU-Antrag machen?) treffen.

Spontane Anzeigeobliegenheit bei Multipler-Sklerose?

Besteht also eine solche Ausnahme vom Grundsatz des § 19 VVG in Form einer spontanen Anzeigeobliegenheit bei einer MS-Erkrankung?

Zu dieser Frage hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) zu entscheiden (OLG Karlsruhe, Urteil v. 20.4.2018 – Az. 12 U 156/16), denn ein Versicherungsnehmer hatte in Kenntnis seiner MS-Erkrankung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen und machte später Leistungen aus dieser geltend. Der Versicherer lehnte die Leistungen wegen arglistiger Täuschung ab und erklärte die Anfechtung. Das OLG verneinte jedoch eine arglistige Täuschung in Bezug auf die MS-Erkrankung, da diesbezüglich eine spontane Anzeigeobliegenheit bei verkürzten Gesundheitsfragen (wie nachstehend) nicht besteht:

„Ich erkläre, dass bei mir bis zum heutigen Tage weder ein Tumorleiden (Krebs), eine HIV-Infektion (positiver AIDS-Test), noch eine psychische Erkrankung oder ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) diagnostiziert oder behandelt wurden. Ich bin nicht pflegebedürftig. Ich bin fähig, in vollem Umfange meiner Berufstätigkeit nachzugehen.“

Nach einer MS-Erkrankung aber wurde gerade nicht gefragt. Der „Fragenkatalog“ des Versicherers sei für den Antragsteller mithin als abschließend anzusehen. Der Antragsteller brauche darüber hinausgehende Angaben nicht zu machen.

Ein Anspruch auf Leistung schied in diesem vorliegenden Rechtsstreit dennoch aus, da der Versicherungsnehmer den Versicherer nach Ansicht des Gerichts arglistig darüber getäuscht hatte, seinem Beruf als Orthopädietechniker „in vollem Umfang“ nachgehen zu können. Denn tatsächlich war der Versicherte zum Zeitpunkt des Versicherungsantrags nachweislich nicht in der Lage seiner Berufstätigkeit in vollem Umfange nachzugehen.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Ob eine spontane Anzeigeobliegenheit besteht, muss immer anhand des konkreten Einzelfalls entschieden werden. Besonders in Bezug auf die jeweiligen Gesundheitsfragen des Versicherungsantrags muss geprüft werden, wie diese inhaltlich formuliert sind. Bei allgemein formulierten Fragen des Versicherers sollte zwingend geprüft werden, ob die vorliegend Erkrankung möglicherweise miterfasst wird. Grundsätzlich kann jedoch davon ausgegangen werden, dass bei fehlenden Fragen des Versicherers auch keine Anzeigeobliegenheit besteht.

Praxistipp

Bestehen Zweifel oder liegen außergewöhnliche Umstände vor, so ist zwingend zu einer anonymen Risikovoranfrage (BU-Risikovoranfrage: Wo schaut der Versicherer ganz genau hin?) bei verschiedenen Berufsunfähigkeitsversicherern zu raten, um zu überprüfen, wie Versicherer in Bezug auf die vorliegend Erkrankung votieren. So dann kann bestenfalls im Vorfeld eine Versicherbarkeit des Antragstellers geprüft werden, bevor es in einem etwaigen Leistungsprüfungsverfahren zu rechtlichen Problemen kommen kann.

Weiterführende Gerichtsentscheidungen zu diesen Themen sind nachfolgend zu finden: Urteile zur spontanen Anzeigeobliegenheit.

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BU-Nachprüfung: Elternzeit und Arbeitslosigkeit Berufsausstieg?

Kann man berufsunfähig werden, wenn man arbeitslos ist oder Kinder betreut? Andere Frage: Darf man wieder arbeiten gehen, ohne die Einstellung der BU-Rentenzahlungen befürchten zu müssen? Und was gilt als Berufsausstieg? Mit diesen Fragen hat sich ein Gericht beschäftigt. Eine Rechtsexpertin ordnet das Urteil ein.

Ein Artikel von Kathrin Pagel, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Versicherungsrecht und Partnerin in der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte PartG

Der Versicherungsnehmer erhielt in einem vor dem Kammergericht Berlin (KG) verhandelten Fall (Urteil vom 08.08.2023 – Az. 6 U 32/22) zunächst aufgrund Berufsunfähigkeit Leistungen von seinem Berufsunfähigkeitsversicherer. Eine vom Versicherungsnehmer neu begonnene Tätigkeit in Teilzeit nahm der Versicherer zum Anlass, weitere BU-Leistungen einzustellen. Damit erklärte sich der Versicherungsnehmer nicht einverstanden und beschritt letztlich den Klageweg.

Wie allgemein bekannt, kann in der Berufsunfähigkeitsversicherung der Versicherer im bedingungs­gemäßen Nachprüfungsverfahren über die Berufsunfähigkeit den Versicherungsnehmer auf eine neu ausgeübte Tätigkeit konkret verweisen. Dazu muss es sich bei der neu ausgeübten Tätigkeit aber um eine „Vergleichstätigkeit“ handeln. War das im vorliegenden Rechtsstreit der Fall?

BU-Versicherter macht Umschulung

Berufsunfähigkeit lag nach dem Vertrag des BU-Versicherers vor, „wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist bzw. sechs Monate ununterbrochen außerstande war, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben. Maßgeblich ist der zuletzt ausgeübte Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war.“

Der Kläger war zuvor in gesunden Tagen als Vertriebsmitarbeiter in Vollzeit mit 40 Wochenstunden tätig. Diesen Beruf konnte er wegen des hochgradigen zervikalen Querschnittsyndroms, das alle vier Extremitäten betrifft und sich in Lähmungserscheinungen und einer Spastik zeigt, nicht mehr ausüben. Berufsunfähigkeit war somit eingetreten.

