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01/2015
23. Januar 2015
Absicherung schadenbelasteter Biogasanlagen

Absicherung schadenbelasteter Biogasanlagen

Die Absicherung der neuen Energien verspricht Marktpotenzial. Doch einige Versicherer haben sich inzwischen schon wieder aus dem Geschäft mit Biogasanlagen zurückgezogen. Eine Handvoll Versicherer gibt es aber noch, die auch Anlagen mit einer gewissen Schadenhistorie unter Vertrag nehmen.

Noch vor einigen Jahren haben sich die Versicherer regelrecht darum gerissen, Biogasanlagen zu zeichnen. Es war recht einfach, Versicherungsschutz für Biogasanlagen aller Art − unabhängig vom Motorenhersteller, der Fütterung, der elektrischen Leistung, des Neuwertes sowie weiterer Risikoinformationen − zu versichern. Fast jeder Versicherer auf dem Versicherungsmarkt war bereit, eine Quotierung abzugeben. Zu dieser Zeit waren die allgemeinen Voraussetzungen für den Versicherungsschutz recht großzügig angesetzt. Die unterschiedlichen, seinerzeit am Markt vertretenen Versicherer hatten sich mit ihrer Prämienkalkulation regelrecht unterboten und dies auch zu einem sehr weitgreifenden Versicherungsumfang. Es kam hinzu, dass niedrige Selbstbehalte je Schadenfall durchaus üblich waren. Selbstbeteiligungen in Höhe von 1.000 Euro in der Maschinenversicherung sowie zwei Tage in der Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung (MBUV) waren nicht ungewöhnlich.

„Sanierung“ von Altverträgen

Ein prämienfreier Einschluss einer Erweiterung war keine Seltenheit und hinsichtlich der Wartungen/Revisionen ­waren die Anforderungen recht frei ausformuliert und gestaltet. In einigen älteren Versicherungsverträgen sind diese Konditionen auch heute noch Bestandteil, jedoch ist ungewiss, wie lange dies noch der Fall sein wird. Das Stichwort ist hier die bekannte „Sanierung“ − die Anpassung der Konditionen.

Aktuell stellt sich die Situation auf dem Versicherungsmarkt ganz anders dar, was die TEMAKO GmbH aufgrund der großen Erfahrung in diesem Bereich mitverfolgt. Die Versicherer sanieren immer häufiger die „alten“ Bestandsverträge. Die Jahresprämie wird hierbei deutlich erhöht und auch die Selbst­behalte erfahren eine meist drastische Erhöhung. Für den Kunden, den Biogasanlagenbetreiber, ist dies oftmals sehr unverständlich, vor allem, wenn die Anlage bisher schadenfrei lief.

Ein Wandel hin zu hohen Selbstbehalten (üblich sind heutzutage durchaus Selbstbeteiligungen von 10.000 Euro/sieben Tage) und zu einer risikogerechten Prämie ist generell zu spüren. Aktuell ist es nicht mehr so einfach, ­eine Biogasanlage zu versichern. Es gibt Versicherer, die sich aus diesem Segment vollkommen zurückgezogen haben, andere zeichnen ausschließlich Neuanlagen. Besonders schwierig ist es aktuell, Altanlagen (Definition lt. Versicherer: älter als drei Jahre) oder gar schadenbelastete Anlagen unter­zubringen. Hierzu gibt es selbstverständlich Möglichkeiten/Lösungen, die Situation ist nur eine vollkommen andere als noch vor einigen Jahren.

Absicherung schadenbelasteter Biogasanlagen

Genaue Risikoprüfung

Weiterhin werden nun vor Angebotsabgabe sehr detaillierte Fragen zu dem Risiko gestellt, die es zu beantworten gilt. Auch werden sehr umfangreiche Unterlagen für das Risikomanagement (teilweise ist sogar eine Vorab-Besichtigung erforderlich) benötigt, wo seinerzeit eine kurze telefonische Information zu der Leistung, den Summen und dem Anlagenbetreiber ausgereicht hat.

