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14. September 2018
„Nachhaltige Kapitalanlage ist weniger Trend oder Mode als ein Grundsatz“

„Nachhaltige Kapitalanlage ist weniger Trend oder Mode als ein Grundsatz“

Nachhaltige Kapitalanlagen verzeichnen seit Jahren überdurchschnittliches Wachstum. Gottfried Baer, Geschäftsführer der MehrWert GmbH, sieht darin mehr als einen kurzen Trend. Allerdings sollte Nachhaltigkeit in der Kapitalberatung kein reines Mittel zum Zweck sein, sondern aus einer ehrlichen eigenen Überzeugung heraus vollzogen werden.

Herr Baer, ist nachhaltige Kapitalanlage ein nachhaltiger Anlagetrend oder nur eine Mode?

Nachhaltige Geldanlage ist eine Einstellungssache. Immer mehr Menschen machen sich Gedanken über unsere ressourcenverbrauchende Lebensart, Klimaveränderungen, die Plastikhalden im Meer, ungesundes Essen usw. Vor allem die jüngere Generation setzt aus Überzeugung auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Wir spüren das auch in den Anfragen bzw. in den Beratungen sehr konkret. Vor allem junge Menschen haben eine klare Einstellung. Sie haben den Wunsch, auch durch die Geldanlage und Altersvorsorge zu einer lebenswerteren Welt beizutragen. Das ist weniger als Trend oder Mode zu sehen, sondern ist ein Grundsatz für das Handeln.

Worauf ist bei der nachhaltigen Kapitalberatung zu achten?

Es gibt eine Vielzahl von nachhaltigen Anlagen und ständig kommen auch neue hinzu. Das gilt für aktive und passive Fonds wie ETFs sowie für viele Beteiligungsformen wie etwa Nachrangdarlehen, Anleihen, Beteiligungen, Private Placements. Hinsichtlich ihrer tatsächlichen Nachhaltigkeitskriterien sollten vor allem Investmentfonds genauer angesehen werden. Viele Fonds weisen nur relativ weiche Nachhaltigkeitskriterien aus und fallen schon deshalb durch unser Raster. Zudem sind die ökonomischen und administrativen Kennzahlen dieser Fonds von hoher Relevanz. Auch hier fallen viele nachhaltige Fonds durch, da sie im Vergleich schlechte Werte aufweisen. Wir arbeiten mit maximal 50 nachhaltigen Investmentfonds, die unseren Anspruch in den genannten Punkten erfüllen.

Wie sieht es bei anderen Anlageformen aus?

Bei Beteiligungen, Nachrangdarlehen, Anleihen usw. ist zu raten, dass man sich den Anbieter ganz genau ansieht. Da die Anlagen häufig ein Emittentenrisiko in sich bergen, sollte die Auswahl der Anbieter sehr sorgfältig erfolgen.

Welche nachhaltigen Investments sind derzeit interessant?

Die Frage ist zunächst immer, welche Anlage zu den Vorstellungen, zur Lebenssituation und zu der Anlegermentalität des Mandanten passt. Diese Aspekte sollten erst einmal die entscheidenden Kriterien für die Auswahl einer nachhaltigen Anlage sein. Dementsprechend, kommen dann für die Umsetzung aktuell vor allem vier nachhaltige Investments infrage.

Welche sind das?

Unter anderem die nachhaltige Vermögensverwaltung. Sie ist für den Mandanten wie auch für den Berater sehr bequem und gleichzeitig professionell. Dabei kann zwischen einer reinen Depotlösung und einem Versicherungsmantel gewählt werden. Zweitens Mikrofinanzfonds: Sie weisen kaum eine Korrelation zu Aktien- und Zinsmärkten auf. Zudem besitzen sie eine Volatilität von ca. 0,6% und eine Wertentwicklung von 1 bis 2% pro Jahr. Außerdem ist die nachhaltige Wirksamkeit sofort spürbar durch das hohe soziale Engagement.

Welche anderen beiden nachhaltigen Anlagen sind interessant?

Direktinvestments in Solaranlagen. Bei ihnen ergibt sich ein Rückfluss zwischen 6% und 7% pro Jahr. Rein eigenkapitalfinanzierte Beteiligungen aus einem Gemisch von Solar und Wind aus dem Zweitmarkt sind ebenfalls interessant. Sie weisen eine relativ hohe Sicherheit bei Ertragserwartungen um die 5% pro Jahr auf.

Unterscheidet sich die nachhaltige von „normaler“ Kapitalanlageberatung?