Später hatte der Kläger erfolgreich zum Steuerfachgehilfen umgeschult und eine Teilzeittätigkeit mit 15 Stunden pro Woche bei einem Steuerberater aufgenommen. Der Versicherer hielt diese Tätigkeit für mit der ursprünglichen Tätigkeit vergleichbar und stellte die BU-Leistungen ein. Zur Begründung führte er aus, das bisherige Arbeitseinkommen entspreche unter Berücksichtigung des verminderten Einkommens während der Elternzeit und Zeiten der Arbeits­losigkeit dem vorherigen. Eine durchschnittliche Minderung des Erwerbseinkommens sei zudem zu berücksichtigen, weil eine „wechselnde Erwerbsbiografie“ vorläge, die durch längere Arbeitslosigkeitszeiten und Elternzeit geprägt sei.

Versicherer beruft sich auf vergleichbare Tätigkeit

Nach den gängigen Bedingungswerken der Rechtsprechung ist eine konkrete Verweisung bei Wahrung der bisherigen Lebensstellung grundsätzlich möglich. Nach den vertrag­lichen Regelungen, vorliegend § 9 Abs. 1 der allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ), war der Versicherer berechtigt, im Leistungsfall das Fortbestehen der Berufs­unfähigkeit nachzuprüfen. Dabei darf auch geprüft werden, ob die versicherte Person eine andere vergleichbare Tätigkeit ausübt, wobei neu erworbene berufliche Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Ist die Berufsunfähigkeit auf unter 50% gesunken, wäre der Versicherer berechtigt, die Leistungen einzustellen, § 9 Abs. 4 BB-BUZ. Eine zwischenzeitlich erfolgte Verbesserung des Gesundheitszustandes war aufgrund der Schwere der Beeinträchtigungen nicht festzustellen. Der Versicherer hatte sich demnach nur noch darauf berufen, dass der Ver­sicherungsnehmer zwischenzeitlich eine vergleichbare Tätigkeit ausüben würde.

Was gilt als Ausstieg aus dem Berufsleben?

Der zuvor ausgeübte Beruf war der eines Vertriebsmitarbeiters. Eine Unterbrechung der zuletzt in gesunden Tagen konkret ausgeübten Tätigkeit erfolgte durch Arbeitslosigkeit oder Elternzeit. Diese Umstände sind aber nicht als Ausstieg aus dem Berufsleben zu werten. Eine solche Phase im Berufsleben ist nicht auf Dauer geplant, auch wenn eine solche Phase länger andauern kann. Der Versicherer argumentierte mit einer „wechselnden Erwerbsbiografie“ und meinte, infolge dessen sei ein niedrigeres „Durchschnittseinkommen“ im ursprünglichen Beruf zu bestimmen. Von einem solcherart geänderten Einkommen auszugehen, würde jedoch den Versicherungsschutz zu stark aushöhlen, sodass der Vertragszweck der Berufsunfähigkeitsver­sicherung damit aufgehoben werde, erläutert das Gericht.

Denn die Funktion der Berufsunfähigkeitsversicherung besteht darin, die bisherigen Lebensumstände sicherzustellen und einen individuellen und sozialen Abstieg des Versicherten im Berufsleben und in der Gesellschaft zu verhindern (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26.06.2019, Az. IV ZR 19/18). Eine Änderung des Berufs käme bei einem freiwilligen Berufswechsel, mithin zum Beispiel einer – nicht krankheitsbedingt erfolgten – Eigenkündigung, in Betracht. Mit einer Eigenkündigung sei der Einfluss der ursprünglichen Berufs­tätigkeit auf die Lebensstellung des Klägers zugleich erloschen (siehe Saarländisches Oberlandes­gericht Saarbrücken (OLG), Urteil vom 08.01.2003, Az. 5 U 910/01 – 77 –, Rn. 23, juris).

Vergleich der neuen Tätigkeit mit vorheriger Tätigkeit möglich?

Die neu aufgenommene Teilzeitarbeit war an der ursprünglich ausgeübten Tätigkeit zu messen. Das OLG postuliert zudem, eine Teilzeittätigkeit sei in der sozialen Wertschätzung mit einer Vollzeittätigkeit in der Regel nicht gleichwertig. Dies ist unabhängig vom damit erzielten Einkommen festzustellen. Der Einkommensvergleich ergab, dass die Teilzeittätigkeit mehr als 20% unter dem vorherigen Bruttojahresverdienst lag. Selbst bei Berücksichtigung des Einkommens fehle es noch immer an einer Vergleichbarkeit.

Es kommt aber nicht allein auf das Einkommen an. Ein Verweisungsberuf darf unabhängig davon nicht „unterwertig“ in Bezug auf seine früheren Qualifikationen und seinen beruflichen oder sozialen Status sein (siehe BGH, Urteil vom 20.12.2017, Az. IV ZR 11/16 – Hufbeschlagschmied-Entscheidung).

Der Versicherer kann demnach nicht durch Verrechnung des Bruttojahresverdienstes mit Arbeitslosigkeit bis zum Eintritt der Berufsunfähigkeit ein entsprechend geringeres „Durchschnittseinkommen“ generieren. Das leidensbedingte Niveau der aufgenommenen Tätigkeit würde durch die Beendigung des Versicherungsfalls anderenfalls zum neuen „Normalzustand“ werden, obwohl sich an den gesundheitlichen Umständen des Versicherungsnehmers nichts geändert hat. Im Ergebnis würde dies zu einem sozialen Abstieg des Versicherungsnehmers führen. Nichts anderes gilt, wenn der Versicherungsnehmer, wie hier, eine andere leidensgerechte Teilzeittätigkeit aufnimmt, so das KG.

Schlussfolgerung

Wird bei der Nachprüfung auf eine neue berufliche Tätigkeit abgestellt, ist jeder Fall anders und muss genau geprüft werden. Die anwaltliche Praxis zeigt: Fehlerhafte Nachprüfungsentscheidungen führen in der Regel zu Nachzahlungsverpflichtungen des Berufsunfähigkeitsversicherers.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Gina Sanders – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Kathrin Pagel

Psychische Erkrankungen machen Großteil der BU-Fälle aus

Psychische Erkrankungen als Ursache für Berufsunfähigkeit sind weiter auf dem Vormarsch. Versicherer melden, dass bis zu jeder zweite neu eintretende BU-Fall psychischen Ursprungs ist. Trotz des relativ hohen Risikos einer Berufsunfähigkeit ist nur etwa die Hälfte der abhängig Beschäftigten abgesichert.

