Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Die Berufsunfähigkeitsrente ist eine rein private Versicherungsleistung, die von einer Berufsunfähigkeitsversicherung gezahlt wird, wenn die entsprechenden vertraglichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Auch übernehmen Berufsunfähigkeitsversicherungen in der Regel die Prämien des Versicherten für die Zeit der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, als sogenannte „Beitragsbefreiung“. Die Versicherung tritt jedenfalls dann ein, wenn die versicherte Person aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr in der Lage ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf zu mindestens 50% auszuüben. Im Gegensatz zur gesetzlichen Erwerbsminderungsrente richtet sich die BU-Rente also speziell nach dem zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Beruf, nicht nach jedweder Erwerbsfähigkeit.
Was ist eine Erwerbsminderungsrente?
Die Erwerbsminderungsrente (EMR) ist eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie wird gezahlt, wenn Versicherte nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Dabei unterscheidet man zwischen einer vollen Erwerbsminderungsrente und einer teilweisen Erwerbsminderungsrente. Die volle Erwerbsminderungsrente erhalten Personen, die weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten können. Die halbe Erwerbsminderungsrente steht Menschen zu, die zwischen drei und sechs Stunden pro Tag arbeiten können. Im Gegensatz zur BU-Rente ist die EMR unabhängig vom zuletzt ausgeübten Beruf und betrachtet die Fähigkeit, überhaupt noch irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben zu können.
Beeinflusst die BU-Rente die Erwerbsminderungsrente?
Beide „Leistungsbezüge“ können gleichzeitig bezogen werden, wenn keine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausgeübt werden kann. Kann es dann sein, dass der Bezug einer dieser Renten die jeweils andere mindert oder sogar ausschließt? Hierfür muss zunächst der Charakter der Berufsunfähigkeitsrente dargestellt werden. Die private Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Summenversicherung, keine Schadenversicherung. Dies bedeutet, dass ein grundsätzliches Bereicherungsverbot (also: Entschädigung darf nicht höher sein als der Schaden) gerade nicht gilt. Im Leistungsfall wird demnach die Leistung gezahlt, die zwischen dem Versicherten und dem Versicherer vereinbart war. Es gilt hierbei jedoch der Grundsatz der Privatautonomie. Wen und in welcher Höhe die Versicherung im Ergebnis versichert, ist ausschließlich Sache des Versicherers. Aber natürlich wird bei Antragsstellung meist eine „Überversicherung“ geprüft. Denn schließlich soll der Versicherungsnehmer nicht in Versuchung geführt werden, den Leistungsfall vorsätzlich herbeizuführen. Die private Berufsunfähigkeitsversicherung kann die Leistungen somit nicht etwa kürzen.
Die gesetzliche Erwerbsminderungsrente hingegen wird nur dann gekürzt, wenn der Versicherte die festgelegten Hinzuverdienstgrenzen des SGB VI überschreitet. Als Hinzuverdienst gelten u. a. Bruttoentgelt, steuerrechtlicher Gewinn (z. B. Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft) sowie vergleichbare Einkommen, wie Vorruhestandsgeld. Zum Jahre 2023 wurde der Hinzuverdienst zudem angehoben. Allerdings stellt eine private Berufsunfähigkeitsrente in diesem Zusammenhang kein Einkommen oder Hinzuverdienst dar, da ihr keine Erwerbstätigkeit zugrunde liegt. Bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente hat eine gleichzeitig ausgezahlte private Berufsunfähigkeitsrente also keine Kürzung zur Folge.
Fazit und Hinweise
Es sollte in jedem Leistungsfall geprüft werden, ob mögliche „Doppelansprüche“ bestehen. Wenn mehrere Leistungen auf einmal bezogen werden, ist es ratsam, sorgfältig zu überprüfen, ob mögliche Hinzuverdienste vorhanden sind. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Berufsunfähigkeitsrente und die Erwerbsminderungsrente eigenständige Leistungen sind, die sich in ihren Voraussetzungen unterscheiden und unabhängig voneinander ausgezahlt werden. Selbst wenn der Versicherte in Summe beider Leistungen monatlich mehr Einkommen hätte als zu der Zeit, als er noch regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, zahlen die private und gesetzliche Versicherung den entsprechenden Teil bzw. die vereinbarte Leistung. Anspruchsgrundlagen, um diese zu kürzen, bestehen nur im Falle des Hinzuverdienstes. Weitere hilfreiche Informationen zu diesem Thema sind nachstehend zu finden: Berufsunfähigkeitsversicherung.
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