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Assekuranz bAV allgemein

Seriöse bAV-Beratung braucht Fachwissen und Erfahrung

In den vergangenen Jahren erlebte die bAV regulatorische Eingriffe und Versuche, ihr einen Schub zu verpassen. Wie hat sich die Beratung in dieser Zeit gewandelt? Welche Maßnahmen haben sich als gelungen erwiesen, wo besteht Anpassungsbedarf? Nachgefragt bei bAV-Experte Dr. Markus Baum.

Interview mit Dr. Markus Baum, Geschäftsführer der Dr. Baum GmbH & Co. KG Zukunftssicherung
Herr Dr. Baum, Sie sind inzwischen seit vielen Jahren im bAV-Geschäft. 2019 feierte Ihr Maklerunternehmen 20-jähriges Bestehen. Wie hat sich die bAV-Beratung denn in den vergangenen Jahren gewandelt?

In den Anfangsjahren der Entgeltumwandlung, also 2002, war die betriebliche Altersversorgung für die Arbeitgeber eher lästig: Mittlerweile wird der Fachkräftemangel spürbar, denn die Einstellung der Arbeitgeber zur bAV hat sich gewandelt, deutlich hin zu einem personalpolitischen Instrument. Dies äußert sich vor allem in höheren Arbeitgeber­beteiligungen, als es der gesetzliche Zuschuss vorsieht, und in der Einbindung der bAV in die Benefitstrategie der Unternehmen.

Halten Sie es heute für einfacher, als Makler im bAV-Geschäft Fuß zu fassen? Oder ist es gerade als Einzelmakler schwieriger geworden – Stichwort Compliance oder auch im Hinblick auf die Konkurrenz?

Da ich kein Newcomer und bereits seit 1988 in der bAV-Beratung tätig bin, kann ich die Frage nicht wirklich beantworten. Es drängen immer wieder Vertriebe in diesen wachsenden Markt, die hoffen und glauben, über die Digitalisierung einen leichteren Zugang zu den Kunden zu bekommen. Seriöse und nachhal­tige Beratung auf diesem Feld bedarf eines großen Fachwissens und viel Erfahrung; dies kann nicht in wenigen Wochen oder Monaten aufgeholt werden.

Nun sollte mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz die Durchdringung der bAV vorangetrieben werden. Welche Maßnahmen sehen Sie denn als geglückt an, wo besteht Verbesserungsbedarf?

Der Arbeitgeberzuschuss ist grundsätzlich als geglückt anzusehen, auch wenn bei der laufenden Umsetzung das Ziel des Gesetzgebers – die Verbesserung der Altersversorgung – nicht immer erreicht wird. Insbesondere behindert die Branche vielfach die Erhöhungen im bestehenden Vertrag und ist bei geringen Beiträgen in neuen Verträgen sehr kleinlich, am Ende mit der Konsequenz, dass die Arbeitgeberzuschüsse in den bestehenden Beitrag eingerechnet werden.

Die Erhöhung der steuerfreien Entgeltumwandlung auf 8% war richtig, nur leider nicht von der Sozialversicherungsbeitragsfreiheit flankiert. Im Übrigen halte ich eine Rückkehr zu der Regelung vor dem Jahr 2005 bezüglich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitragspflicht für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung für dringend notwendig.

Der BDVM forderte jüngst von der Politik mehr Kontinuität in der bAV und keinen Zickzackkurs. Wie ist Ihre Einschätzung?

Wir haben fünf Durchführungswege in der betrieblichen Altersversorgung, die völlig ausreichen und nur entsprechend gestärkt werden müssten; infolgedessen bedarf es meines Erachtens keines Staatsfonds oder eines nicht den Zeitgeist getroffenen Sozialpartnermodells. Würde eine reine Beitragszusage mit Kapitaloption im Rahmen der versicherungsförmigen Durchführungswege ergänzt, wäre viel gewonnen.

Kritisiert wurde dabei auch die Portabilität von bAV-Verträgen beim Wechsel des Arbeitgebers – ein Thema, das auch Sie seit Jahren bewegt. Sind die bAV-Lösungen hier nach wie vor zu starr?

Der Ansatz der Portabilität passt zu den veränderten Erwerbsbiografien, allerdings behindern sehr viele Aspekte eine zügige und passende Deckungskapitalübertragung. Da dies für alle Beteiligten aus unterschiedlichen Gründen sehr unbefriedigend ist, wäre der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft und/oder der Gesetzgeber aufgerufen, sich für praktikable Lösungen einzusetzen. Über eine verpflichtende Portabilität im Rahmen der Unterstützungskassen­zusagen sollte die Politik nun ernsthaft nachdenken.

Immer häufiger landet die Frage nach der Berechnung der Betriebsrente bei Teilzeitbeschäftigung vor Gericht. Sind auch hier die Regelungen zu wenig praxistauglich?

Die Regelungen sind meines Erachtens eindeutig. Leider wird in der Praxis teilweise aufgrund von mangelndem Wissen oder infolge fehlerhafter Beratung die betriebliche Altersversorgung für Teilzeitbeschäftigte in Unternehmen nicht korrekt geregelt.

Nun ist die Branche seit Jahren um mehr Transparenz und eine Verschlankung des Verwaltungsaufwands bemüht. Ist ein gutes Stück des Weges bereits zurückgelegt?

Transparenz ja, allerdings nicht im Sinne von VVG-konformen Angeboten mit über 100 Seiten, sondern das Vermitteln der wesentlichen Aspekte einer bAV, damit die Beteiligten eine bedarfsgerechte Entscheidung treffen können. Die Digitalisierung hilft, die immer wichtiger werdende Administration und Verwaltung der bAV zu vereinfachen und zu verschlanken. Es gibt gute Ansätze mit entsprechenden bAV-Portalen, wobei der Makler sich langfristig einer versichererunabhängigen Plattform bedienen wird. So können verschiedene Ver­sicherer bei einem Arbeitgeber verwaltet werden und die Beteiligten bleiben unabhängig. Daneben bedarf es einer brancheneinheitlichen Lösung bezüglich des Datenschutzes, der nach wie vor mehr behindert als schützt.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 12/2021, S. 42 f., und in unserem ePaper.

Bild: © tashatuvango – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Dr. Markus Baum

Bedarfsgerechte Garantien in bAV-Produkten

Garantien in Altersvorsorgeprodukten sind derzeit das große Thema. Mit den Wirkungen von hohen Garantien angesichts niedriger Zinsen hat sich das ifa (Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften) in einer Studie befasst. Beleuchtet wurde dabei auch die Frage, welche Garantien für wen bedarfsgerecht sind.