Der Anteil der Versicherten, die aufgrund einer psychischen Erkrankung berufsunfähig werden, klettert weiter in die Höhe. Bei der Debeka erreichte er im Jahr 2023 sogar einen neuen Höchstwert. Laut einer Auswertung des Versichertenbestands von mehr als 400.000 BU-Versicherten ging bei dem Versicherer fast jeder zweite (49,7%) neu eingetretene BU-Fall auf psychische Erkrankungen zurück. Im Vergleich zum Vorjahr sei das ein Anstieg um 2,2 Prozentpunkte, berichtet das Unternehmen.

Die Prävalenz der Fälle sei vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass mehr Menschen sich Hilfe suchen würden, kommentiert der Vorstandsvorsitzende der Debeka, Thomas Bram. Trotzdem müsse die Gesellschaft noch mehr für den Umgang mit psychischen Erkrankungen sensibilisiert werden. „Oft unterliegen psychische Erkrankungen immer noch einer Stigmatisierung“, sagt Bram.

Long Covid 2023 häufiger als Ursache für BU gemeldet

Die zweithäufigste Ursache einer Berufsunfähigkeit bei der Debeka ging auf Neubildungen – also bös- und gutartige Tumore – zurück. 13,1% der neu eingetretenen BU-Fälle waren im vergangenen Jahr darauf zurückzuführen. Erkrankungen des Bewegungsapparats waren für 11,4% der Fälle verantwortlich.

Auch Long Covid spielt bei der Berufsunfähigkeit eine Rolle. Im Jahr 2023 verzeichnete die Debeka 65 Fälle einer Berufsunfähigkeit als Folge einer Covid-19-Erkrankung – Tendenz steigend: Im Vergleich zum Vorjahr kletterte diese Anzahl um mehr als das Doppelte.

Hannoversche-Studie kommt zum gleichen Ergebnis

Eine Studie der forsa im Auftrag der Hannoverschen Lebensversicherung AG bestätigt diese Zahlen. Auch laut Daten der Hannoverschen sind psychische Erkrankungen „Spitzenreiter“ unter den Ursachen für eine Berufsunfähigkeit, auch wenn die Zahlen mit etwa einem Drittel (33,6%) für Frauen und 26,1% bei Männern etwas niedriger liegen. Bei Frauen folgt Krebs auf dem 2. Platz, bei Männern Erkrankungen des Bewegungsapparats.

Etwa Hälfte der abhängig Beschäftigten BU-versichert

Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) wird statistisch gesehen jeder Vierte im Laufe seines Berufslebens mindestens einmal berufsunfähig. Trotzdem hat nur etwa jeder zweite abhängig Beschäftigte (49%) eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abgeschlossen, wie die forsa-Umfrage ergibt. Männer sind demnach häufiger abgesichert als Frauen und Jüngere eher als Ältere.

Vermeintlich hohe Kosten lassen viele beim Abschluss zögern

Fast zwei Drittel der Befragten (62%) geben an, eigene Ersparnisse oder privates Vermögen zur Verfügung zu haben, um die finanziellen Auswirkungen einer Berufsunfähigkeit abzufedern, 44% geben an, über andere private Versicherungen abgesichert zu sein, vier von zehn könnten auf Unterhalt oder Gehalt des Partners oder der Partnerin zurückgreifen.

Der Hauptgrund für einen Nichtabschluss ist laut der Umfrage die vermeintlich hohen Kosten einer BU, berichtet die Hannoversche. Jeder Fünfte sieht kein persönliches Risiko, längere Zeit den eigenen Beruf nicht ausüben zu können, 22% sind sich unsicher, welche Leistungen im BU-Fall zur Verfügung stehen und zögern deshalb mit dem Abschluss. (js)

Bild: © Jacob Lund – stock.adobe.com

 

Nur kleine Bewegungen bei BU-Marktstandards

Die Produktentwicklung in der Berufsunfähigkeitsversicherung hat sich kaum verändert. Das ergibt die aktuelle Analyse „Marktstandards in der BU“ des Analysehauses infinma. Die Qualität bleibt in der Breite hoch. Mit Spannung werden dagegen die weiteren Schritte beim Verzicht auf konkrete Verweisungen erwartet.

Bereits seit dem Jahr 2011 veröffentlicht das Institut für Finanz-Markt-Analyse GmbH in Köln, kurz infinma, regelmäßig die sogenannten Marktstandards in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) und gibt damit sowohl Maklern als auch den Produktanbietern wichtige Informationen über die am Markt üblichen und verbreiteten Regelungen in den BU-Bedingungen. Dabei werten die infinma-Analysten insgesamt 18 Kriterien darüber aus, welche konkreten Ausprägungen es in den Bedingungen dazu tatsächlich gibt. Und das Fazit der diesjährigen Auswertung der BU-Bedingungswerke am Markt fällt durchaus ernüchternd aus. Denn laut infinma haben sich in der aktuellen Ausgabe der BU-Marktstandards keine größeren Veränderungen manifestiert.

Qualität der Bedingungen ist in der Breite hoch

Das bedeutet laut infinma zunächst, dass die Qualität der Bedingungen in der Breite hoch sind. Wie üblich vergibt infinma kostenlose Zertifikate für die Produkte, die in allen 18 Kriterien gleichzeitig den Marktstandard mindestens erreichen oder diesen übertreffen. Konkret konnten von den 72 in der aktuellen Studie untersuchten Gesellschaften 43 (+1 im Vergleich zu 2023) zertifiziert werden, von den 415 untersuchten Tarifen erhielten 251 ein infinma-Zertifikat. Damit haben knapp 60% (+5% ggü. 2023) aller auf dem deutschen Markt verfügbaren verkaufsoffenen BU-Tarife ein Zertifikat erhalten.