Auch hinsichtlich gewisser Fütterungsarten, wie zum Beispiel der Fütterung von Speiseresten, bestehen gewisse Einschränkungen. Erschwerend kommt hinzu, dass bestimmte schadenträchtige Motorentypen nicht mehr vollumfänglichen Versicherungsschutz genießen können. Es werden hier Schäden mit einer gewissen Häufigkeit/Schadenträchtigkeit wie zum Beispiel Schwingungsschäden, Rahmenrisse, Nockenwellenschäden etc. gänzlich von dem Versicherungsschutz ausgeschlossen.

Einschränkungen gibt es weiterhin bei den Versicherungssummen (PML) sowie bei der Leistung (oftmals bis 1.000 kWel/keine „großen Kraftwerke“). Auch im Haftpflichtbereich sind diese Veränderungen spürbar, sodass an Lagunen gewisse Anforderungen an den aktuellen Stand der Technik gestellt werden. Einige Versicherer versichern nur noch gewisse namhafte Hersteller sowie Komplettanlagen/schlüsselfertige Anlagen. Die Risikoprüfung/-bewertung ist deutlich umfangreicher geworden − „man wird vorsichtiger“.

Schadenerfahrungen im Biogasbereich

Warum hat sich in den letzten Jahren so viel verändert? Maßgeblich sind hier die Schadenerfahrungen sowie das technische Wissen über die Anlagen der letzten Jahre (Was versichern wir hier überhaupt genau?/Wo liegen die Gefahrenpotenziale?). Die Versicherer haben erkannt, dass Biogasanlagen ein sehr großes, zum Teil erhebliches Risiko besitzen können.

Erfahrungsgemäß machen die Maschinenbruchschäden (sei es an Rührwerken, dem Motor, der Schnecke etc.) den größten Teil der Schadenzahlungen aus, wobei der entstandene Ertragsschaden meist sehr viel höher ist als der eigentliche Maschinenschaden. Seltener und weniger kostspielig sind erfahrungsgemäß die kleineren Sachschäden, zum Beispiel Sturmschaden am Foliendach, Diebstahl, Blitzschlag etc.

Ein Feuer- oder Explosionsschaden kann hingegen selbstverständlich auch einen gesamten Betrieb gänzlich zerstören. Der TEMAKO GmbH sind Schadenfälle bekannt, bei denen neben einem erheblichen Sachschaden sogar Personenschäden eingetreten sind. Gerade in solch einem Fall werden die Versicherer aufmerksam prüfen, wie es zu dem Schadenfall überhaupt kommen konnte (Liegt eventuell ein Verschulden bei dem Betreiber vor? Unwissenheit? Technisches Versagen?).

Weiterhin dürfte bekannt sein, dass die Umweltbehörde in letzter Zeit vermehrt ihr Augenmerk auf Biogasanlagen gerichtet hat. Es finden verstärkt Untersuchungen auf Betriebsgeländen statt und es werden Boden-/Gewässerproben entnommen. Auch hier wurde festgestellt, dass einige Betreiber Silageplatten oder Lagunen nicht nach dem aktuellen Stand der Technik errichtet haben. In einigen dieser Fälle sind Sickersäfte ausgetreten und konnten in das Erdreich und das Grundwasser gelangen. Sobald Sickersäfte in ein Gewässer fließen, in dem sich Lebewesen befinden, die O durch das Eindringen der Säfte sterben, ist vorstellbar, welche erheblichen Kosten für die Sanierungsmaßnahmen/die Wiederansiedelung der Lebewesen auf einen Betreiber zukommen können.