<h5>Ein Artikel von Dr. Sandra Blome, Partner & Director beim ifa (Institut für Finanz- und Aktuar­wissenschaften) und apl. Prof. Dr. Jochen Ruß, Geschäftsführer beim ifa</h5><p>Zum 01.01.2022 wird der Höchstrechnungszins für die Lebensversicherung von 0,9% auf 0,25% abgesenkt. Bei üblicher Produktkalkulation stellt der Höchstrechnungszins eine Obergrenze für den Garantiezins dar. Dies erlaubt ab 2022 selbst bei extrem kostengünstigen Produkten keine Garantie von 100% der Beiträge mehr. Garantien von 100% werden vermutlich dennoch von manchen Versicherern weiterhin angeboten – aber wahrscheinlich nur übergangsweise. Doch wie wirken eigentlich hohe Garantien in einem Niedrigzinsumfeld und welche Garantien sind für welche Kunden bedarfsgerecht?</p><h5>Garantien reduzieren Rendite</h5><p>Je höher die Garantie eines Altersvorsorgeprodukts ist, desto größer ist offensichtlich der Anteil sicherer Kapitalanlagen und desto geringer ist der Anteil chancenreicher Kapitalanlagen wie zum Beispiel Aktien. Das Renditepotenzial eines Altersvorsorgeprodukts ist deswegen umso niedriger, je höher die Garantie ist. Es ist davon auszugehen, dass die ab 2022 übergangsweise angebotenen Produkte mit 100% Beitragsgarantie (nahezu) vollständig in das klassische Sicherungsvermögen des Versicherers investieren werden. Ein signifikantes Chancenpotenzial oberhalb der Rendite klassischer Produkte wird also nur möglich sein, wenn das Garantieniveau signifikant unter 100% liegt.</p><h5>Garantien reduzieren Risiko (?)</h5><p>Garantien „kosten“ zwar Rendite, sie reduzieren dafür im Gegenzug das Risiko. Dies gilt aber zunächst nur bei einer sogenannten „nominalen“ Betrachtung. Hierunter versteht man die Betrachtung von Eurowerten einer Leistung. Für Verbraucher ist aber auch die Kaufkraft der Leistung relevant, also etwa wie viele Mahlzeiten und Monatsmieten man sich von seiner Rente leisten kann. Daher ist auch eine „reale“, also inflationsbereinigte Betrachtung von Bedeutung. </p><h5>Garantien erhöhen Inflationsrisiko</h5><p>Aktienrenditen weisen über lange Zeiträume eine positive Korrelation mit der Inflation auf: Wenn über einen langen Zeitraum eine eher hohe Inflation vorherrscht, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich in diesem Zeitraum Aktien überdurchschnittlich gut entwickeln und umgekehrt. Allerdings lässt – wie bereits erwähnt – eine höhere Garantie nur einen geringeren Anteil von Aktien zu. Zusammen führt dies dazu, dass hohe Garantien zwar das Risiko aus den zufälligen Schwankungen des Aktienmarkts reduzieren, aber das Risiko erhöhen, das aus der Inflation resultiert.</p><h5>Nominal versus real</h5><p>Eine rein nominale Betrachtung ignoriert den genannten Effekt, sodass eine höhere Garantie stets zu mehr Sicherheit zu führen scheint. Ob und in welchen Fällen mehr Garantie aber auch real (inflationsbereinigt) zu mehr Sicherheit führt, kann nur mithilfe quantitativer Analysen untersucht werden.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Niedrige Garantieniveaus bedarfsgerecht--><h5>Niedrige Garantieniveaus bedarfsgerecht</h5><p>Berechnungen zeigen, dass eine Garantie von 100% der Beiträge im aktuellen Zinsumfeld zu einer sehr starken Reduktion der Chancen führt. Umgekehrt reduziert diese Garantie zwar das nominale Risiko, in Bezug auf das relevante reale Risiko wirkt sie hingegen – wenn überhaupt – kaum risiko­reduzierend. Betrachtet man die relevanten realen Werte, ist zwar der „Preis“ einer Garantie, also die Reduktion der Chance, ähnlich hoch, wie er nominal erscheint. Der „Nutzen“ der Garantie, das heißt die Reduktion des Risikos, ist hingegen real deutlich geringer, als er nominal erscheint. Im aktuellen Zinsumfeld sind daher niedrigere Garantieniveaus auch für sicherheitsorientierte Menschen bedarfsgerechter als hohe.</p><h5>Bedarfsgerechte Garantien in der bAV</h5><p>Bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) ist eine Garantie von 100% der Beiträge gesetzlich vorgeschrieben. Im Gegensatz dazu sind bei der beitragsorientierten Leistungszusage (BOLZ) niedrigere Garantien möglich. Auf diesem Wege können also Garantieniveaus, die im aktuellen Umfeld auch für sicherheitsorientierte Arbeitnehmer bedarfsgerecht sind, auch in der bAV angeboten werden. Unterschiedliche Zusagearten in der bAV können jedoch unterschiedliche Ausgestaltungen der Renten­bezugsphase bedingen. So werden in der Praxis bei der BOLZ oft nur sogenannte volldynamische Renten angeboten. Hier führt jeder Überschuss zu einer Erhöhung der gezahlten Rente. Bei der BZML hingegen kommen oft auch sogenannte teildynamische Renten zum Einsatz, die eine höhere Anfangsrente aufweisen, aber bei sinkenden Überschusssätzen auch zu einer Reduktion der gezahlten Rente führen können.</p><h5>BOLZ mit reduzierter Garantie: Attraktives Chance-Risiko-Profil</h5><p>Betrachtet man im Modell die Ansparphase und die Rentenphase gemeinsam, so stellt man fest, dass im aktuellen Umfeld der zur Verrentung zur Verfügung stehende Betrag bei einem BOLZ-Produkt mit abgesenkter Garantie mit großer Wahrscheinlichkeit höher ist als bei einem BZML-Produkt mit 100% Beitragsgarantie. Im Mittelwert ist der Vorteil aus der Ansparphase so groß, dass sich trotz des anderen Überschusssystems eine ähnliche Anfangsrente ergibt. Die volldynamische Rente der BOLZ-Produkte wird dann voraussichtlich stärker als beim BZML-Produkt steigen und kann insbesondere nie sinken. </p><p>Insgesamt erscheint somit das Chance-Risiko-Profil einer BOLZ mit reduzierter Garantie im aktuellen Umfeld auch unter Einbeziehung der Rentenbezugsphase attraktiver als das Chance-Risiko-Profil einer BZML mit 100% Beitragsgarantie.</p><p>Zur zugrunde liegenden Studie des ifa geht es hier: www.ifa-ulm.de/Garantien-bAV.pdf</p><p>Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2021, S. 34 f., und in unserem <a href="https://epaper.asscompact.de/asscompact-12-2021/66016968&quot; target="_blank" >ePaper</a>.</p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/6CCA45B8-CF40-4C91-A13D-B5F824105C12"></div>

 
Ein Artikel von
Dr. Sandra Blome
apl. Prof. Dr. Jochen Ruß

„Es gilt, das Potenzial der bAV zu entfesseln“

Mit 2021 geht ein ereignisreiches Jahr zu Ende: ein zweites Corona-Jahr, ein weiteres Jahr im Niedrigzinsumfeld, ein Bundestagswahljahr. Anlässe genug für eine Art Bestandsaufnahme im Bereich der betrieblichen Altersversorgung und einen Ausblick, welchen Stellenwert die bAV im Vorsorge-Mix künftig einnimmt.