Zugleich gibt dieses Ergebnis aber auch zum Ausdruck, dass die Unterschiede in den Produkten vor allem in den Detailregelungen zu einzelnen Kriterien zu finden sind. Dabei gehe es beispielsweise darum, wie lange Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit erbracht werden oder für welche Personengruppen auf die Umorganisation des Arbeitsplatzes verzichtet wird.

Nur 1% der analysierten Tarife verzichtet auf Umorganisation bei allen Berufen

So etwa ist beim Marktstandard „Verzicht auf Umorganisation bei Akademikern“ die Bedingungssituation vergleichsweise uneinheitlich. So verzichtet zwar knapp die Hälfte der insgesamt 415 analysierten Tarife auf eine Umorganisation bei selbstständigen Akademikern, wenn die Bürotätigkeit mindestens 90% beträgt, was damit als Marktstandard gilt. Gleichzeitig aber geben rund 24% der Tarife an, dass auf eine Umorganisation bei bei selbstständigen Akademikern nicht verzichtet wird. Weitere 20% der Tarife verzichten auf eine Umorganisation bei selbstständigen Akademikern mit mindestens 90% Bürotätigkeit und schließen dabei noch weitere bestimmte Berufen mit ein. Nur 1% der Tarife hingegen verzichtet auf eine Umorganisation bei allen Berufsbildern.

Veränderungen finden lediglich im Detail statt

In einigen Details sind lauf infinma-Experten für die nächste Zeit dann aber doch ein paar Änderungen abzusehen. „So zeichnet sich jetzt schon ab, dass demnächst bei der Mehrheit der Produkte im Falle der Beitragsstundung während der Leistungsprüfung bei einer evtl. Rückzahlung der ausstehenden Prämien explizit auf Stundungszinsen verzichtet wird“, prognostiziert Dr. Jörg Schulz, Co-Geschäftsführer bei infinma. Und auch beim Verzicht auf Meldefristen und der Regelung zu befristeten Anerkenntnissen gehen die infinma-Analysten davon aus, dass sich der Marktstandard nächstes Jahr ändern werde. Die Versicherer hätten demnach genügend Zeit, rechtzeitig auf diese Trends zu reagieren, beschreibt der Bericht die Lage der Dinge.

Regelungsverzicht sollte im Tarif explizit benannt werden

Insgesamt gehen die Veränderungen in die richtige Richtung, resümieren die Analysten. Denn im Falle der Beitragsstundung und dem Verzicht auf Meldefristen zeige sich, dass die langjährigen Empfehlungen von infinma offensichtlich langsam fruchten würden, erklärt Marc Glissmann, Co-Geschäftsführer bei infinma. „Im Sinne von Rechtssicherheit und Transparenz haben wir es immer begrüßt, wenn Versicherer auch einen Verzicht auf eine bestimmte Regelung explizit in den Bedingungen nennen. Das ist für die Kunden sehr viel verständlicher als der implizite Verzicht durch Weglassen einer gegenteiligen Regelung“, führt Glissmann weiter aus.

Im Fokus: Verzicht auf konkrete Verweisungen

Mit Spannung verfolgt infinma unterdessen die Marktentwicklung im Bereich des Verzichts auf die konkrete Verweisung in der Erst- und Nachprüfung. „Denn gibt es schon jetzt mehrere Anbieter, die sich für einzelne Berufsgruppen oder auch für alle Berufe zu dieser Regelung entschieden haben“, gab Schulz einen Ausblick auf die Zukunft.

Anfang des Jahres war der Versicherer HDI mit der Neuerung vorgeprescht, bei neu abgeschlossenen BU-Verträgen auf die konkrete Verweisung im Bedingungswerk zu verzichten – eine Produktentwicklung, die sich auch auf die BU-Beratung im Maklerhaus auswirken könnte. Aber auch eine Neuerung, die unter Marktbeobachtern durchaus skeptisch gesehen wird, da etwa für das Versichertenkollektiv durchaus auch negative Folgen abzusehen sind.

Über die BU-Marktstandards

Bereits seit 2011 veröffentlicht infinma regelmäßig die sogenannten Marktstandards in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Damit will das Institut sowohl Vermittlern als auch Versicherern wichtige Informationen über die am Markt üblichen und verbreiteten Regelungen in den BU-Bedingungen geben.

Im Rahmen der BU-Marktstandards analysiert infinma die Qualitätsmerkmale in den Versicherungsbedingungen der gegenwärtig im Markt befindlichen BU-Tarife. Dabei werten die infinma-Analysten insgesamt 18 Kriterien darüber aus, welche konkreten Ausprägungen es in den Bedingungen dazu tatsächlich gibt. Das Vorkommen dieser Ausprägungen wird dann gezählt, und diejenige Ausprägung, die am häufigsten vorkommt, definiert den Marktstandard im Sinne einer „marktüblichen Durchschnittsregelung“. Ausdrücklich nicht Gegenstand der infinma BU-Marktstandards ist die Entwicklung eigener Mindestanforderungen oder aus Kunden- oder Beratersicht wünschenswerter Produkteigenschaften. (as)

Die aktuellen Marktstandards können demnächst auf der infinma-Website abgerufen werden.

Bild: © lichtmensch – stock.adobe.com

 

Canada Life passt Arbeitskraftabsicherungstarife an

Der Lebensversicherer Canada Life hat beim Tarif Premium Grundfähigkeitsschutz sowie in der Berufsunfähigkeitsversicherung Anpassungen vorgenommen. Dazu wurden z. B. weitere Grundfähigkeiten ergänzt. Zudem gibt es u. a. verkürzte Abfragezeiträume bei den Gesundheitsfragen der BU.

Das Smartphone zu nutzen oder eine Tastatur zu bedienen, ist im beruflichen und privaten Alltag zu einer essenziellen Tätigkeit geworden. Der Lebensversicherer Canada Life hat sich daher nun entschieden, die Smartphone- und Tastaturnutzung als eine von 27 Grundfähigkeiten in seinen Premium Grundfähigkeitsschutz aufzunehmen.

Smartphone, ÖPV, Fahrrad etc.