Versicherungslösungen für schadenbelastete­ Anlagen

Nichtsdestotrotz ist für so gut wie jede Biogasanlage auch weiterhin ein passendes Versicherungsprodukt vorhanden: Es lässt sich so gut wie jedes Risiko irgendwo eindecken, man muss nur wissen, wo! Inzwischen gibt es auf dem Versicherungsmarkt spezielle Versicherungskonzepte, die recht unproblematisch auch schadenbelastete Anlagen versichern. Die Konzepte sind speziell auf diese Risiken ausgelegt. In diesen Versicherungskonzepten wird die Prämie/der Selbstbehalt auf Grundlage des Alters/eventueller Vorschäden kalkuliert, sodass sich hier letztendlich ein bedarfsgerechter Versicherungsschutz ergibt. Diese speziellen Konzepte zeichnen sich dadurch aus, dass sie keinen abgespeckten Versicherungsumfang aufweisen, sondern die vollumfängliche Deckung bieten, die empfohlen wird.

Unter einem vollumfänglichen Versicherungsschutz für die Betriebsphase einer Biogasanlage werden in der Regel folgende Versicherungssparten betrachtet:

  • Maschinen-/Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung
  • Sach-/Sach-Betriebsunterbrechungsversicherung (Feuer, Sturm/Hagel, Elementarschäden, innere Unruhen)
  • Biologie-Baustein (optional versicherbar)
  • Betriebshaftpflichtversicherung
  • Umwelthaftpflichtversicherung
  • Umweltschadenversicherung inklusive Zusatzbaustein I+II

Darüber hinaus wird die Rechtsschutzversicherung immer interessanter. Die Anlagenbetreiber möchten sich zum Beispiel bei Streitigkeiten aufgrund von Nichtzahlung des Stromabnehmers, Auseinandersetzungen mit Servicefirmen/Netzbetreibern, bei mangelhafter Durchführung von Wartungsarbeiten sowie bei Nichtzahlung von Versicherungsleistungen abgesichert wissen. Darüber hinaus rückt auch die D&O-Versicherung (Berufshaftpflichtversicherung für Geschäftsführer) immer mehr in den Fokus.

Vermehrt scheinen auch Kaskodeckungen interessant für die Anlagenbetreiber zu sein. Insbesondere, wenn die Anlage ein gewisses Alter erreicht hat. Diese Umstrukturierung ist bereits aus anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Versicherung von Windenergieanlagen, bekannt. Eine Kaskodeckung, die ausschließlich die Gefahren von außen abdeckt, kann bereits zu sehr günstigen Konditionen angeboten werden. Einige Schadenpotenziale können jedoch bereits durch den Betreiber selbst vermieden oder gemindert werden, um auch den Versicherungsabschluss der Anlage zu erleichtern. Stichworte sind hier die „Schadenverhütung“ und die „Schadenminderung“. Auch durchdachte Wartungspläne und Sicherheitsmaßnahmen sowie ein fundiertes Wissen über die eigene Anlage erbringt den Anlagenbetreibern einen erheblichen Vorteil.

Expertise in Sachen Schaden ist wichtig

Weiterhin ist es sinnvoll, jemanden an seiner Seite zu haben, der über ein großes Expertennetzwerk und eine langjährige Schadenerfahrung verfügt. Grundsätzlich besteht bereits ein reger Austausch zwischen den einzelnen Betreibern. Diese sind bereits sehr gut vernetzt, sodass ein Erfahrungsaustausch erfolgen kann, der im besten Fall dafür sorgt, zukünftige ähnlich gelagerte Schäden zu verhindern. Wichtig ist, dass man aus den Erfahrungen und eventuellen Fehlern anderer lernt. Sinnvoll ist auch die Aufklärung und das Aufzeigen der Risiken an der Anlage vor Ort in persönlichen Gesprächen.

Wenn die Schadenzahlungen zukünftig zurückgehen, da die Betreiber sensibilisierter sind und Gefahren erkennen, die Hersteller auf Serienschäden schnell reagieren und diesen entgegenwirken sowie die Qualität der Anlagen allgemein eine andere, bessere wird, könnte erneut ein Wandel auf dem Versicherungsmarkt möglich sein − dieses Mal zugunsten der Betreiber!

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2015, Seite 38ff.

 
Ein Artikel von
Frank Schilling, Geschäftsführer der TEMAKO Versicherungsmakler GmbH