<h5>Interview mit Dr. Georg Thurnes, Vorsitzender der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V.</h5><h5>Herr Dr. Thurnes, die bAV galt lange als Erfolgsmodell. Nun leidet sie unter Niedrigzinsen, schwächelnden Pensionskassen, Kurzarbeit und Bürokratie. Würden Sie das so unterschreiben? </h5><p>Es geht doch immer um die Frage nach den Alternativen. Dauerniedrigzins, Bürokratiekosten und geringere verfügbare Einkommen treffen alle Formen der kapitalgedeckten Altersversorgung. Hier hilft die besondere Effizienz, die sich aus dem kollektiven Ansatz der betrieblichen Altersversorgung ergibt. Gegenüber vergleichbaren Formen der Altersversorgung bleibt die bAV daher die bessere Alternative.</p><h5>Die letzte große gesetzgeberische Änderung war das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG). Sind zumindest einige Ziele erreicht worden?</h5><p>Auf jeden Fall! Wichtig sind natürlich die dort enthaltenen Regelungen zur reinen Beitragszusage, auch wenn sie derzeit noch nicht zur Anwendung kommen. Damit haben wir ein Regelwerk, um das uns die Fachwelt im Ausland beneidet. Die Verbreitung der bAV bei Niedrigverdienern unterstützt der Förderbetrag, den Arbeitgeber erhalten, wenn sie dieser Gruppe eine Zusage erteilen. Die Verpflichtung, bei Entgeltumwandlung einen Arbeitgeberzuschuss zu leisten, sofern Sozialabgabenersparnisse entstehen, macht die bAV für Arbeitnehmer noch attraktiver. Die neuen Nachzahlungsmöglichkeiten und die überarbeitete Vervielfältigungsregelung machen die Dotierung flexi­bler. Von unschätzbarem Wert ist der eingeführte Freibetrag bei der Grundsicherung. Bis auf die Regelungen zum Sozialpartnermodell haben sich schon alle anderen Reformmaß­nahmen positiv ausgewirkt.</p><h5>Mit welchen neuen Regulierungsvorhaben müssen Sie sich gerade beschäftigen?</h5><p>Um die alle aufzuzählen, reichen weder Zeit noch Platz dieses Interviews. Die Themen reichen von EbAV-Kostentransparenz über DC Risk Assessment bis hin zu vielen Projekten im Zusammenhang mit ESG. Besonderen Stellenwert werden natürlich die Reviews von IORP II, also der überarbeiteten Pensionsfondsrichtlinie, und dem Betriebsrentenstärkungsgesetz haben. Hier bereiten wir uns schon jetzt vor, um negative Belastungen von der bAV fernzuhalten.</p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||Das Sozialpartnermodell hat sich bisher nicht durchgesetzt. Mittlerweile fehlt der Glaube, dass es dies noch tun wird. Wie wird das bei Ihnen im Verband diskutiert?--><h5>Das Sozialpartnermodell hat sich bisher nicht durchgesetzt. Mittlerweile fehlt der Glaube, dass es dies noch tun wird. Wie wird das bei Ihnen im Verband diskutiert?</h5><p>Das Wörtchen „bisher“ möchte ich dick unterstreichen! Sie werden sehen, wenn die ersten Modelle genehmigt sind und an den Start gehen, dann kommt Fahrt auf. Durch geänderte Rahmenbedingungen könnte der Prozess beschleunigt werden. </p><h5>Mit Blick auf die Durchführungswege hat sich insbesondere die Direktversicherung durchgesetzt. Ist diese Entwicklung zu einseitig?</h5><p>Nimmt man die Deckungsmittel zum Maßstab, so liegt die Direktversicherung nach Direktzusage und Pensionskasse auf Platz 3. Bezieht man sich auf die Zahl der Anwartschaften, so liegt die Direktversicherung auf Platz 1. Betrachtet man die Durchschnittsleistung, so liegt sie auch hinter Direktzusage und Pensionskasse. Auch wenn man sich die Zuwächse der letzten 10 bis 15 Jahre anschaut, wird Ihre These nicht gestützt. Die bAV-Welt ist bunter und differenzierter, und das ist für passgenaue Lösungen auch gut so.</p><h5>Für 2022 werden mehr Unternehmensinsolvenzen erwartet. Welche Auswirkungen wird dies haben?</h5><p>Die Pandemie belastet die betriebliche Altersversorgung in allen Bereichen, auch durch Unternehmensinsolvenzen und deren finanzielle Auswirkungen über den Beitrag für den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV). 2021 liegt der Beitragssatz beim PSV mit 0,6 ‰ deutlich unter dem langjährigen Mittel von 2,8 ‰. Im Vorjahr lag er noch bei 4,2 ‰. Was 2022 bringt, kann man noch nicht abschätzen.</p><h5>Die Arbeitswelt ändert sich. Sie wird flexibler, internationaler. Muss sich die bAV komplett neu erfinden? </h5><p>In Brüssel ruft man immer nach grenzüberschreitenden Angeboten. Die Erfahrung zeigt, dass es gar nicht so viel grenzüberschreitende Mobilität gibt, wie immer angenommen wird. Dort, wo es sie gibt, wirken Steuer- und Sozialversicherungsrecht als Hemmnisse, nicht die bAV an sich. Für mich haben aber die jeweils nationalen Systeme klar Priorität. Und da brauchen wir nichts komplett Neues. Bestehende Systeme müssen wir verbessern bzw. an veränderte Gegebenheiten anpassen. </p><!--text-long-pagebreak--><!--sub-title||In Ihrem Verband treffen alle Beteiligten der bAV aufeinander. --><h5>In Ihrem Verband treffen alle Beteiligten der bAV aufeinander. </h5><h5>Sind denn die Herausforderungen gleichermaßen verteilt – auf Arbeitgeber, Versorgungseinrichtungen, Arbeitnehmer? Oder wo sehen Sie Herausforderungen?</h5><p>Nehmen wir den Dauerniedrigzins: Zusageformen wie die Beitragszusage mit Mindestleistung werden die meisten Versorgungseinrichtungen für Neuzusagen nicht mehr anbieten können. Arbeitgeber können solche Zusagen dann nicht mehr erteilen. Die in der Vergangenheit eher theoretische Subsidiärhaftung der Arbeitgeber ist realer geworden. </p><p>Zudem werden Arbeitgeber mit Direktzusagen durch den überhöhten Rechnungszins beim § 6a Einkommensteuergesetz (EStG) bestraft. Pensionskassen leiden im Niedrigzinsumfeld an einem zu engen regulatorischen Korsett. Aufseiten der Berechtigten leidet die Leistungshöhe bei Zusagen mit Garantien wegen rückläufiger Überschussbeteiligungen. Der Dauertiefzins trifft also alle Beteiligten, wie diese Beispiele zeigen. </p><h5>Zuletzt gab es einige Urteile zur bAV, unter anderem zum Versorgungsausgleich. Welche Rechtsprechungsfragen beeinflussen aktuell die bAV am meisten?</h5><p>Regelungen zur bAV gibt es in vielen Rechts­gebieten. Da denkt man natürlich zunächst an das Arbeits- und Steuerrecht. Aber auch Versorgungsausgleich, Sozialversicherungs-, Aufsichts- und Insolvenzrecht, überall ist auch die bAV tangiert. Daher vergeht eigentlich kaum eine Woche ohne wichtige, praxisrelevante Entscheidungen. </p><h5>Ihr Ausblick: Welchen Stellenwert wird die bAV im Vorsorge-Mix künftig einnehmen? </h5><p>Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung bleibt auch auf lange Sicht die Hauptquelle des Alterseinkommens für den Großteil der Bevölkerung. Eine Lebensstandardsicherung wird man über sie aber nicht mehr erreichen können. Es muss also zusätzlich kapitalgedeckt vorgesorgt werden. Und alle internationalen Erfahrungen zeigen, dass dies am besten über kollektive Systeme der betrieblichen Altersversorgung geht. Die Kollektive helfen, Sicherheit zu schaffen und Kosten zu reduzieren. Wenn dann noch die Sozialpartner beteiligt sind, schafft das zusätzliches Vertrauen. Die bAV wird vor diesem Hintergrund eine echte zweite Säule der Alterssicherung und mehr Traglast übernehmen.</p><h5>Das vollständige Interview lesen Sie auch in AssCompact 12/2021 und in unserem <a href="https://epaper.asscompact.de/asscompact-12-2021/66016968&quot; target="_blank" >ePaper</a>.</h5><p><i class="font-twelve-italic" >Bild: © Marco2811 – stock.adobe.com</i></p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/0CFB541A-6073-49AD-8E59-2ED6E6B58E87"></div>

 
Interview mit
Dr. Georg Thurnes

Gothaer mit starkem Neugeschäft bei Unternehmerkunden

Die Gothaer wird das Jahr 2021 vermutlich mit einem Beitragswachstum von 2,4% abschließen. Zum Wachstum haben alle Sparten beigetragen, Wachstumstreiber ist aber insbesondere die Sachversicherung im Mittelstand. S&P stuft das Rating hoch.

<p>Das Jahr 2021 wird die Gothaer etwas besser als der Markt abschließen. Nach vorläufigen Zahlen wird der Konzern mit einer Steigerung der Beitragseinnahmen um 2,45% auf 4,64 Mrd. Euro wachsen. „Damit erfüllen wir unser Wachstumsziel aus unserer Konzernstrategie Ambition25. Besonders freut mich, dass alle Sparten zum Wachstum beitragen“, so Konzernchef Oliver Schoeller kürzlich vor Journalisten. Gleichermaßen verweist Schöller darauf, dass 2021 ein herausforderndes Jahr gewesen sei. Trotzdem sei es gelungen, die Konzerneigenkapitalbasis zu stärken. Zum Jahresende wird voraussichtlich ein Wert von 1.411 Mio. Euro erreicht werden. </p><p>Die verbesserten Kennzahlen mündeten schon im Herbst 2021 in ein besseres Rating. Standard & Poor‘s Global Ratings hat das Rating der Kerngesellschaften des Gothaer Konzerns auf A angehoben.</p><h5>Sachversicherung mit bedeutendem Beitrag zum Ergebnis</h5><p>Die gebuchten Bruttobeiträge der Gothaer Allgemeine Versicherung AG werden nach Unternehmensangaben voraussichtlich mit 2.005 Mio. Euro um 3,3% über dem Niveau von 2020 liegen. Der Sachversicherer leistet damit einen bedeutenden Beitrag zum Konzernergebnis. „Stärkster Wachstumstreiber bei den Beitragseinnahmen ist das Geschäft mit Unternehmerkunden, das um 6% Prozent steigt“, so Thomas Bischof, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Allgemeine. Auf diesem Geschäft soll dann auch 2021 der Fokus liegen. </p><h5>Nachhaltigkeit zieht im Lebengeschäft </h5><p>Die gebuchten Bruttobeiträge der Gothaer Lebensversicherung AG steigen 2021 voraussichtlich um 0,7% auf 1.310 Mio. Euro. „Dazu beigetragen hat die noch junge „Gothaer Garantie Rente Index“, die unter anderem zwei nachhaltige Indizes (ESG) berücksichtigt. Diese wurden dann auch von einem Großteil der Kunden gewählt, wie die Gothaer erklärt.</p><h5>Krankenzusatzversicherung weiter nachgefragt</h5><p>Die gebuchten Bruttobeiträge der Gothaer Krankenversicherung AG liegen mit 909 Mio. Euro aller Voraussicht nach um 2,2% über dem Niveau von 2020. Das Wachstum kommt aus der privaten und betrieblichen Krankenzusatzversicherung. Insbesondere in der bKV fühlt sich die Gothaer wohl, passt dieses Geschäftsfeld doch zur Ausrichtung des Versicherers auf Unternehmerkunden. (bh)</p><p><i class="font-twelve-italic" >Bild: Oliver Schoeller, seit Juli 2020 Vorstandvorsitzender des Gothaer Konzerns, Quelle: Gothaer</i></p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/82F84836-87CC-4C70-914C-D6545B28ADB5"></div>

