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22. Dezember 2016
„Eine Verbesserung der bestehenden bAV wäre sinnvoller“

„Eine Verbesserung der bestehenden bAV wäre sinnvoller“

Der Referentenentwurf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz trägt einige Neuerungen in sich. Mittlerweile hat auch das Bundeskabinett den Entwurf auf den weiteren Weg gebracht. AssCompact hat bei Fabian von Löbbecke nachgefragt, wie die Reformpläne zu bewerten sind und was diese für Versicherer und Vermittler bedeuten.

Herr von Löbbecke, waren Sie nach all den Diskussionen vom Entwurf für das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz überrascht?

Nein, ich war nicht wirklich überrascht. Der Referentenentwurf entspricht in weiten Teilen dem, was zur „Nahles-Rente“ schon seit Mitte 2016 in der öffentlichen Diskussion ist. Seitdem liegen auch diverse Kritikpunkte auf dem Tisch. Ich hätte mir gewünscht, dass diese Rückmeldungen im Referentenentwurf besser berücksichtigt worden wären. Allgemein gesprochen: Es wäre sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber sinnvoller, die bestehende bAV zu verbessern als sie durch ein Parallelsystem mit eigenen Regeln noch komplizierter zu machen.

Höhere Zuschüsse und Freibeträge für Geringverdiener dürften grundsätzlich Gefallen finden. Hätte man hier noch weiter gehen können?

Absolut. Eine echte Reform der bAV wäre es zum Beispiel gewesen, wenn die Regierung die volle Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung für Betriebsrentner zurückgenommen hätte. Oder wenn die Anrechnung von Betriebsrenten auf die Grundsicherung gefallen wäre. Die steuerliche Förderung hätte vereinheitlicht werden können, damit man als Arbeitnehmer nicht verschiedene Formen der bAV kombinieren muss, um die maximale staatliche Förderung zu erhalten.

Ein Sozialpartnermodell soll nun kommen. Dort soll eine reine Beitragszusage gelten, ohne Garantie der Rentenhöhe. Wie könnte eine solche Zielrente gestaltet sein?

Ich finde die Idee der Zielrente grundsätzlich gut. Bei diesem Modell gibt es eine feste Beitragszusage; die spätere Leistung wird jedoch nicht verbindlich festgelegt, sondern nur gewissenhaft geschätzt. Da Beitragszusagen mit garantierter Mindestleistung in Zeiten von Nullzinsen immer schwerer darzustellen sind, könnten Zielrenten ein guter Mittelweg sein. Allerdings sollte sie nicht nur dem Sozialpartnermodell vorbehalten bleiben, sondern auch der bewährten bAV offen stehen.

Das neue Modell wird damit zur Konkurrenz zu den bestehenden bAV-Durchführungswegen. Dort würden dann wie Sie auch schon angesprochen haben weiter die Garantiemodelle gelten. Sie selbst könnten sich Beitragsgarantien zwischen 80 und 90% vorstellen. Wie lässt sich das alles einordnen?

Der Trend geht eindeutig hin zu flexibleren Garantien. 100% Beitragsgarantie macht einfach keinen Sinn mehr. Nicht weil wir sie als Versicherer nicht wollen, sondern weil Garantien – gerade im heutigen Kapitalmarktumfeld – zulasten der Rendite gehen. Wir Deutsche müssen umdenken. Die Bürger müssen bereit sein, risikoreicher anzulegen. Wer weiterhin nur auf Sicherheit setzt, wird im Alter mit Sicherheit zu wenig haben. Wir müssen bereit sein, unsere Kapitalanlagen breiter zu streuen und nicht nur auf Garantieprodukte zu bauen. Wer sowohl auf Aktien als auch auf Anleihen, Immobilien und alternative Investments setzt, wird auch künftig eine auskömmliche Rendite erzielen.

Welche Lösungen könnte die Versicherungswirtschaft für das Sozialpartnermodell beitragen?

Etablierte und erfahrene bAV-Anbieter wie HDI könnten im Sozialpartnermodell sogar eine Schlüsselrolle einnehmen. Denn wir besitzen, anders als andere Akteure, langjährige Expertise in der Entwicklung von Vorsorgeprodukten, in der Kapitalanlage und in der Verwaltung lebenslanger, kundenindividueller Versicherungskonten. Die Spielregeln für Produkte im Sozialpartnermodell wären natürlich vollkommen neu: eigene Kalkulationsgrundlagen, keine Garantien, besondere Anlagevorschriften, um nur einige Stichworte zu nennen. Hier kommt uns zugute, dass wir im Lauf der Jahre schon so manche Systemänderung erfolgreich umgesetzt haben. Kurzum: Als HDI können wir die Anforderungen des Sozialpartnermodells grundsätzlich erfüllen. Wir finden dieses Geschäft interessant und sind bereits in Gesprächen mit potenziellen Partnern.

Gehen die geplanten Vorschläge – insbesondere das Sozialpartnermodell – zulasten von Vermittlern und im Speziellen von Versicherungsmaklern?

Ja und nein. Vordergründig betrachtet erfordert eine Lösung, die keine Kundenberatung vorsieht, auch keinen Vermittler. Aber: Vorsorgeprodukte haben sich noch nie „von selbst“ verkauft. Ich bezweifle, dass sich das ändert, nur weil künftig ein Sozialpartnermodell hinter dem Produkt steht. Die „Nahles-Rente“ wird, dem Referentenentwurf nach zu urteilen, nicht einfacher, sondern sogar komplizierter als die bisherige bAV. Deshalb erfordert sie eher mehr Beratung als weniger. Und Beratung, die etwas taugt, kostet auch Geld. Ein Opting-out könnte helfen, allerdings nur begrenzt. Denn ohne aktive Beratung würde die Mehrheit der Arbeitnehmer wohl lediglich den Mindestbetrag sparen. Aber nur wer seine Versorgungslücke kennt, kann sie schließen. Meine persönliche Prognose: Auch in Zeiten der „Nahles-Rente“ wird qualifizierte bAV-Beratung unverzichtbar bleiben.

Die Reform soll 2018 umgesetzt werden, die Diskussionen werden weitergehen. Für das nächste Jahr steht die Rechnungszinssenkung an. Was erwarten Sie sich vom Jahr 2017 in Sachen bAV?

Zunächst einmal bin ich gespannt, wie sich die Diskussion über den Referentenentwurf entwickelt und was in der Praxis dann tatsächlich passiert. Die Gewerkschaftsvertreter diskutieren zum Beispiel sehr kontrovers über den vollständigen Verzicht auf Garantien. Die Haltung der Arbeitgeber wird sicherlich beeinflussen, welche Kosten der Sicherungsbeitrag letztlich auslöst. Wir als HDI erwarten positive Impulse für unser bAV-Geschäft. Einerseits könnten wir beim Sozialpartnermodell, wie beschrieben, kräftig mitmischen. Andererseits muss man bedenken, dass nur 15% aller Unternehmen tarifgebunden sind und nur 45% der Arbeitnehmer unter dem Dach eines Tarifvertrags arbeiten. Ich vermute, dass das Sozialpartnermodell auch dort, wo es nicht gilt, Begehrlichkeiten und Nachholbedarf auslösen wird. Um diese Nachfrage bedienen zu können, schärfen wir unser Produktportfolio für 2017 nochmals nach. Der Trend geht weiterhin zu kapitalmarktorientierten Lösungen, die gleichzeitig sicher sind und hohe Renditechancen bieten.

Interview mit Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender der Talanx Pensionsmanagement und verantwortlich für bAV bei HDI