Neben der Smartphone- und Tastaturnutzung werden die Fähigkeiten, den Öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) zu nutzen und das Fahrradfahren ebenfalls neu aufgenommen. Zudem gehören nun auch infektionsbedingte Ausfallzeiten und Beeinträchtigungen der vier Organe Herz, Lunge, Leber und Niere mit dazu. Die Zusatzoption Arbeitsunfähigkeit wird neuerdings auch genehmigt, wenn ein Risikozuschlag von 50% vorliegt, teilt der Versicherer mit.

Man berücksichtige mit den Verbesserungen im Premium Grundfähigkeitsschutz technologischen Fortschritt und sich verändernde Anforderungen im Leben der Kunden, so Dr. Igor Radović, Mitglied des Vorstands bei Canada Life.

Neuerungen auch bei BU

Auch die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) hat Canada Life angepasst. Angeboten werden nun verkürzte Abfragezeiträume bei den Gesundheitsfragen sowie der Verzicht auf eine Altersbegrenzung. So werden bei stationären Aufenthalten und Behandlungen der Kundinnen und Kunden von nun an nur noch die vergangenen fünf Jahre abgefragt statt bisher zehn. Bei ambulanten Behandlungen müssen nur noch die vergangenen drei statt fünf Jahre angegeben werden. Gleiches gilt für Aufenthalte und Behandlungen einer psychischen Erkrankung. Auch neu im BU-Schutz ist eine Verlängerungsoption bei Verschiebung des Renteneintrittsalters. Die Widerspruchsfrist für die Dynamik wurde zudem verlängert und liegt inzwischen bei zwei Monaten.

In Leistungsfällen übernimmt der Versicherer die Kosten einer erfolgreichen Rehabilitationsmaßnahme bis zu einer Höhe der sechsfachen monatlichen Berufsunfähigkeitsrente. Bei Pflegebedürftigkeit zahlt Canada Life bereits bei Verlust einer von vier ADL-(activities-of-daily-living)-Funktionen. Wie auch beim Premium Grundfähigkeitsschutz kann die BU auch bei Ausfallzeiten durch Infektionen in Anspruch genommen werden. (lg)

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Berufsfähigkeit wiederherstellen: Behandlung verpflichtend?

In älteren BU-Verträgen kann vereinbart sein, dass Anordnungen der behandelnden Ärzte, die zur Minderung der Berufsunfähigkeit beitragen sollen, zu befolgen sind. Es kann sich jedoch auch eine Behandlungsobliegenheit des Versicherten ergeben. Wie weit eine solche reicht, erläutert Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke.

Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Liegt der Abschluss des BU-Vertrages vor dem Jahr 2006, können Klauseln vereinbart worden sein, die bestimmte Behandlungsobliegenheiten beinhalten. Der Versicherungsnehmer hat jedoch nur solchen Behandlungen zur Verbesserung des Gesundheitszustands zu folgen, die ihm der behandelnde Arzt auferlegt. Weisungen des Versicherers sind jedenfalls unbeachtlich. Ist in dem Vertrag jedoch Gegenteiliges vereinbart, kann darin ein Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Versicherungsnehmers liegen. Zudem kann ein weiterer Verstoß darin gesehen werden, wenn die Klausel den Versicherungsnehmer verpflichtet, den Behandlungsanordnungen eines vom Versicherer beauftragten Arztes nachzukommen.

Was fällt unter den Begriff der ärztlichen Anordnung?

Es können nur solche Behandlungsanordnungen auferlegt werden, die sich im Rahmen des „Zumutbaren“ bewegen. Ob eine ärztliche Anordnung vorliegt, ist nach der Personenbezogenheit zu beurteilen. Bei der Anordnung darf es sich nicht um einen allgemeinen medizinischen Ratschlag handeln. Vielmehr muss sich die Weisung des Arztes konkret auf die Verbesserung des Gesundheitszustands beziehen, um die Beeinträchtigung bestenfalls zu verbessern. Es muss also ein konkreter ärztlicher Ratschlag vorliegen und keine „bloße Empfehlung“.

Wie weit geht das Mitbestimmungsrecht des Versicherers?

Der Versicherer kann keine eigenen Behandlungen beauftragen oder dem Versicherungsnehmer auferlegen, sich von einem durch ihn beauftragten Arzt behandeln zu lassen. Wurde trotz des Verbots einer solchen Formulierung eine entsprechende Klausel vereinbart, so sollte diese rechtlich überprüft werden. Besonderheiten ergeben sich bei Beamten, da diese eine Gesunderhaltungspflicht gegenüber ihren Dienstherren trifft. Es kann dann im Zweifel auf die Verwendung einer bestimmten Beamtenklausel ankommen.

Behandlungsobliegenheit aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben

Grundsätzlich gilt, dass der Versicherungsnehmer nicht zu Maßnahmen zur Wiederherstellung der Berufsfähigkeit verpflichtet werden kann. In Ausnahmefällen kann aber in einer Verweigerung zu einer Heilmaßnahme ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegen. Dafür muss der Versicherungsnehmer ausnahmsweise durch das Unterlassen der Heilbehandlung oder andere zumutbare Kompensationsmöglichkeiten gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Hierbei könnte darauf abgestellt werden, wie sich eine Person verhalten würde, die nicht gegen eine Berufsunfähigkeit versichert ist. Die entsprechenden Heilmaßnahmen müssen selbstverständlich im Rahmen des Zumutbaren liegen.

Schadensminderungspflicht des Versicherungsnehmers?

Eine Pflicht des Versicherungsnehmers kann sich auch aus der allgemeinen Schadensminderungspflicht ergeben. Darunter können bestimmte Arbeitserleichterungsmaßnahmen verstanden werden, aber nur, wenn die Arbeit ohne Qualitätseinbuße verübt werden kann. Dafür müssen die Arbeitserleichterungsmaßnahmen auf einfache und gefahrlose Art geeignet sein, den Versicherungsfall abzuwenden oder diesen wieder zu beseitigen. Die Kosten für eine solche Schadensminderungspflicht hat jedoch der Versicherungsnehmer zu tragen.