 

ARAG erreicht verfrüht die Wachstumsziele 2022

Nach vorläufigen Zahlen fährt die ARAG 2021 ein Rekordwachstum ein. Besonders wachstumsstark zeigt sich dabei die Krankenversicherung. Doch auch die Rechtsschutzsparte wächst deutlich. Die Schadenereignisse 2021 trüben das Ergebnis nicht.

<p>Der ARAG Konzern hat sich 2021 noch einmal deutlich besser entwickelt als in den Vorjahren und erreicht schon jetzt die Wachstumsziele für 2022. So erwartet der Konzern zum Jahresende nach vorläufigen Zahlen ein Beitragsplus von 151 Mio. Euro bzw. 8,2%. Die Gesamtbeitragseinnahmen würden sich demnach auf 2,0 Mrd. Euro belaufen.</p><p>Dabei ist auch der deutsche Markt stark gewachsen. Das zeigt sich in einem Plus von 7,6%. Dabei vergrößert die ARAG auch ihren Kundenstamm: Bis Ende Oktober wurden per Saldo 80.000 zusätzliche neue Kunden in Deutschland hinzugewonnen.</p><h5>Produktoffensive 2021</h5><p>Vorstandsvorsitzender Dr. Renko Dirksen führt die Wachstumszahlen unter anderem auf eine Produktoffensive im ablaufenden Jahr zurück. Zuletzt wurden eine neue Privathaftpflicht- und eine neue Hausratversicherung eingeführt. Zudem wurde auch die Krankenhaus-Zusatzversicherung überarbeitet. </p><h5>Schadenereignisse können dem Ergebnis wenig anhaben</h5><p>Auf der anderen Seite konnten auch die Schadenereignisse der vergangenen Monate das Ergebnis der ARAG nicht trüben. Die Flutkatastrophe vom Juli hat die ARAG aufgrund ihres eher kleinen Hausrat- und Wohngebäudebestandes nur moderat getroffen und auch COVID-19-bedingte Schäden vor allem im Rechtsschutz waren 2021 stark rückläufig. </p><p>Stärker betroffen ist die ARAG Rechtschutz dagegen vom Abgasskandal. Dirksen teilte kürzlich vor Journalisten mit, dass insgesamt 33.000 Schäden gezählt werden und dass die ARAG bisher 50 Mio. Euro an Kunden ausbezahlt hat. Vorstand Hanno Petersen betonte aber auch, dass aufgrund der mittlerweile angeeigneten Expertise ARAG-Kunden häufiger vor Gericht gewinnen würden und damit auch anfallende Kosten gesenkt werden könnten. </p><p>So rechnet die ARAG für 2021 mit einem Ergebnis vor Steuern zwischen 80 und 85 Mio. Euro. Die Combined Ratio des Konzerns liegt bei 88,4%</p><h5>Die Ergebnisse in den Kernsparten</h5><p>Seit dem Verkauf der ARAG Leben im Jahr 2017 an die Frankfurter Leben konzentriert sich die ARAG auf die Bereiche Rechtsschutz und Krankenversicherung als Kernsparten. Dirksen bezeichnet diese klare Fokussierung als Basis für den heutigen Erfolg des Konzerns. </p><p>So stiegen die Beitragseinnahmen 2021 im Rechtsschutz, dem größten Konzern-Segment, um 7% auf 1,23 Mrd. Euro. Weltweit bedeutet dies wohl Rang eins unter den Rechtsschutzversicherern, in Deutschland ist die ARAG die Nummer drei der größten Rechtsschutzversicherer. Das Beitragsplus im deutschen Rechtsschutzgeschäft wird nach jetzigen Zahlen ein Beitragsplus von 6,6% erzielen. </p><p>Das wachstumsstärkste Segment in 2021 war jedoch wie in den Vorjahren die Krankenversicherung. Hier wird ein Beitragsplus von 11% erwartet. Dazu tragen insbesondere die Vollkostentarife als auch der neue MedKlinik-Tarif in der Krankenhaus-Zusatzversicherung bei. Der Beitragsanteil der Vollkostentarife beläuft sich auf 61%. (bh)</p><p><i class="font-twelve-italic" >Bild: ARAG-Vorstandsvorsitzender Dr. Renko Dirksen, Quelle: ARAG</i></p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/69DF3B35-12FE-4132-8BC5-4DEF90E2C3F2"></div>

 

Betriebliche Altersversorgung: Weites Feld mit viel Potenzial

Das Geschäft mit der betrieblichen Altersversorgung bietet Maklern nach wie vor gute Vertriebschancen. Unabhängig von der Pandemie ist die bAV weiterhin ein wichtiges Instrument der Mitarbeiterbindung und steht bei Arbeitnehmern hoch im Kurs. In der Beratung ist Fachwissen aufseiten der Vermittler gefragt.

