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19. Februar 2024
Bestand: Verkaufen oder weiter auf Courtage setzen?
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Bestand: Verkaufen oder weiter auf Courtage setzen?

Auch wenn ihnen eine ordnungsgemäße Betreuung ihrer Bestände nicht mehr möglich ist, bleiben viele Makler doch daran „kleben“. Hans-Ludger Sandkühler weist auf Risiken hin, die dadurch entstehen. Wie ist das Dilemma verkaufen oder weitermachen aufzulösen?

Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler

In den einschlägigen Publikationen interessierter Kreise ist die Sache sonnenklar. Aufgrund der demografischen Verteilung in der Maklerschaft sind immer mehr Makler gezwungen, kurzfristig ihre Unternehmen bzw. ihre Bestände zu verkaufen. Tatsächlich bleiben aber viele Makler an ihren Beständen kleben und versuchen, möglichst lange und möglichst viel Courtage aus ihren Beständen zu ziehen, auch wenn ihnen eine ordnungsgemäße Betreuung der Bestände nicht mehr möglich ist. Dies ist nicht ohne Risiko.

Viele Makler sind heute schon weit über 50. Nach den Ergebnissen verschiedener Studien sollen in den nächsten zehn Jahren 25% aller Makler ausscheiden. Der Branche wird spätestens ab 2025 ein massives Nachwuchsproblem in Aussicht gestellt. Betroffene Makler sind deshalb gut beraten, sich so früh wie möglich mit dem Thema Nachfolge oder Verkauf zu beschäftigen und dies sorgfältig zu planen. Als Planungshorizont wird allgemein ein Zeitraum von mindestens fünf Jahren empfohlen. Nur dann ist genügend Zeit, die Nachfolge oder einen Verkauf optimal vorzubereiten und umzusetzen.

Abstimmung mit den Füßen

Bei dieser Ausgangslage müssten eigentlich viele Makler bereits kurz vor der Transaktion ihres Unternehmens stehen. Tatsächlich ist aber am Markt zu beobachten, dass viele Makler noch mit weit über 60 oder 70 Jahren ihr Unternehmen betreiben und nicht verkaufen wollen oder können. Die Ursachen sind vielfältig und können hier nicht abschließend analysiert werden. Häufige Ursachen sind enttäuschte Kaufpreiserwartungen, strukturelle Probleme und Risiken im Bestand oder rechtliche Hürden. Und vor allem Unentschlossenheit.

Insbesondere völlig überzogene und am Markt nicht durchsetzbare Kaufpreiserwartungen halten Makler vom Verkauf ihrer Unternehmen oder Bestände ab. Dahinter steckt das Kalkül, dass das „Weiterlaufenlassen der Bestände“ mehr bringt als der Verkauf. Die Rechnung ist banal. Um einen angenommenen Kaufpreis vom 1,5- oder 2-fachen des Jahresumsatzes durch Courtageeinahmen zu egalisieren, muss man das Unternehmen ja „nur“ eineinhalb oder zwei Jahre fortführen. Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung. Denn erstens sind fortlaufende Kosten und Unternehmerlohn auf der Strecke geblieben. Und zweitens können die fortlaufenden Courtageeinnahmen nur dann nachhaltig gesichert werden, wenn das Maklerunternehmen seinen gesetzlichen und vertraglichen Pflichten gegenüber seinen Kunden nachkommt, das Unternehmen also funktioniert. Die Probleme fangen an, wenn der Makler nicht mehr in der Lage ist, den ordnungsgemäßen Betrieb seines Unternehmens zu gewährleisten.

Das Dilemma

Bei Lichte betrachtet stehen betroffene Makler vor einem Dilemma. Verkaufen oder weitermachen? Wenn sich die Alternativen wechselseitig blockieren, kann das Dilemma nicht aufgelöst werden. Dies ist schön beschrieben am philosophischen Gleichnis von Buridans Esel: Ein Esel steht zwischen zwei gleich großen und gleich weit entfernten Heuhaufen. Er verhungert schließlich, weil er sich nicht entscheiden kann, welchen er zuerst fressen soll.

Das Problem unbetreuter Bestände

Wenn das Weitermachen nur mit Einschränkungen möglich ist, führt dies zu einem massiven Problem. Der Bestand des Maklers wird nicht mehr ordnungsgemäß betreut. Kundenbeziehungen brechen weg, notwendige Vertragsanpassungen unterbleiben, Haftungsfälle entstehen. Dass die Begriffe Bestand und Betreuung respektive Bestandsbetreuung problematisch sind, bedarf hier keiner weiteren Ausführungen. Gemeint ist natürlich das Rechtsverhältnis des Maklers zu seinen Kunden und die daraus für den Makler resultierenden Pflichten gegenüber den Kunden.