Praxistipp

Bis zu einem gewissen Maß muss eine ärztliche Anordnung oder auch Heilmaßnahme im Sinne von Treu und Glauben befolgt werden, um die Berufsfähigkeit wiederherzustellen. Auch kann sich zur Verhinderung oder Wiederherstellung der Berufsfähigkeit eine Pflicht zur Schadensminderung ergeben. Es gilt aber, dass eine Behandlungsobliegenheit oder eine Schadensminderungspflicht immer nur in einem zumutbaren Rahmen erfolgen darf. Operationen gehören in aller Regel jedoch nicht dazu.

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BU-Versicherung: Das spricht gegen Verzicht auf konkrete Verweisung

Der Verzicht auf die konkrete Verweisung könnte negative Auswirkungen haben, meint Michael Franke, Gründer und Geschäftsführer des Analysehauses Franke und Bornberg. AssCompact hat mit dem Pionier des BU-Ratings darüber gesprochen, warum er die Neuerung skeptisch sieht und welche Folgen sie für das Versichertenkollektiv haben könnte.

Interview mit Michael Franke, Gründer und Geschäftsführer von Franke und Bornberg
Herr Franke, Sie haben ausführlich zum Thema „Verzicht auf die konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung“ recherchiert und Gespräche mit Rückversicherern und Rechtswissenschaftlern geführt. Warum ist eine qualifizierte Beratung bei der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) so wichtig?

Eine qualifizierte Beratung ist essenziell, da sie sicherstellt, dass die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Kunden im Mittelpunkt stehen. Das beginnt mit einer gründlichen Ermittlung der Kundenwünsche, um das passende Produkt zu identifizieren. Mich hat insbesondere die Frage interessiert, ob der Verzicht auf die konkrete Verweisung von Maklern dabei zu berücksichtigen ist. Und wenn ja, in welcher Weise.

Fangen wir mit grundsätzlichen Überlegungen zum Beratungsgespräch an. Der BU-Markt befindet sich schon viele Jahre in einem Leistungswettbewerb. Wie steht es um die finanzielle Realisierbarkeit einer BU für viele Kunden?

Das ist ein heikles Thema. Viele Kunden schließen BU-Verträge mit pauschalen Rentenhöhen von 500 oder 1.000 Euro ab, was in der Realität oft nicht ausreicht, um den Lebensstandard zu halten. Hier sehen wir eine Diskrepanz zwischen der idealen Absicherung und den finanziellen Möglichkeiten der Kunden. Diese Diskrepanz kann sich durch den Verzicht auf die konkrete Verweisung noch verschärfen. Wir sehen aber auch Schwächen in der Beratung, denn zu niedrige BU-Renten bringen kaum Vorteile. Es sei denn, man sieht die Entlastung der Sozialsysteme als einen Vorteil an.

Sie spielen auf die Anrechnung der BU-Rente auf beispielsweise das Bürgergeld an?

Richtig. Bei solch niedrigen Renten wird offensichtlich keine Szenariobetrachtung angestellt und die Anrechenbarkeit von BU-Renten auf die Sozialleistungen außen vorgelassen. Diese Diskrepanz führt regelmäßig zu einer mangelhaften Absicherung, die nicht nur die Kunden in eine schwierige Lage bringen, sondern für Makler auch Haftungsprobleme mit sich bringen kann.

Gibt es Alternativen zur BU, die vielleicht kostengünstiger sind?

Ja, die Grundfähigkeitsversicherung und die private Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU). Vor allem die private EU wird zu selten in Betracht gezogen. Sie ist für viele eine kostengünstigere Option, bietet aber dennoch eine wichtige Absicherung. Beispielsweise ist die Psyche vergleichbar gut abgesichert wie bei der BU. Der Schwerpunkt sollte auf einer Beratung liegen, die die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigt und den Kunden über die Konsequenzen seiner Entscheidungen informiert.

Haben Sie eine Faustformel für das Verhältnis von Absicherungsqualität und Absicherungshöhe?

Allerdings. Der neuralgische Punkt ist die Anrechenbarkeit der BU-Rente auf die Sozialleistungen. Daher macht eine Absicherung der Arbeitskraft erst ab einer bestimmten Rentenhöhe Sinn. Diese Höhe muss im Einzelfall errechnet werden, aber in jedem Fall muss sich auch nach Anrechnung auf Sozialleistungen eine spürbare Verbesserung der finanziellen Absicherung im Leistungsfall ergeben. Wenn das Budget für eine ausreichend hohe BU-Rente nicht ausreicht, dann ist beispielsweise eine private EU in angemessener Höhe der bessere Rat. Auch wenn die Leistungen erst bei einem entsprechenden Erkrankungsgrad greifen.

Der Versicherer HDI etwa launchte zu Beginn dieses Jahres eine Neuerung in seinen BU-Bedingungswerken, nämlich der Verzicht auf die konkrete Verweisung. AssCompact hatte darüber kürzlich mit HDI und einem Rechtsexperten gesprochen. Welche Implikationen hat diese Neuerung in der BU aus Ihrer Sicht?

Auf den ersten Blick stellt der Verzicht eine Leistungserweiterung dar, was aus Kundensicht zu begrüßen wäre und damit auch für Makler eine Rolle spielt. Immerhin ist es entscheidend, dass Kunden die bestmögliche Option für ihre Situation wählen können.

Welche Gründe könnten einen Versicherer dazu bewegt haben, auf diese Klausel zu verzichten?

Der Verzicht auf die konkrete Verweisung könnte darauf abzielen, den Versicherten mehr Sicherheit zu bieten und ihnen im Leistungsfall weniger Hürden aufzuerlegen. Allerdings stellt sich die Frage, ob dies tatsächlich die Motivation war und ob dieser Verzicht dem Versicherungsgedanken und Bedarf entspricht. Und nicht zu vernachlässigen ist auch die Frage, ob dadurch möglicherweise die Beiträge aller Versicherten beeinflusst werden.

Was genau meinen Sie mit „ob dieser Verzicht dem Versicherungsgedanken entspricht“?