<p>Zum Jahresende heißt es bei vielen Arbeitnehmern mit Blick auf den Gehaltszettel „Oh du Fröhliche“, denn es gibt ein monetäres Extra vom Chef: Viele Beschäftigte erhalten Weihnachtsgeld oder zu Jahresbeginn andere Gratifikationen, Boni oder Ähnliches. </p><p>Viele Firmen setzen auf Benefits, um die Zufriedenheit ihrer Belegschaft zu erhöhen, die Mitarbeiterbindung zu stärken und die Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen. Denn eines steht fest: Am Fachkräftemangel hat die Corona-Krise nichts geändert. Wie Daten aus dem aktuellen KfW-ifo-Fachkräftebarometer belegen, beklagten 43% der Unternehmen im Oktober eine Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit aufgrund von fehlendem Fachpersonal. Dieser Mangel ist aktuell ein weitaus häufigeres Produktionshemmnis als vor Ausbruch der Pandemie. Betroffen sind alle Wirtschaftsbereiche und Firmen aller Größen, also mittelständische Betriebe ebenso wie Großunternehmen. Der Fachkräftemangel droht zum Nadelöhr für den Wirtschaftsaufschwung zu werden.</p><h5>Benefits? Gerne eine bAV </h5><p>Mit den angesprochenen Benefits können Unternehmen zusätzliche Anreize für bestehende und künftige Mitarbeiter schaffen. Dazu zählen insbesondere auch betriebliche Vorsorgelösungen wie die bAV. Wie Umfragen zeigen, ist Beschäftigten eine zusätzliche Versorgung oft wichtiger als andere Vergünstigungen oder Zusatzleistungen des Arbeitgebers. Wie Studien aber auch ergeben, stärkt die bAV das Engagement der Belegschaft am stärksten dann, wenn sie entsprechend auf die Mitarbeiterbedürfnisse abgestimmt ist. Von ihrer bAV erwarten Mitarbeiter vor allem Flexibilität bei der Wahl der Auszahlungsoptionen – und eine individuelle Beratung.</p><h5>Beratung bleibt gefragt </h5><p>Schon allein angesichts der Komplexität der Materie bleibt Beratung gefragt. Wichtig wird sie auch, da es rund um die bAV derzeit viel Bewegung gab und gibt – allen voran rechtliche Änderungen, die Maklerbetriebe auf der Agenda haben müssen und in der Beratung zum Thema machen sollten. Denn mit regulatorischen Maßnahmen, mit denen der Gesetzgeber die Durchdringung der bAV erhöhen will, gehen meist Unsicherheiten und Fragen einher.</p><p>Nur ein aktuelles Beispiel ist die nächste Stufe des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG): Ab dem 01.01.2022 müssen Arbeitgeber alle bestehenden Entgeltumwandlungen in der bAV über eine Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds mit 15% bezuschussen, soweit eine Sozialversicherungsersparnis vorliegt und ein Tarifvertrag nichts Abweichendes regelt. In der praktischen Umsetzung stellt die neue Regelung Unternehmen und Versorgungsträger vor Herausforderungen und sorgte und sorgt für Beratungsbedarf.</p><h5>Reine Beitragszusage</h5><p>Die bAV ist eine wichtige Säule der Altersvorsorge, darin ist sich auch die Politik einig. Um das Rentensystem auch künftig zu sichern, fordern Fachleute aus der Assekuranz eine Stärkung der kapitalgedeckten Altersversorgung – aber nicht in neuen Strukturen, sondern innerhalb der bestehenden bAV-Modelle. So appelliert beispielsweise die aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V. unter anderem dafür, einen eigenständigen Zugang für alle Unternehmen zur reinen Beitragszusage zu ermöglichen und einen rechts­sicheren Rahmen für Zusagen mit einem Garantieniveau unter 10% zu schaffen. Weiter fordern die Experten, bAV-Regeln generationengerecht zu gestalten. </p><p>Was das kommende Jahr an Neuerungen für die bAV bringt, bleibt abzuwarten. Ob es in einem Jahr dann heißt „Oh du Fröhliche“ oder eher „eine schöne Bescherung“, wird sich zeigen. </p><p><i class="font-twelve-italic" >Bild: © hkama – stock.adobe.com</i></p><div id="bbgreadlog-getimage"><img src="/bbgreadlog/getimage/9C3ECED7-57C6-47BC-8900-E3DCAFEC48DF"></div>

 

Vor Ort beim Kunden: bAV-Beratung auf der Baustelle

Als Spezial-Versicherungsmakler für bAV hat sich BAVcompact auf die betriebliche Altersversorgung von Baufirmen spezialisiert. Die Branche weist einige Besonderheiten auf, die es bei der Projektierung zu berücksichtigen gilt. Was die Beratung der Beschäftigten angeht, heißt es für das Team von BAVcompact mobil sein.

Interview mit Wencke Gattinger, Geschäftsführerin, und Peter Schubert, Kaufmännischer Leiter der BAVcompact GmbH & Co. KG, Spezial-Versicherungsmakler für bAV
Sie haben sich ja auf die bAV-Beratung im Baugewerbe spezialisiert. Wie hat sich bei Ihnen das Geschäft in der Pandemie entwickelt?

Wencke Gattinger: Auch wir hatten durch die Corona-Krise in diesem und im letzten Jahr unsere Herausforderungen. Die Baufirmen haben insbesondere im harten Lockdown im ersten Quartal 2021 die Zugangsbeschränkungen auf den Baustellen verschärft, sodass eine Beratung vor Ort teilweise, auch zum Schutz unseres eigenen Teams, nicht möglich war. Neue Kunden konnten in der Zeit ebenfalls nicht akquiriert werden.

Peter Schubert: Das Jahr 2021 werden wir dennoch positiv abschließen können. Es ist aufgrund von Corona im Baugewerbe zu keinerlei Kurzarbeit, Entlassungen oder gar Insolvenzen im Bestand gekommen und die abgeschlossenen bAV-Verträge sind störungsfrei durchgelaufen.

Was sind denn die besonderen Herausforderungen im Bereich bAV für diese Branche?

Peter Schubert: Die Baubranche hat so ihre Besonderheiten. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag sorgt dafür, dass die SOKA-BAU für diese Branche zuständig ist und alle Baubetriebe dort ZVK-pflichtig sind. Diese arbeitgeberfinanzierte Abgabe reduziert die 4% Beitragsbemessungsgrenze für die Sozialversicherungsfreiheit innerhalb der bAV deutlich. Erschwerend kommt hinzu, dass der tarifliche Mindestlohn im Baugewerbe, der aktuell bei 15,70 Euro pro Stunde liegt entsprechend der Mindestlohngruppe 2/West, nicht für eine Entgeltumwandlung genutzt werden darf – abweichend vom gesetz­lichen Mindestlohn. Daneben sind die gewerblichen Mitarbeiter, also etwa 80 bis 90% des Gesamtpersonals in der Baubranche, meistens an unterschiedlichen Standorten anzutreffen, teilweise sogar über ganz Deutschland verteilt. Eine Video­beratung ist in diesem Kundensegment in der Regel nicht möglich. Deshalb beraten wir diese während der Arbeitszeit auf den Baustellen in unseren Beratungsmobilen. Dadurch erreichen wir auch in dieser Branche eine Teilnahmequote von rund 80%.

Nun wurden mit dem BRSG ja bereits eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, um die Durchdringung der bAV zu erhöhen. Damit verbunden sind aber auch immer wieder neue regulatorische Vor­gaben. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus in der Praxis?

Wencke Gattinger: Im Baugewerbe liegt oftmals eine Tarifbindung oder eine Anlehnung an den Bautarifvertrag vor. Es ergibt sich im Bestand in der Praxis daher für uns wenig Aufwand in Bezug auf das BRSG. Wir sind in der komfortablen Lage, dass ein Tarifvertrag vom Gesetz abweichende Regelungen, auch zuungunsten der Arbeitnehmer, treffen darf (tarifdispositiv). Kritisch wird es jedoch bei Fremd- bzw. Altzusagen, bei denen diese Spielregeln nicht eingehalten wurden. Der 01.01.2022 rückt näher und die Verunsicherung auch bei den Betrieben ist groß. Wir erhalten hier viele Anfragen von Interessenten. Spätestens dann, wenn von dem jeweiligen Versicherer der Altverträge die Information kommt: „Denken Sie an den gesetzlichen Arbeitgeber­zuschuss von 15% gemäß BRSG“, werden die Entgelt- oder Personalabteilungen und/oder die Geschäftsleitung aufmerksam und die „Hilfe“-Anfragen nehmen zu.

Wie sehr beeinträchtigt das Niedrigzinsumfeld Ihre Vermittlertätigkeit, und trägt die Diskussion um Garantien zur Unsicherheit bei?

Peter Schubert: Die Sicherheit, in einem Niedrigzinsumfeld die richtige Entscheidung für die Zukunft getroffen zu haben, ist die hohe Förderung in Form der tariflichen Arbeitgeberzulage über die gesamte Laufzeit. Die staatliche Förderung, also die Steuer- und Sozialversicherungsersparnisse, der geringe Nettoeigenanteil, ein innovatives Anlagekonzept sowie speziell auf die Bauwirtschaft zugeschnittene Leistungsbausteine geben unserer Zielgruppe viele gute Argumente zugunsten der bAV. Daher haben wir in der Praxis keine Beeinträchtigung.

Nach wie vor sind Arbeitgeber beim Thema bAV zögerlich, weil sie einen hohen Verwaltungsaufwand fürchten. Hier kann die Digitalisierung Abhilfe schaffen. Geht es hier aus Praxissicht denn voran? Oder wie könnten Versicherer Vermittler noch stärker unterstützen?

Wencke Gattinger: Der Verwaltungsaufwand für unsere Kunden ist und war schon immer sehr gering, da wir die meisten Verwaltungsvorgänge schon seit Jahren übernehmen. Wir liefern den Entgeltabteilungen eine digitale und damit papierlose „bAV-Personalakte“ über unser Kunden-Onlineportal. Es sind versichererunabhängig alle Daten, der gesamte Schriftverkehr und alle Dokumente wie zum Beispiel Angebote, Policen, Beratungsprotokolle und Entgeltumwandlungsvereinbarungen für den Kunden hinterlegt. Hier haben sich die Download-Funktionen und die Schnittstellen zu den gängigen Verwaltungsprogrammen innerhalb der Portale der Versicherer in den letzten Jahren deutlich verbessert.