Das Rechtsverhältnis des Maklers zu seinen Kunden wird durch gesetzlich determinierte und vertraglich versprochene Pflichten geprägt. Im Maklervertrag hat der Makler die Möglichkeit, das Rechtsverhältnis zwischen ihm und seinen Kunden ausgewogen und interessengerecht zu gestalten. Insbesondere kann er einerseits seine Betreuungspflichten so weit konkretisieren, dass er fachlich und organisatorisch sicherstellen kann, ihre Durchführung zu gewährleisten. Andererseits kann er Mitwirkungspflichten des Kunden (zum Beispiel bei Risikoänderungen) AGB-fest vereinbaren, wenn die Mitwirkungspflichten so weit konkretisiert sind, dass der Kunde sie verstehen und einhalten kann.

Wenn ein Makler nur noch beschränkt weitermachen kann, muss er prüfen, ob er trotzdem seine gesetzlichen und vertraglichen Pflichten einhalten kann. Nach den Erfahrungen der Praxis können aber viele Makler ihre gesetzlichen und vertraglichen Pflichten gegenüber den Kunden gar nicht abschätzen und damit auch gar nicht messen, welche Folgen bei einem beschränkten Weitermachen mit Blick auf die Kundenverhältnisse zu befürchten sind.

Folgen des „beschränkten“ Weitermachens

Die Folgen sind zunächst finanzieller Art. Unzufriedene Kunden stimmen mit den Füßen ab. Sie gehen weg und suchen sich andere Vermittler oder werden von anderen Vermittlern angesprochen. So erodieren die Bestände, Courtageeinnahmen brechen ein. Tempo und Ausmaß der Courtageausfälle sind natürlich abhängig von den Einschränkungen im Leistungsvermögen des Maklers und erfolgen mit einer zeitlichen Verzögerung. Nicht wenige Makler setzen darauf, dass die Summe der zukünftigen Courtageeinnahmen trotz der steigenden Einbrüche immer noch höher ist als ein am Markt erzielbarer Kaufpreis für das Unternehmen oder den Bestand.

Das Kalkül kann nur scheinbar aufgehen. Denn ein beschränktes Weitermachen birgt vor allem haftungsrechtliche Folgen. Auch bei einem eingeschränkten Weitermachen bleiben die Pflichten des Maklers gegenüber seinen Kunden uneingeschränkt weiter bestehen. Wenn also beispielsweise ein Kunde eine Risikoveränderung mitteilt und der Makler nicht oder nicht rechtzeitig in der Lage ist, den Kunden im Hinblick auf notwendige Änderungen zu beraten und eine notwendig werdende Änderung eines Versicherungsvertrages zu vermitteln, hat er ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko, das sich potenzieren kann, wenn viele Kunden betroffen sind. Der Makler kann sich von seiner Sachwalterverpflichtung nur lösen, wenn er bestehende Maklerverträge kündigt. Das macht aber keinen Sinn, weil es zur Auflösung des Bestandes führt.

Risiken können existenziell sein

Die Fortführung eines Maklerbüros mit halber Kraft kann nicht ernsthaft empfohlen werden und ist deshalb keine Option. Die damit verbundenen Risiken können für Makler existenziell sein. Das Dilemma verkaufen oder weitermachen kann nur wie folgt aufgelöst werden: Solange der Makler sein Unternehmen professionell und ohne Einschränkungen bei den Pflichten gegenüber den Kunden fortführen kann, ist der Verkauf des Unternehmens oder des Bestandes nicht zwingend erforderlich. Das ist in erster Linie aber keine Frage des Alters, sondern eine Frage ordnungsgemäßer Unternehmensführung. Dennoch sollte jedem Makler klar sein, dass früher oder später der Zeitpunkt kommt, ab dem die Fortführung des Unternehmens nicht mehr ohne Einschränkungen möglich ist. Dann führt an dem Verkauf des Unternehmens oder des Bestandes kein Weg mehr vorbei. Genauso sollte jedem Makler klar sein, dass der Verkauf rechtzeitig und gut vorbereitet sein muss. Dazu zählt beispielsweise die Optimierung der Kundenbeziehungen mit aktuellen Maklerverträgen. Und dazu zählt auch die rechtzeitige Suche nach einem geeigneten Nachfolger oder Käufer. Ganz wichtig: Notfallplanung nicht vergessen. Dann klappt es auch mit dem Verkauf.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Who is Danny– stock.adobe.com