Wir stellen fest, dass wir nicht in regelmäßigen Abständen eine neue „Rendite-Sau“ durchs Dorf treiben müssen, weil wir vielleicht nichts anderes zu erzählen haben. Über den sinnstiftenden Faktor der Nachhaltigkeit bei Geldanlagen unterscheidet sich die Beratung schon ein ganzes Stück. Aus diesem Blickwinkel erhalten nachhaltige Geldanlagen für den Mandanten einen zusätzlichen echten Mehrwert. In der Beratung an sich gelangt es dem Berater zum Vorteil, wenn er ökologische und soziale Nachhaltigkeit mit einbringen kann. Allerdings sollte es kein Mittel zum Zweck sein, sondern eine ehrliche eigene Überzeugung beinhalten. In den Grundlagen der Geldanlageberatung und der Portfoliostrategien wie etwa taktischer und strategischer Allokationen unterscheidet sich die nachhaltige Kapitalanlageberatung allerdings nicht von der konventionellen.

MehrWert setzt auf nachhaltige Vermögensverwaltung auf Fondsbasis. Warum diese Form der Anlage?

Das hat mehrere gute Gründe. Erstens die Regulatorik: Es ist heute betriebswirtschaftlich bedenklich, Kundendepots noch mit Einzelfonds zu führen, da bei jeder Veränderung Protokolle notwendig sind. Zweitens die Professionalität: Bei Einzelfondsdepots sind Veränderungen über die gesamte Kundengruppe kaum möglich. Der Tausch eines Fonds, der sich beispielsweise bei 50 Kunden im Depot befindet, ist betriebswirtschaftlich nicht mehr möglich, da mit jedem einzelnen Kunden gesprochen und protokolliert werden muss. Drittens die Einfachheit: Die Auswahl von Fonds durch unser Filtersystem aus über 400 nachhaltigen Fonds am Markt ist nachvollziehbar und klar. Jeder Berater und Kunde tut sich damit einen Gefallen, da sehr viel an Komplexität dadurch genommen ist.

Wie sinnvoll ist es, sich als Berater und Vermittler ausschließlich auf nachhaltige Kapitalanlagen zu konzentrieren?

Diese Frage würde ich gerne noch auf den gesamten Markt der nachhaltigen Finanzthemen erweitern, da es auch nachhaltige Altersvorsorgeprodukte usw. gibt. Heute gilt es mehr denn je, sich vom Markt zu differenzieren und sich zu spezialisieren. Ansonsten sind Berater sofort austauschbar. Wir machen die Erfahrung, dass uns unsere klare Marktpositionierung in Sachen nachhaltiger Finanzgestaltung eindeutige Vorteile bietet. Wir treten nicht als „Ökos“ auf. Wir verbinden den Anspruch professioneller moderner Finanzdienstleistung mit dem logischen Selbstverständnis der klaren nachhaltigen Finanzprodukte. Unsere Mandanten erleben es als deutlichen Mehrwert, dass sie wertekongruent anlegen oder vorsorgen können und hierbei einen vom Herzen überzeugten professionellen Berater am Tisch haben.

Wie wichtig ist der Einsatz von professionellen Beratern für den Vertrieb nachhaltiger Kapitalanlagen?

In der Beratung und im Vertrieb generell geht es ohne professionelle Berater gar nicht mehr. Wer heute Menschen erreichen und gewinnen will, muss den Menschen mit Stil, Wissen, ethischen Werten und Empathie begegnen. Das hat erst mal nichts mit ökologischer und ethischer Nachhaltigkeit zu tun. Grundsätzlich ist es die Entscheidung der Führungsmannschaft eines Beratungsunternehmens, mit welcher Qualität in der Beratermannschaft gearbeitet werden soll. Die Frage ist doch, wen man als Kunden für sein Unternehmen gewinnen will.

Sind nachhaltige Geldanlagen nicht dennoch auf einen kleinen Kundenteil begrenzt?

Wenn wir mit Mandanten über ihre bisherigen Anlagen sprechen, ergibt sich oft die Situation, dass vielen in der Regel gar nicht bewusst ist, welche Aktien ihre Fonds halten. Es sind unter anderem Titel von Rüstungsunternehmen, von Suchtmittelherstellen, von den großen Erdölproduzenten oder von Firmen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren. Diese Erkenntnis führt häufig dazu, dass kaum jemand in solche Unternehmen tatsächlich investiert sein will, geschweige denn diese mitfinanzieren möchte. Die Folge ist dann meist die Frage: Gibt es so etwas auch ohne kritische Titel?

Ist Nachhaltigkeit auch in anderen Bereichen wie etwa der betrieblichen Altersvorsorge umsetzbar?

Ja, sogar sehr gut. Wir haben uns deshalb mit einem eigenen Bereich in unserem Unternehmen darauf spezialisiert und bieten die Akquise von entsprechenden Unternehmen über die fachliche Unterstützung in der Zentrale sowie, wenn nötig, ein Beratungsteam dafür an. Berater erhalten damit einen ganzheitlichen Rahmen für die Beratung nachhaltiger Unternehmen. Mit dem Einsatz von ausgewählten grünen Altersvorsorgetarifen zeigen Arbeitgeber ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihrer Belegschaft und setzen Zeichen. Uns macht es sehr viel Freude, zukunftsorientierte Unternehmer dabei professionell zu unterstützen. Und von diesen gibt es viele.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2018, Seite 72 f.

 
Ein Artikel von
Gottfried Baer