Ihr Onlineportal haben Sie schon angesprochen. Setzen Sie denn in der Beratung auf weitere digitale Unterstützung?

Peter Schubert: Da das Baugewerbe wie eben bereits erwähnt einige Besonderheiten aufweist und es am Markt entsprechende Softwarelösungen nicht gab und bis jetzt auch nicht gibt, haben wir bereits vor langer Zeit eine eigene Beratungssoftware entwickelt. Neben der Dokumentation des gesamten Beratungsprozesses werden alle Dokumente digital unterschrieben und dem Firmenkunden im Kunden-Onlineportal zur Verfügung gestellt. Eine selbst entwickelte Videoberatung bieten wir ebenfalls an, sie kann jedoch in unserem Kundensegment eine persönliche Beratung „Face to Face“ vor Ort nicht ersetzen.

Können auch Maklerkolleginnen und -kollegen von den langjährigen bAV-Erfahrungen im Baugewerbe von BAVcompact profitieren?

Wencke Gattinger: Ja, denn wir sprechen Bau! Unsere Zielgruppen sind Unternehmen mit einem hohen gewerblichen Mitarbeiteranteil und wir haben spezielle Deckungskonzepte für diese Branchen entwickelt. Einige Kolleginnen und Kollegen kooperieren bereits mit uns. Es sind zumeist Sachmakler, die kein bzw. wenig bAV-Geschäft machen oder die gewerblichen Mitarbeiter in der Praxis nicht beraten können, jedoch die Tür für einen Konkurrenzeinbruch über die bAV in ihrem Bestand zumachen wollen. Da wir ausschließlich die bAV für die Mitarbeiter anbieten, gibt es keine Überschneidungen mit den Kolleginnen und Kollegen.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 12/2021, S. 40 f., und in unserem ePaper.

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Ein Interview mit
Wencke Gattinger
Peter Schubert

EIOPA: Deutsche Versicherer bestehen Stresstest

Die EIOPA hat die Ergebnisse des diesjährigen Stresstests der Versicherungsbranche veröffentlicht. Deutsche Versicherer erhielten dabei ein positives Ergebnis. Die Versicherungswirtschaft insgesamt erweist sich als widerstandsfähig.

Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) hat die Ergebnisse ihres Stresstests 2021 für Versicherungsunternehmen veröffentlicht. 43 große europäische Versicherungsgruppen sowie ein Einzelunternehmen wurden in dem Stresstest geprüft. Auch aus Deutschland waren fünf Versicherer dabei: Allianz, Münchener Rück, HDI, R+V und Alte Leipziger-Hallesche. Das Ergebnis ist positiv ausgefallen: Die deutsche sowie die europäische Versicherungsbranche haben sich im Test-Szenario als widerstandsfähig erwiesen.

Besonders Lebensversicherer beobachten

Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der BaFin schätzt die Resultate wie folgt ein: „Die Ergebnisse des Stresstests zeigen, dass die Versicherungsbranche auch in Stressszenarien grundsätzlich widerstandsfähig ist.“ Ohne die im Jahr 2032 auslaufenden Übergangsmaßnahmen sähen die Ergebnisse aber teilweise deutlich schlechter aus, so Grund. Zum Niedrigzins ergänzt Grund: „Das Niedrigzinsumfeld bleibt eine Herausforderung. Wir werden besonders die Situation der Lebensversicherer weiter genau im Auge behalten.“

Krisenfest im Zinsrückgang

Im diesjährigen Stresstest-Szenario wurde von der EIOPA insbesondere mit einem Zinsrückgang mit Verwerfungen am Kapitalmarkt gerechnet. Ein deutlicher Rückgang der Solvenzquoten wäre die Folge. Dies würde auch die deutsche Versicherungsbranche betreffen. Dennoch zeigt sich, dass das europäische Versicherungssystem insgesamt Widerstandsfähigkeit hätte und robust aufgestellt wäre. Auch die Maßnahmen für langfristige Garantien (Long Term Guarantee – LTG) entwickelten die intendierte antizyklische Wirkung. „Der Rückgang der Solvenzquoten wäre für die deutschen Teilnehmer verkraftbar“, schließt Grund aus den Ergebnissen. „Die Versicherer zeigen sich insgesamt krisenfest.“

Neu: Liquiditätsbetrachtung

Der Gesamteindruck wird also auch von den Ergebnissen der deutschen Teilnehmer untermauert. Die deutschen Versicherungsunternehmen, die in den Test einbezogen waren, verfügten im angenommenen Stress-Szenario über genügend liquide Mittel zur Deckung des Liquiditätsbedarfs, so ein weiteres Ergebnis. Denn zum ersten Mal gab es beim EIOPA-Stresstest auch eine Liquiditätsbetrachtung. Daran waren 117 Unternehmen beteiligt. So wird den betrachteten europäischen und deutschen Unternehmen der Versicherungsbranche eine grundsätzliche Robustheit bescheinigt.

Schwachstellen

Petra Hielkema, Vorsitzende der EIOPA sagte zu den Ergebnissen: „Der Stresstest hat gezeigt, dass europäische Versicherer ihre finanzielle Gesundheit selbst inmitten harter ökonomischer Bedingungen beibehalten können. Ich freue mich, dass die Teilnehmer zu keinem Zeitpunkt von einer Post-Stress-Vermögenslage berichteten, in der die Verpflichtungen der Versicherer gegenüber Versicherungsnehmern gefährdet gewesen wären.“ Hielkema kritisierte jedoch: „Unter der Oberfläche dieser positiven Ergebnisse gibt es aber oft eine starke Abhängigkeit von den Übergangsmaßnahmen, die 2032 auslaufen werden. In den kommenden Monaten werden wir unsere Aufmerksamkeit diesen Schwachstellen widmen, die durch den Test aufgezeigt wurden. Wir werden auch an Gesetzgeber appellieren, die Offenlegung von individuellen Ergebnissen als gesetzliche Anforderung in Betracht zu ziehen.“ (lg)

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Nur ein Zahlenvergleich? Bewertung von Direktversicherungstarifen

2022 sinkt der Garantiezins für Lebensversicherungen. Dies führt voraussichtlich aber nicht zum üblichen Jahresendgeschäft zur Sicherung des bisherigen Garantiezinses. Denn im Markt haben sich längst neue bAV-Direktversicherungstarife durchgesetzt, bei denen der Garantiezins eine untergeordnete Rolle spielt.

Ein Artikel von Markus Keller, Geschäftsführer der febs Consulting GmbH

Mit einem Garantiezins von 0,25% lassen sich Beitragsgarantien aufgrund der Kosten innerhalb eines Tarifs praktisch nicht mehr darstellen. Daher werden bei Direktversicherungen nur mehr beitragsorientierte Leistungszusagen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) eingesetzt, die nach der wohl vorherrschenden Meinung auch Leistungen unterhalb der eingezahlten Beiträge ermög­lichen. Das führt dazu, dass zum Beispiel 90% oder gar nur mehr 55% der eingezahlten Beiträge als Garantiekapital bei Rentenbeginn zugesagt werden.

In Verbindung mit dem sinkenden Garantieniveau werden meist fonds- bzw. indexgebundene Tarife eingesetzt. Aufgrund der Besonderheiten indexgebundener Tarife beziehen sich nachfolgende Ausführungen nur auf fondsgebundene Tarife. Dabei nutzt man in der Regel Hybridmodelle mit zwei oder auch mehr „Töpfen“, in denen die Beiträge angelegt werden. Dabei dient Topf eins der sicheren Anlage, um die Garantieleistungen erbringen zu können. Topf zwei wiederum soll durch eine kapitalmarktnahe Anlage wie einen Fonds, ein Sondervermögen etc. für eine auskömmliche Rendite sorgen.

