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Steuern & Recht
22. Februar 2024
Bußgeldregress in Managerhaftung – letzte Ausfahrt Karlsruhe?

Bußgeldregress in Managerhaftung – letzte Ausfahrt Karlsruhe?

Die Diskussion, ob eine Gesellschaft ihr Management wegen einer gegen die Gesellschaft verhängten Geldbuße in Regress nehmen kann, hat durch zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen noch einmal Fahrt aufgenommen. Doch eine höchstrichterliche Klärung dieser äußerst umstrittenen Frage scheint nun in Sicht.

Ein Artikel von Martin Karwatzki, LL.M., Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei HEUKING

Der Bußgeldregress im Bereich der Managerhaftung gilt gemeinhin als „heißes Eisen“. Ausgangspunkt der Diskussion ist der von Kapitalgesellschaften zuweilen unternommene Versuch, ein gegen die Gesellschaft verhängtes Bußgeld auf die Unternehmensleiter bzw. auf die hinter diesen stehenden D&O-Versicherer abzuwälzen. Als Anspruchsgrund­lage dienen dabei die einschlägigen Normen der gesellschaftsrechtlichen Organhaftung in § 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz (GmbHG) und § 93 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG), wonach Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder bei schuldhaft begangenen Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet sind. Konkret wird dem Management beim Bußgeldregress vorgeworfen, den Sachverhalt, der schlussendlich zur Verhängung des Bußgeldes geführt hat, pflichtwidrig nicht verhindert zu haben.

Fachliteratur diskutiert Rechtsfrage kontrovers

Ob sich Gesellschafter auf diese Weise tatsächlich schadlos halten können, wird in der Fachliteratur schon seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Diejenigen Stimmen (zum Beispiel Baur/Holle, Neue Zeitschrift für Kartellrecht, 2023, S. 599), die die Regressierbarkeit von Bußgeldern verneinen, begründen dies unter anderem damit, dass eine Unternehmensgeldbuße auf das Unternehmen zugeschnitten sei und sowohl beim Bußgeldrahmen als auch bei der Bußgeldbemessung regelmäßig zwischen dem Unternehmen selbst und den handelnden Personen unterschieden werde. Die vom Gesetzgeber beabsichtigten Sanktionswirkungen würden letztlich ausgehebelt werden, wenn sich das Unternehmen im Regresswege schadlos halten könnte.

Andere Literaturstimmen (etwa Grau/Dust, Zeitschrift für Rechtspolitik, 2020, S. 134) vertreten demgegenüber die Auffassung, dass ein Bußgeldregress grundsätzlich möglich ist. Insoweit wird argumentiert, dass die sogenannte Legalitätspflicht dem Management gebiete, die Gesellschaft vor Rechtsverletzungen und den damit einhergehenden Konsequenzen zu bewahren. Teilweise wird aber zumindest über eine Haftungsbegrenzung nachgedacht, dies mit der Begründung, dass eine existenzbedrohende Inanspruchnahme des Managements der Treuepflicht des Unternehmens zuwiderlaufen würde.

Trotz dieses Streitpotenzials und trotz der hohen Praxisrelevanz der Problematik waren Gerichtsentscheidungen zur Frage der Rechtmäßigkeit des Bußgeldregresses lange Zeit rar gesät. So war das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf vom 20.01.2015 (Aktenzeichen 16 Sa 459/14) für einen längeren Zeitraum die einzige (veröffentlichte) Entscheidung zur Regressierbarkeit von Unternehmensbußgeldern. Das LAG Düsseldorf vertritt den Standpunkt, dass ein GmbH-Geschäftsführer für eine gegen die Gesellschaft verhängte Geldbuße nicht nach § 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz in Regress genommen werden kann. Zur Begründung stellt das LAG Düsseldorf darauf ab, dass die gesetzgeberische Wertung, wonach Normadressat der Geldbuße das Unternehmen sei, auch im Zivilrecht berücksichtigt werden müsse. Die zivilrechtliche Weiter­gabe des Schadens an die Geschäftsführung sei deshalb per se ausgeschlossen.

Gerichtsentscheidungen sorgen für Bewegung

Mittlerweile ist allerdings Bewegung in die Sache gekommen. Denn innerhalb kürzester Zeit haben sich zwei weitere Gerichte mit der Thematik befasst und damit für mächtig Aufsehen gesorgt. So hat das Landgericht (LG) Dortmund mit Hinweisbeschluss vom 07.06.2023 (Aktenzeichen 8 O 5/22) seine vorläufige Rechtsauffassung kundgetan, wonach ein für die Verhängung einer Unternehmensgeldbuße verantwortlicher Geschäftsführer gegenüber der GmbH persönlich haften soll. Diese Auffassung begründet das LG Dortmund damit, dass der Regress die einzige Möglichkeit sei, den Verstoß des Geschäftsführers gegen die ihn treffende organschaftliche Pflicht zur Verhinderung von Rechtsverstößen zu sanktionieren. Durch einen Regress würden auch keinesfalls die ordnungsrechtlichen Sanktionen unterlaufen, da Zivil- und Ordnungswidrigkeitenrecht eigenständig nebeneinanderstünden.

Mit weiterem Hinweisbeschluss vom 14.08.2023 hat das LG Dortmund seinen Hinweisbeschluss vom 21.06.2023 weiter ergänzt, wobei der Anlass für diese ergänzenden Hinweise ein zwischenzeitlich vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf verkündetes Urteil vom 27.07.2023 (Aktenzeichen VI-6 U 1/22) war. Darin hat der 6. Kartellsenat des OLG Düsseldorf – insoweit abweichend vom LG Dortmund – die Auffassung vertreten, dass ein Regressanspruch gegen Organmitglieder für eine gegen das Unternehmen verhängte Kartellgeldbuße nicht in Betracht kommt. Zur Begründung verweist der Senat darauf, dass die zivilrechtlichen Wertungen des Schadenrechts durch die Zwecke des kartellrechtlichen Sanktionsrechts zu beschränken sind. Insbesondere mit Blick darauf, dass auch gegen die handelnden Leitungspersonen kartellrechtliche Sanktionen verhängt werden können, dürfe es durch eine Weiterreichung des Unternehmensbußgeldes nicht zu einer doppelten Belastung des Managements kommen. Ob sich diese Überlegungen auch auf Bußgeldregresse fernab des Kartellrechts übertragen lassen, hat der Senat offengelassen.

Hoffnungsschimmer BGH?

Da sich das LG Dortmund und das OLG Düsseldorf kaum gegensätzlicher hätten positionieren können, haben die jüngsten Entwicklungen nicht wirklich zur Rechtsklarheit beigetragen. Dies dürften insbesondere die D&O-Versicherer bedauern, da sie für den Fall, dass Bußgelder tatsächlich regressierbar sein sollten, in wirtschaftlicher Hinsicht die Leidtragenden wären. Es gibt aber zumindest insoweit einen Hoffnungsschimmer, als das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 27.07.2023 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen hat. Zwar lässt sich noch nicht absehen, ob das Revisionsverfahren tatsächlich durchgeführt werden wird und ob der BGH dann die Frage der Regressierbarkeit von Bußgeldern im Falle einer Entscheidung nur für die speziell ausgestalteten Kartellbußen oder zugleich auch für sämtliche denkbaren Arten des Bußgeldregresses beantwortet. Es ist aber in jedem Fall schon einmal zu begrüßen und wird der Bedeutung der Sache ohne Weiteres gerecht, dass durch die Revisionszulassung der Weg nach Karlsruhe geebnet worden ist.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © ArLawKa – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Martin Karwatzki, LL.M.