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27. Juni 2016
Brexit: „Kunden von Versicherern müssen sich keine Sorgen machen“

Brexit: „Kunden von Versicherern müssen sich keine Sorgen machen“

Das Votum der Briten für einen EU-Austritt hat die Finanzmärkte in Schockstarre versetzt. Die überwiegende Mehrheit der Investoren wurde vom Ja zum Brexit kalt erwischt. Die Tagesverluste fielen ähnlich stark aus wie zu Zeiten der Lehman-Krise. Einen zweiten Lehman-Moment sehen Investmentexperten aber nicht. Auch Kunden von Versicherern bräuchten sich keine Sorgen machen.

Die großen Leitindizes sind am vergangenen Freitag aufgrund des Brexit-Entscheids der Briten in den Keller gerauscht. Zeitweise gaben Dax und Euro Stoxx 50 über 10% ab. Laut einer Berechnung der DZ Bank wurden an einem Tag weltweit 5 Bio. Dollar an Börsenwert vernichtet. Das entspricht in etwa der doppelten jährlichen Wirtschaftsleistung Großbritanniens. Allein im Dax schrumpfte die Marktkapitalisierung um 95 Mrd. Euro. Am Ende des Börsentages schloss er 6,8% im Minus bei 9.557 Punkten. Investoren flüchteten hingegen in vermeintlich sichere Anlagen wie Bundesanleihen oder Gold. Das Edelmetall legte zeitweise über 7% zu.

Chancen für Langfristanleger

Angesichts der historischen Turbulenzen haben sich auch bereits zahlreiche Investmentexperten zu Wort gemeldet. Der Großteil rät dazu, die Ruhe zu bewahren. Angesichts der absehbaren politischen, wirtschaftlichen und Finanzmarkt-Auswirkungen müssten sich Investoren laut Allianz Global Investors zwar auf raue See einstellen. „Für langfristig orientierte Anleger mit einem genügend Risikobudget sowie Handlungsspielraum für aktives Investieren bietet dies allerdings auch Chancen“, meint die Fondsgesellschaft der Allianz in einer ersten Analyse.

Auf alle Entwicklungen vorbereitet

Die in der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) vertretenen Spitzenverbände der Banken und Sparkassen bedauern derweil die Entscheidung der britischen Wähler. Die EU müsse nun zwar rasch die richtige Antwort auf das Votum finden. Aufsicht, Notenbanken, Politik wie auch die deutschen Banken und Sparkassen seien aber auf alle Entwicklungen vorbereitet. Die DK rechnet zudem damit, dass sich die Lage an den Finanzmärkten nach den ersten Kursrutschen stabilisiert. Diese Meinung teilt auch Hans-Walter Peters. „Die Lage an den Finanzmärkten dürfte sich nach dem ersten Schock rasch beruhigen“, so der Präsident des Bankenverbandes.

Keine Sorgen für Versicherungskunden

Mit einer schnellen Stabilisierung rechnet auch Dr. Klaus Wiener, Chefvolkswirt des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die deutsche Versicherungsbranche sei zwar mit Kapitalanlagen von insgesamt rund 1,5 Bio. Euro indirekt auch von den Turbulenzen betroffen. Die Kunden von Versicherern müssten sich aber keine Sorgen machen. „Die Gelder der Versicherten werden von Profis verwaltet, die es gewohnt sind, mit solchen politischen Börsen umzugehen“, erläutert Dr. Wiener. Die Versicherungsbranche brauche zudem eine gute Planbarkeit und vermeide daher risikoreiche und volatile Anlageformen. Der absolute Großteil der Kapitalanlagen der Versicherer liegt daher in festverzinslichen Rentenpapieren. „Die Anlagestrategie der Versicherer ist defensiv, Änderungen werden nur nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente vorgenommen“, so der GDV-Chefvolkswirt.

Lage besser als die Stimmung

Die Experten von Vontobel Asset Management erwarten, dass Anleger sich nach einer turbulenten Phase wieder auf das globale Wachstum, die Geldpolitik und die Entwicklung der Unternehmensgewinne konzentrieren. Komme es nicht zu einer deutlichen Verlangsamung des Wachstums in China oder zu einer dramatischen Umkehr der Entwicklung der Rohstoffpreise, sei die Lage besser als die Stimmung.

Negative Folgen möglich

Etwas skeptischer blickt Rick Lacaille, Global Chief Investment Officer von State Street Global Advisors in die Zukunft: „Negative Folgen hinsichtlich marktrelevanter Themen wie Handel, Arbeitskräftemobilität oder Auslandsinvestitionen sind möglich.“ In den letzten Wochen vor der Abstimmung hätten zahlreiche internationale Finanzinstitutionen und Handelsorganisationen ihre Besorgnis zu einem möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU geäußert. „Dabei ging es primär um die Risiken in Bezug auf das globale Wachstum, den Handel, Auslandsinvestitionen und die Stabilität der Finanzmärkte. Mit der Austrittsentscheidung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich solche Vorhersagen bewahrheiten“, so Lacaille.

Kein Lehman-Moment

Die Investmentverantwortlichen von NEUBERGER BERMAN sehen zwar ebenfalls weitere Turbulenzen auf die Anleger zukommen, raten aber vor Panikmache. „Ohne Zweifel wird dies die erste von vielen brisanten Handelssitzungen, und die großen Zentralbanken stehen bereit, bei Bedarf einzugreifen. Aber wir warnen davor so zu reagieren, als wäre dies ein zweiter „Lehman-Moment“, wie einige Kommentatoren unterstellen“, erläutern die drei CIOs des unabhängigen US-Asset-Managers Joe Amato, Erik Knutzen und Brad Tank. Das sieht auch Martin Gilbert, CEO von Aberdeen Asset Management, so. „Während die Abstürze an den Märkten zum Teil dramatisch ausfallen, ist jetzt nicht die Zeit für Kurzschlussreaktionen.“ Als Langfristinvestor sei es schließlich häufig am besten nichts zu tun oder sogar die Chancen zu nutzen, die aus Fehlbewertungen in der Folge von Crashs entstehen. (mh)