Der grundlegende Gedanke einer Versicherung ist es, finanzielle Risiken abzusichern, die durch unvorhergesehene Ereignisse entstehen. Wenn nun Versicherte durch den Verzicht auf die konkrete Verweisung seitens des Versicherers in die Lage versetzt werden, sowohl eine BU-Rente als auch volles Erwerbseinkommen zu erzielen, könnte dies dazu führen, dass die Versicherungsleistung nicht mehr nur zur Absicherung eines Einkommensverlusts, sondern zur finanziellen Besserstellung dient. Dies könnte das Versicherungsprinzip auf den Kopf stellen und dazu führen, dass die Beiträge aller Versicherten dafür verwendet werden, um wenigen einen nicht am Bedarf orientierten Vorteil zu verschaffen.

Welche Risiken sehen Sie in Bezug auf die Stabilität der Versicherungsbeiträge?

Auch wenn Rechnungsgrundlagen fehlen, kann als gesichert angesehen werden, dass ein Verzicht auf die konkrete Verweisung nicht kostenneutral ist. Wenn Versicherer also die Beiträge nicht entsprechend anpassen, könnte dies den Druck auf die Überschüsse erhöhen und zu Anpassungen der Zahlbeiträge führen. Dies würde alle Versicherten betreffen, auch jene, die von dieser Regelung nicht profitieren. Langfristig könnte dies die finanzielle Stabilität des Versicherungsportfolios gefährden.

Wie beurteilen Sie die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Zumutbarkeit einer konkreten Verweisung?

Die Zumutbarkeit ist ein zentrales Kriterium bei der konkreten Verweisung. Gerichtsurteile haben festgelegt, dass eine konkrete Verweisung nur erfolgen kann, wenn durch Versicherte freiwillig eine andere Tätigkeit aufgenommen wird, die in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht vergleichbar mit der vorherigen Tätigkeit ist. Es gibt also in solchen Fällen keinen Bedarf mehr für eine zusätzliche Rentenzahlung und zudem kann kein Versicherer Leistungsempfänger zu der Aufnahme einer Tätigkeit zwingen. Die aktuellen Versicherungsbedingungen berücksichtigen diese Rahmenbedingungen, um eine faire Behandlung der Versicherten zu gewährleisten.

Was wäre Ihre Empfehlung an Versicherer im Umgang mit diesem Thema?

Versicherer sollten sorgfältig abwägen, ob ein Verzicht auf die konkrete Verweisung im Einklang mit dem Versicherungsgedanken steht und wie sich dies auf die Beitragsstabilität auswirkt. Da es weder einen Bedarf für eine solchen Schritt noch belastbare Rechnungsgrundlagen gibt, ist ein solcher Schritt von vornherein infrage zu stellen. Konsequenterweise müssten die Versicherer auch ihre Annahmerichtlinien anpassen, denn bestimmte Berufe oder Zielgruppen sind in diesem Szenario kaum noch versicherbar.

An welche Zielgruppen denken Sie dabei?

Einen nicht geringen Anteil im Neugeschäft vieler Versicherer machen beispielsweise Schüler, Studenten und Auszubildende aus. Man denke nur an solche Fälle, in denen Auszubildende beispielsweise aufgrund von Allergien ihre Ausbildung nicht fortsetzen können. Ebenso könnten Studenten aufgrund von Prüfungsängsten nicht in der Lage sein, ihr Studium zu beenden. Bei der heutigen Tätigkeitsdefinition von diesen Zielgruppen ist es im Extremfall denkbar, dass der Versicherer während der kompletten Leistungsdauer, zumindest aber über viele Jahre, die Renten zahlen muss, während die Versicherten einen anderen Berufsweg einschlagen und die Rente als Zubrot zum Einkommen erhalten. Bisher stellte die vergleichsweise niedrige versicherbare Rente ein Sicherheitsnetz für das Versichertenkollektiv dar. Mit dem Verzicht auf konkrete Verweisung ist dieses Netz verschwunden.

Abschließend noch die Ausgangsfrage: Sehen Sie Makler in der Pflicht, Anbieter mit Verzicht auf konkrete Verweisung zu bevorzugen?

Diese Pflicht sehe ich schon deshalb nicht, da wir hier nicht über einen Bedarf bzw. ein versichertes Interesse reden. Das Ziel der BU-Beratung ist üblicherweise, einen Einkommensverlust bei Verlust oder Beeinträchtigung der Arbeitskraft abzusichern. Mit diesem Bedarf hat der Verzicht auf konkrete Verweisung aber – wie vorhin ausgeführt – nichts zu tun. Ein Haftungsrisiko sehe ich vielmehr in den Fällen, in denen eine Rente zu niedrig abgeschlossen wird, ohne auf die Konsequenzen hinzuweisen.

Michael Franke, Gründer und Geschäftsführer von Franke und Bornberg hat zum Thema bereits spannende Gespräche mit Bettina Bredow, Head of Claims Life & Health – für Continental Europe und Israel bei der MunichRe (Podcast Episode 1), mit Fabian von Löbbecke, Vorstand HDI Lebensversicherung AG (Podcast Episode 2) und Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Rechtswissenschaftler, Humboldt-Universität zu Berlin (Podcast Episode 3) geführt.

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Berufsunfähigkeitsversicherung: Pflege von Angehörigen kein Beruf

Eine Versicherungsnehmerin scheiterte mit ihrer Berufungsklage gegen ihren BU-Versicherer. Der Versicherer konnte auf einen anderen Beruf verweisen und die Zahlung bei Nachprüfung einstellen. Geklärt wurde im Prozessverlauf auch, ob die Pflege eines Angehörigen als Beruf zu werten ist.

Im Mittelpunkt eines Streitfalls stand eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die eine Versicherungsnehmerin im Jahr 2003 gemeinsam mit einer Kapitallebensversicherung abgeschlossen hatte. Im Juli 2019 zeigte die Frau gegenüber ihrer Versicherungsgesellschaft eine eingetretene Berufsunfähigkeit an, die der Versicherer auch akzeptierte und entsprechende Leistungen übernahm.

