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19. Januar 2015
Abschaffung des Rentnerprivilegs ist verfassungskonform

Abschaffung des Rentnerprivilegs ist verfassungskonform

Die Abschaffung des sogenannten Rentnerprivilegs im Rahmen der Strukturreform des Versorgungsausgleichs ist verfassungsgemäß. Auf einen entsprechenden Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einer Pressemitteilung hingewiesen. Gemäß dem Rentnerprivileg wurden Kürzungen des Ruhegehalts des ausgleichspflichtigen Ehegatten aufgrund des Versorgungsausgleichs erst zu dem Zeitpunkt vollzogen, in dem der durch den Versorgungsausgleich berechtigte Ehegatte seinerseits eine Rente bezog.

Im Streitfall bezieht der im März 1956 geborene Beschwerdeführer seit April 2009 Ruhegehalt nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Seine im April 1958 geborene Ehefrau ist als Arzthelferin berufstätig. Die im Februar 1978 geschlossene Ehe des Beschwerdeführers wurde im Jahr 2011 geschieden. Zugleich wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt. Jeweils im Wege der internen Teilung wurde zulasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Anrecht für den Beschwerdeführer und zulasten des Anrechts des Beschwerdeführers bei der Wehrbereichsverwaltung West ein Anrecht für die Ehefrau begründet. Die Wehrbereichsverwaltung West kürzte das Ruhegehalt des Beschwerdeführers um monatlich 977,76 Euro. Im Hinblick auf den vorgezogenen Ruhestand des Beschwerdeführers und in Anbetracht der Tatsache, dass er aus dem ihm übertragenen Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung noch keine Rente erhalten kann, setzte das Amtsgericht die Kürzung der Versorgungsbezüge des Beschwerdeführers gemäß §§ 35 und 36 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) in Höhe von 278,98 Euro teilweise aus. Aufgrund der Verpflichtung des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau nachehelichen Unterhalt zu zahlen, setzte das Amtsgericht die Kürzung gemäß §§ 33, 34 VersAusglG ab März 2011 in Höhe von (weiteren) 350 Euro monatlich aus, lehnte einen weitergehenden Antrag auf vollständige Aussetzung der Kürzung aber ab. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die zugrunde gelegte Rechtslage – Abschaffung des sogenannten Rentnerprivilegs im Rahmen der Strukturreform des Versorgungsausgleichs – nicht verfassungskonform ist und Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Hintergrund

§ 55c Abs. 1 S. 2 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung bestimmte, dass Kürzungen des Ruhegehalts des ausgleichspflichtigen Ehegatten aufgrund des Versorgungsausgleichs erst zu dem Zeitpunkt vollzogen wurden, in dem der durch den Versorgungsausgleich berechtigte Ehegatte seinerseits eine Rente bezog und dadurch von dem Versorgungsausgleich real profitierte. In der Zwischenzeit erhielt der ausgleichspflichtige Ehegatte weiterhin sein ungekürztes Ruhegehalt. Entsprechende Regelungen gab es für die gesetzliche Rentenversicherung sowie für Beamte und Richter (sogenanntes Rentnerprivileg). Durch die Strukturreform des Versorgungsausgleichs wurde dieses sogenannte Rentnerprivileg zum 01.09.2009 – ausgenommen für Übergangsfälle – abgeschafft.

Entscheidung

Das BVerfG hat entschieden, dass die Abschaffung des sogenannten Rentnerprivilegs im Rahmen der Strukturreform des Versorgungsausgleichs nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstößt. Nach § 55c Abs. 1 Satz 1 SVG in der seit dem 01.09.2009 geltenden Fassung sind die Versorgungsbezüge eines ausgleichspflichtigen Ehegatten ab dem Wirksamwerden der familiengerichtlichen Entscheidung zu kürzen. Eine Aussetzung dieser Kürzung ist – von Übergangsfällen abgesehen – nur in den Grenzen der §§ 32 ff. VersAusglG vorgesehen. Der ausgleichspflichtige Ehegatte erhält danach bei Eintritt in den Ruhestand grundsätzlich nur noch um den Versorgungsausgleich gekürzte Ruhestandsbezüge, und zwar unabhängig davon, ob der ausgleichsberechtigte Ehegatte seinerseits schon eine Rente bezieht oder nicht.

Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs verfassungsrechtlich unbedenklich

Das BVerfG ist der Ansicht, dass die Regelungen über den Versorgungsausgleich in mit dem Grundgesetz grundsätzlich vereinbarer Weise Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlichen Eigentums an Renten und Versorgungsanwartschaften bestimmen (vgl. Beschluss des Ersten Senats vom 06.05.2014, Az.: 1 BvL 9/12 und 1 BvR 1145/13). Insbesondere das Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Auch sei es verfassungsrechtlich zulässig, die Kürzung der Versorgungsbezüge nicht an den tatsächlichen Beginn des Rentenbezugs des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu koppeln. Dass der Gesetzgeber das Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs mit der Einführung des sogenannten Rentnerprivilegs zunächst selbst teilweise durchbrochen hatte, sei verfassungsrechtlich zwar vertretbar, aber nicht geboten gewesen.

Ziel: eigenständiges Versorgungsanrecht

Der Gedanke, die spürbare Kürzung bei der ausgleichspflichtigen Person müsse sich, um mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar zu sein, für die ausgleichsberechtigte Person angemessen auswirken, stehe der Kürzung der Versorgungsbezüge vorliegend nicht entgegen. Anders als beim ungeteilten Anrecht im Falle des Fortbestands der Ehe beginnen die Leistungen an die Geschiedenen aus den geteilten Anrechten je nach Eintritt des Versicherungsfalls zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Dabei könne der Versicherungsfall – wie im vorliegenden Fall – bei der ausgleichspflichtigen Person eher als bei der ausgleichsberechtigten Person eintreten, so dass die verpflichtete Person eine gekürzte Rente bezieht, während die berechtigte Person aus ihrem Anrecht noch keine Leistungen bezieht. Es könne aber auch umgekehrt der Versicherungsfall bei der ausgleichsberechtigten Person früher als bei der -pflichtigen Person eintreten, sodass die berechtigte Person aus ihrem Anrecht bereits zu einem Zeitpunkt Leistungen erhält, zu dem bei Fortbestand der Ehe noch keine Versicherungsleistungen erfolgt wären. Weder im einen noch im anderen Fall verfehle die Teilung der Anrechte ihren Zweck, der versorgungsausgleichsberechtigten Person ein eigenständiges Versorgungsanrecht zu verschaffen. (kb)

BVerfG, Beschluss vom 11.12.2014, Az.: 1 BvR 1485/12, Pressemitteilung vom 16.01.2015