Vorbei die guten alten Zeiten des reinen Zahlenvergleichs

Ein Vergleich klassischer Tarife ist zumindest hinsichtlich der Altersleistungen einfach: Auf Basis des Garantiezinses, der Überschüsse und der Kosten sowie weitere Berechnungsparameter ergeben sich Garantie- und Gesamtleistungen, die man unter sonst gleichen Bedingungen vergleichen kann bzw. konnte. Beim Angebotsvergleich von fondsgebundenen Hybridmodellen hingegen spielen viele weitere, auch qualitative Punkte eine wichtige Rolle.

Garantieniveau und -leistungen

Auch bei neuen Tarifen sind zunächst das Garantieniveau bzw. die sich daraus ergebenden Garantieleistungen (Kapital und Rente) von Interesse. Da jedoch die Garantieleistungen lediglich den „Worst Case“-Fall darstellen, sollte vielmehr darauf geachtet werden, wie bei späterem Rentenbeginn das Gesamtkapital in eine Rente umgerechnet wird. Dies hängt vom verwendeten Rentenfaktor ab (= monatliche Rente aus 10.000 Euro Kapital). Manche Anbieter garantieren auskömmliche Faktoren, andere hingegen gar keine bzw. absurd niedrige. In diesen Fällen besteht das Risiko, dass sich trotz eines hohen Gesamtkapitals bei Rentenbeginn eine niedrigere Rente ergibt als bei Mitbewerbern. Abseits der Zahlen gilt: Ein niedrigeres Garantieniveau muss nicht zwingend nachteilig sein, da dann größere Beitragsteile in die kapitalmarktnahe Anlage fließen sollten. Je länger die Vertragslaufzeit, desto vorteilhafter sollte sich ein niedrigeres Garantieniveau auswirken. Für kurze Vertragslaufzeiten (bis ca. zehn Jahre) muss in der Regel ohnehin ein klassischer Tarif genutzt werden.

Sichere Anlage

Um die Garantien erfüllen zu können, fließt ein Teil der Beiträge ins klassische Sicherungsvermögen des Versicherers und nicht in die kapitalmarktnahe Anlage. Dieser „Motor“ kann anhand der üblichen Kriterien bewertet werden: Versichererkennzahlen zur Einschätzung der Finanzkraft, deklarierte Überschüsse der letzten Jahre inkl. Bewertungsreserven und Schlussüberschüsse.

Fonds-/Kapitalmarktnahe Anlage

Beim Vergleich der Fonds – sowohl aktiv gemanagte als auch passive ETFs – bzw. kapitalmarktnahen Anlage wie zum Beispiel Sondervermögen innerhalb eines Fondstarifs eröffnet sich ein eigenes Vergleichsuniversum. So setzt eine Beurteilung von Fonds tiefer gehende Anlagekenntnisse voraus: Um welche Anlageklasse handelt es sich? Gibt es einen längerfristigen „Track Record“ zu Renditen und Volatilität bei konstantem Fondsmanagement? Handelt es sich um ein klar definiertes Anlagekonzept? Wie sehen die Fondskennzahlen aus wie etwa Sharpe Ratio, Information Ratio, griechische Buchstaben? Sind vergleichbare Fonds besser? Hier gilt es, in die einschlägigen Fondsdokumente einzutauchen. Zwar kann auch daraus nicht die zukünftige Wertentwicklung abgeleitet werden. Aber es geht auch mehr darum, sagen zu können, welche Wertentwicklung man – positiv wie negativ – mit ziemlicher Sicherheit nicht erwarten kann.

Kosten

Zwar mag die Wertentwicklung unbekannt sein, die Kosten sind es nicht! Je höher die Kosten – wie etwa Abschlusskosten in % der Beitragssumme, Verwaltungskosten in % der Beiträge bzw. des Deckungskapitals etc. –, desto höher muss die Wertentwicklung ausfallen, um diese Kosten zu rechtfertigen. Auch der Vergleich von Fondskosten fördert große Unterschiede zutage: So haben auch in fondsgebundenen Tarifen vielfach schon ETFs Einzug gehalten, die durch niedrige Kosten und transparente (Index-)Anlage punkten.

Gesamtleistungen

Schlussendlich ergeben sich aus angenommener Wertentwicklung und den Kosten auch bei fondsgebundenen Tarifen Gesamtleistungen, die unter sonst gleichen Bedingungen verglichen werden können. Dabei berücksichtigen Versicherer in der Regel mehrere Wertentwicklungsszenarien, zum Beispiel 1%, 3% oder 6% pro Jahr. Die banale Frage, die aber oft schwer zu beantworten ist: Macht die Angabe der Gesamtleistungen unter Berücksichtigung einer bestimmten Wertentwicklung Sinn? 6% per annum in Verbindung mit Geldmarkt- oder Rentenfonds beispielsweise darf man wohl getrost als unrealistisch bezeichnen und bei Vergleichen aussortieren. Und worauf bezieht sich die angegebene Verzinsung: auf beide Töpfe oder nur den kapitalmarktnahen? Rendite vor oder nach Kosten? Exakt vergleich­bare Angebote sind meist gar nicht zu bekommen.

Tarifgestaltung

Ebenfalls rein qualitativer Art ist die Beurteilung der Tarifgestaltung. So finden etwa bei dynamischen Hybridmodellen zwischen den „Töpfen“ Umschichtungen statt, die von einem Algorithmus gesteuert werden. Dies kann im schlimmsten Fall zu „Lock-in-Effekten“ führen: Bei Marktverwerfungen wird das Vertragsguthaben in den sicheren Topf umgeschichtet, in dem man dann hängen bleibt. Statische Modelle, bei denen es nicht oder nur in fest definierten Fällen zu Umschichtungen kommt, sind dagegen transparenter.

Zusätzliche Dienstleistungen

Gerade aus Arbeitgeber-, aber auch aus Vermittler- bzw. Beratersicht werden zusätzliche Dienstleistungen von Interesse sein. Gibt es beispielsweise standardisierte Schnittstellen zu Online-Plattformen? Können die üblichen Unterlagen auch ausschließlich digitalisiert übermittelt werden? Sind Online-Tools für Musterberechnungen verfügbar? Kann eine Microsite ins Intranet eingebunden werden? Obgleich diese Punkte mit den späteren Leistungen nichts zu tun haben, können sie das berühmte „Zünglein an der Waage“ sein.

Ein Quäntchen Glück kann nie schaden!

Selbst bei mit größter Sorgfalt ausgeführten Tarifvergleichen bleiben leider Unschärfen: Es mangelt in der Praxis an Aussagen der Ver­sicherer zur Wahrscheinlichkeitsverteilung der diversen Wertentwicklungsszenarien. Was bringen Leistungsangaben auf Basis einer Wertentwicklung von 6% p. a., wenn diese nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit nicht erwartet werden kann? Hier wäre es sehr hilfreich, es gäbe beispielsweise auf Basis von Simulationsberechnungen Verteilungskurven zur erwarteten Rendite. Denn viele Arbeitnehmer sind von der tatsächlichen Wertentwicklung fondsgebundener Direktversicherungen enttäuscht. Entweder zu Recht oder auch deshalb, weil allein aufgrund des Worts „fondsgebunden“ unrealistische Renditen erwartet wurden.

2022: Das Jahr der Angebotsvergleiche

Da die Versicherer die BZML sukzessive abschaffen und zudem reihenweise neue Tarife lancieren, steht für viele Arbeitgeber die Auswahl neuer Tarife an, zum Beispiel auch – vergleichsweise neu – bei rückgedeckten Unterstützungskassen. Es gibt also auch im nächsten Jahr noch viel zu tun in der bAV!

Diesen Artikel lesen sie auch in AssCompact 12/2021, S. 38 f., und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Markus Keller

Nachhaltigkeit und bAV: Der richtige Einstieg für Vermittler

Nachhaltigkeit ist der große Trend, vor allem auch in der Altersvorsorge. Gerade in der bAV bietet sich Vermittlern beim Thema nachhaltige Betriebsrente viel Vertriebspotenzial, denn die Zielgruppe ist groß. Doch was macht eine Betriebsrente überhaupt nachhaltig und wie kann der Einstieg für Vermittler gelingen?