Zuvor gestaltete sich die Lebenssituation der Versicherungsnehmerin derart, dass sie hauptsächlich mit der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege ihrer Schwiegermutter beschäftigt war. Daneben übte sie Nebentätigkeiten als Reinigungskraft in einem Kindergarten und als Kurierfahrerin für eine Bank aus.

Aufgrund Nachprüfung stellt Versicherer Leistungen ein

Bei der Nachprüfung stellte der Versicherer fest, dass die Versicherungsnehmerin wieder eine Berufstätigkeit aufgenommen hatte. Sie arbeitete in Vollzeit als Produktionsmitarbeiterin bei einer Firma und übernahm dort Scan- und Dokumentationsarbeiten. Der Versicherer stellte seine Leistungen ein und vertrat die Ansicht, dass die Tätigkeit der Qualifikation und der bisherigen Lebensstellung der Frau entspreche. Die Frau reichte deshalb Klage ein, weil sie sich weiter als berufsunfähig ansah, verlor aber vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth (LG) und schließlich auch in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Nürnberg (OLG).

Versicherer darf auf neue Tätigkeit verweisen

Die Gerichte konnten sich dabei unter anderem auf die vereinbarten Bedingungen der beiden Vertragsparteien berufen. Dort heißt es:

„Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen mindestens zu 50% außerstande ist, ihren Beruf auszuüben. Dies gilt nicht, wenn die versicherte Person eine andere, ihrer Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausübt.

Die in den Bedingungen für die …Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung enthaltenen Regelungen zur Verweisbarkeit auf eine nicht tatsächlich ausgeübte Tätigkeit finden keine Anwendung, insbesondere gelten § 2 Ziffer 2 und 4 der Bedingungen für die …-Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht.

Bei der Nachprüfung der Berufsunfähigkeit (§ 7 Ziffer 1) werden neuerworbene Fähigkeiten in einem tatsächlich ausgeübten Beruf berücksichtigt.“

Sowohl die Richter des LG als auch des OLG vertraten die Ansicht, dass der versicherte Beruf im Sinne der abweichend von § 2 Nr. 1 BB-BUZ getroffenen Vereinbarung hier die in Teilzeit ausgeübten Tätigkeiten als Reinigungskraft und Kurierfahrerin waren. Die häusliche Pflege der Schwiegermutter der Klägerin sei hingegen nicht maßgebend, auch darauf hatte sich die Klägerin berufen. Laut Gericht handelte sich dabei um eine Tätigkeit als Pflegeperson i. S. v. § 19 Satz 1 SGB XI. Dem Urteil vorausgegangen war hierzu bereits ein Hinweisbeschluss des OLG (Az. 8 U 1646/23) im Dezember 2023.

Pflege eines Angehörigen ist keine erwerbsmäßige Tätigkeit

Dort heißt es, dass die aufopfernde Pflege durch Angehörige sich – auch bei Weiterleitung von Pflegegeld als Anerkennungsleistung – regelmäßig als nicht erwerbsmäßig, also als ehrenamtlich darstelle. Dass hierfür eine gesonderte, über das Pflegegeld hinausgehende Vergütung gezahlt worden ist, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dies lässt den Schluss zu, dass die Pflege ausschließlich aus persönlichen Gründen und nicht zur Erwirtschaftung eines dauerhaften Lebensunterhaltes geleistet wurde.

Auch der Umstand, dass die Verpflichtung zur Pflege in einem bäuerlichen Hofübergabevertrag geregelt wurde, macht die Pflegetätigkeit des Angehörigen noch nicht zu einer „erwerbsmäßigen“ Pflege.

Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließe sich zudem, dass ehrenamtliche Tätigkeiten im privaten Bereich in Ermangelung einer gesonderten Vereinbarung nicht als „Beruf“ im Sinne der abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung gelten. (bh)

OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.01.2024 – Az. 8 U 1646/23

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Gothaer passt Produkte an neuen Höchstrechnungszins an

Zum Jahreswechsel steigt der Höchstrechnungszins vom aktuellen Wert von 0,25% auf 1,0%. Die Gothaer bietet Kunden, die jetzt Verträge abschließen, ein kostenloses Umtauschrecht in die Tarife der neuen Generation in der selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung und der Altersvorsorge.

Nach drei Jahrzehnten steigt zum Jahreswechsel der Höchstrechnungszins erstmals wieder, und zwar vom aktuellen Wert von 0,25% auf dann 1,0%. Nach und nach passen Versicherer ihre Produkte an. Nun hat auch die Gothaer Änderungen bekannt gegeben. Wie auch mehrere andere Unternehmen bietet die Gothaer ein kostenloses Umtauschrecht in die neue Tarifgeneration für Verträge zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) und in der Altersvorsorge an – für alle Vertragsabschlüsse ab dem 01.07.2024.

BU: Keine erneute Risikoprüfung bei Umstellung

Das kostenlose Umtauschrecht für in der selbstständigen BU in den ab dem 01.01.2025 gültigen Tarif bietet den Vorteil, dass sich Kunden ihren aktuellen Gesundheitszustand sichern können und gleichzeitig eine höhere BU-Rente bei gleichbleibendem Zahlbeitrag erhalten, so die Gothaer. Die Umstellung erfolgt kostenfrei und ohne erneute Risikoprüfung, alle anderen Vertragsbestandteile ändern sich nicht. Der Umtausch muss im Zeitraum vom 01.01.2025 bis zum 31.03.2025 beantragt werden.

Altersvorsorgeprodukte werden automatisch angepasst

Bei Produkten in der Altersvorsorge führt die Anhebung des Höchstrechnungszinses zu einem höheren garantierten Mindestrentenfaktor. Davon profitieren nicht nur Kunden mit Neuverträgen ab dem 01.07.2024, sondern auch Bestandskunden, die bereits eine GarantieRente Index als private oder betriebliche Altersvorsorge abgeschlossen haben. Die Information über den höheren Rentenfaktor erreicht Versicherte automatisch mit der Jahresmitteilung. Ein Antrag auf Umstellung ist nicht erforderlich. (js)

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