Von Dr. Henriette Meissner, Generalbevollmächtigte bAV Die Stuttgarter und Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH und Per Protoschill, Prokurist und Leiter Vertriebsunterstützung bAV der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH

Nicht erst seit dem Bundestagswahlkampf und den anschließenden Sondierungsgesprächen ist das Thema „Nachhaltigkeit“ einer DER Megatrends. Auch die betriebliche Altersversorgung (bAV) bleibt aus Sicht der möglichen künftigen Bundesregierung zentral und „wichtig für ein gutes Leben im Alter“. Vermittler sind bei der Beratung und Einrichtung von betrieblichen Versorgungssystemen ein wichtiger Erfolgsfaktor und genießen bei ihren Firmenkunden hohes Vertrauen. Und da sich spätestens seit der verpflichtenden Anwendung der Transparenzverordnung auch Vermittler mit dem Thema Nachhaltigkeit hinsichtlich Anbieter- und Produktauswahl und dem eigenen Betrieb beschäftigen müssen, stellt sich die Frage, wie der Einstieg in eine nachhaltige betriebliche Altersversorgung gut gelingen kann.

Nachhaltigkeit in aller Munde

Alle wollen „Nachhaltigkeit“ – von UN über EU-Kommission bis hin zu den nationalen politischen Handlungsträgern. Bei allen sind mehr oder weniger konkret formulierte Pläne hin zu nachhaltigem Wirtschaften zu finden. Auch die Wirtschaft hat – teilweise auch schon länger – den Megatrend erkannt. Und nicht zuletzt sind es die Verbraucher, die sich in vielen Bereichen ihres Lebens mehr Nachhaltigkeit wünschen.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Risiken wie der Klimawandel sind eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Doch was ist genau unter „Nachhaltigkeit“ zu verstehen? Eine einheitliche Definition ist bis heute nicht auszumachen. Immerhin gibt es zum Beispiel durch die Taxonomie-­Verordnung der EU Anhaltspunkte, was unter nachhaltigem Wirtschaften zu verstehen ist.

Gleichzeitig ist mit dem Green Deal der EU ein Plan formuliert, nach dem Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden soll. Ein Erfolgsfaktor dafür ist es, Kapital in nachhaltige Anlagen umzulenken – also Anlagen, die einen positiven Beitrag nach den sogenannten ESG-Kriterien leisten. Die Bezeichnung ESG steht für: E(nvironment) – Umwelt, S(ocial) – Soziales und G(overnance) – (gute) Unternehmensführung. Diese Nomenklatur ist auf jeden Fall hilfreich, sich einer Begriffsdefinition für Nachhaltigkeit zu nähern.

Nach den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung sind Tätigkeiten wirtschaftlichen Handelns dann als nachhaltig anzusehen, wenn sie positiv auf eines oder mehrere dieser Ziele wirken. So ist etwa wirtschaftliches Handeln, das die Gefahr von Altersarmut vermindert, nachhaltig. Gleiches gilt, wenn dadurch finanzielle Gleichstellung von Männern und Frauen gefördert wird.

Nachhaltige Betriebe bieten nachhaltige Betriebsrenten

Wenn ein Altersvorsorgeprodukt nachhaltig ist oder als nachhaltig beworben wird, muss für den Kunden klar erkennbar sein, warum das so ist und wie genau das funktioniert. So gibt die Transparenzverordnung je nach Produktausgestaltung verschiedene Anforderungen an entsprechende Informationen zur Nachhaltigkeit vor.

In der Praxis bedeutet das für die Produktanbieter unter anderem, dass Aussagen zur Kapitalanlage zu treffen sind, die im Rahmen des Produktes vorgenommen wird. Darüber hinaus sind (vorvertrag­liche) Informationen bzw. auf der Internetseite des Unternehmens zum Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit und zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken auf Unternehmensebene zu geben.

Auf diese Weise sollen Vermittler und ihre Kunden in die Lage versetzt werden, die Nachhaltigkeit von Unternehmen und ihren jeweiligen Altersvorsorgeprodukten zu bemessen.

Power-Formel für eine nachhaltige Betriebsrente: ESG3

Doch was genau macht dann eine Betriebsrente zu einer „nachhaltigen“ Betriebsrente? Die Antwort darauf liefert die Power-Formel für die nachhaltige Betriebsrente – und die ist gleich dreifach nachhaltig. Die Nachhaltigkeit einer Betriebsrente kommt in mehreren Dimensionen zum Ausdruck:

  • ESG1 = Die Einrichtung einer Betriebsrente ist sozial, denn die Belegschaft erhält mehr soziale Sicherheit.
  • ESG2 = Eine Betriebsrente mit freiwillen Zuschüssen des Unternehmens erhöht die soziale Absicherung der Beschäftigten.
  • ESG3 = Zusätzlich nachhal­tige Kapitalanlage der Betriebsrente wirkt auf alle drei Aspekte E-S-G positiv.

So ist eine Betriebsrente ein soziales und damit nachhaltiges Handeln des Arbeitgebers, denn er unterstützt die Belegschaft beim Aufbau einer zusätzlichen und geförderten Altersversorgung, zum Beispiel im Rahmen einer Entgeltumwandlung. Darüber hinaus kann das Unternehmen zusätzliche Verantwortung übernehmen, indem es sich an der Finanzierung der Betriebsrente beteiligt. Dieses Engagement zahlt auf die Dimensionen „sozial“ und „unternehmerische Verantwortung“ (Governance) ein. Und schließlich können durch ein nachhaltiges Finanzierungsinstrument für die Betriebsrente weitere Nachhaltigkeitsziele wie sauberes Wasser und Energie, Maßnahmen zum Klimaschutz und menschenwür­dige Arbeit gefördert werden.

Der richtige Einstieg für Vermittler

Durch die Transparenzverordnung können sich Vermittler heute schon positiv beim Thema Nachhaltigkeit positionieren, etwa bei der Auswahl nachhaltig tätiger Unternehmen und entsprechender Produkte. Unterstützung dabei liefern Produktbeschreibungen und Unternehmensinformationen der Anbieter. Rating-Institute untersuchen zunehmend Unternehmen und Produkte in Bezug auf Nachhaltigkeit. Nützlich für Vermittler ist der ESG-Finder der Brancheninitiative Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung (branchen-initiative.de), bei der Die Stuttgarter eines der Gründungsmitglieder ist. Vermittler als erster Ansprechpartner für die passgenaue Eindeckung von Vorsorge­lösungen ihrer Kunden können nachhaltige Umsetzungen durch gezielte Fragen maßgeschneidert einbinden.

Fragen zur Einrichtung einer dreifach nachhaltigen Betriebsrente:

  • Wollen Sie Ihr Unternehmen mit einer Betriebsrente nachhaltig ausrichten?
  • Wollen Sie Ihre Betriebsrente positiv gegenüber Ihrer Belegschaft, Kunden und Anteilseignern darstellen, etwa im Rahmen der CSR-Berichterstattung?
  • Wollen Sie Ihr nachhaltiges Engagement bei der Betriebsrente gegenüber Ihrer Belegschaft dokumentieren, zum Beispiel mit einem jährlichen Anlagebericht und einem Zertifikat für die Arbeitnehmer?
  • Wollen Sie bei Ihrer Personalsuche besonders punkten, weil Sie sich glaubwürdig als nachhaltiges Unternehmen positionieren und eine nachhaltige Betriebsrente anbieten?

Die GrüneRente der Stuttgarter hat sich dabei als Produkt seit 2013 bereits vielfach im Einsatz bei der nachhaltigen bAV bewährt. Nützliche Tipps für die Umsetzung einer nachhaltigen bAV finden Vermittler auf www.bavheute.de und gruenerleben.stuttgarter.de.

Mit der geplanten Überarbeitung der Vertriebsrichtlinie IDD im Jahr 2022 ist außerdem zu erwarten, dass die Kundenwünsche in Bezug auf Nachhaltigkeit im Rahmen der Zielmarktbestimmung und der Geeignetheitsprüfung im Beratungs­prozess für Vermittler explizit abzufragen und zu dokumentieren sind. Dies kann letztlich dazu beitragen, dass die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden selbstverständlich mit beraten werden. Bleibt zu hoffen, dass Versicherern und Vermittlern bis dahin auch entsprechende detaillierte Umsetzungsvorgaben gemacht werden und so Nachhaltigkeit in einem sicheren Rahmen gefördert werden kann.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2021, S. 46 f., und in unserem ePaper.

Bild: © peterschreiber.media – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Henriette Meissner
Per Protoschill