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1. Januar 2010
Compliance-Leitlinien für Versicherungsmakler – ein Diskussionsvorschlag

Compliance-Leitlinien für Versicherungsmakler – ein Diskussionsvorschlag

Der GDV hat seinen Verhaltenskodex für den Vertrieb erweitert und verschärft. Versicherer sollen nur noch mit Versicherungsvermittlern zusammenarbeiten, die die im Kodex verankerten Grundsätze anerkennen und praktizieren. Mangels Rechtssetzungsbefugnis können Versicherer den Maklern keine Verhaltensvorschriften geben. Makler können sich aber selbst gewissen Leitlinien verpflichten. Ein Diskussionsvorschlag.

Unter Compliance wird allgemein die Summe aller Maßnahmen verstanden, die das regelkonforme Verhalten eines Unternehmens und seiner Organisationseinheiten sicherstellen sollen. Es handelt sich also nicht um eine bestimmte gesetzliche Verpflichtung, sondern um eine allgemeine Beschreibung für die Verantwortung von Unternehmen für die Einhaltung von Gesetzen und Werten sowie deren organisatorischer Umsetzung. Als Regeln kommen neben gesetzlichen Vorschriften auch Selbstverpflichtungen und gesellschaftliche Wertvorstellungen in Betracht. Versicherungsmakler sind im Rahmen ihrer Tätigkeiten zahlreichen Rechtspflichten ausgesetzt. Neben den zentralen vermittlerrechtlichen Vorgaben verlangen auch Anforderungen aus Gebieten wie zum Beispiel Datenschutz, Wettbewerbsrecht, Geldwäsche, Korruption und Steuern die Beachtung des Maklers. Die systematische Erfassung und Bewertung dieser Anforderungen führt zur Entwicklung eines eigenständigen und maklerspezifischen Compliancesystems und dient der Risikovorsorge und Schadenabwehr im Unternehmen.

Nach den Vorstellungen des GDV sollen die Inhalte der Compliancevorschriften, insbesondere die Ächtung von Korruption, Bestechung und Bestechlichkeit, klare Regeln für den Umgang mit Geschenken und Einladungen und sonstigen Zuwendungen, klare Regeln in Bezug auf Werbemaßnahmen und Unternehmensveranstaltungen sowie Vorschriften zur Vermeidung von Kollisionen von privaten und geschäftlichen Interessen sein. Sie sollen ferner klare Regeln zum Umgang mit persönlichen und vertraulichen Daten und zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften definieren.

Es geht aber nicht nur um die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen. Gerade Versicherungsmakler sind als Sachwalter ihrer Kunden auf besonderes Vertrauen angewiesen. Deshalb gilt es nicht nur objektive Regelverstöße zu vermeiden, sondern auch „grenzwertige Verhaltensweisen“, aus denen sich Reputationsschäden ergeben können. Insgesamt kann die Initiative des GDV als ein willkommener Anlass für Versicherungsmakler angesehen werden, über ein Regelwerk für eigenes Handeln zu reflektieren und die Übereinstimmung des eigenen Unternehmens mit vorgegebenen Regeln und eigenen Werten in die Unternehmensziele aufzunehmen. Für große Maklerhäuser ist dies selbstverständlich. Im Mittelstand fehlt häufig die Zeit für die strategische Ausrichtung. Deshalb hier ein Diskussionsvorschlag zur Orientierung:

Compliance-Leitlinien für Versicherungsmakler

1. Beratung und Dokumentation

Als im Vermittlerregister eingetragener Versicherungsmakler stehe ich als treuhänderischer Sachwalter im Lager meiner Kunden. Ich vertrete ihre Interessen bei der Erlangung von passendem Versicherungsschutz gegenüber dem Versicherer. Den Versicherungsvertrag und den Versicherer wähle ich nach objektiven Kriterien aus.

Wesentlicher Bestandteil meiner Leistung gegenüber meinen Kunden ist dabei die Analyse des konkreten Versicherungsbedarfs und die gemeinsam mit meinem Kunden erfolgende Priorisierung der Risikoabsicherung. Von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, eine Vermittlung auch ohne Beratung mit Zustimmung meines Kunden vorzunehmen, mache ich nur in Ausnahmefällen Gebrauch. In jedem Fall erfolgt eine Dokumentation der Beratung. Diese händige ich meinen Kunden aus. Bei meinen Tätigkeiten für meine Kunden stehen ihre Interessen stets im Vordergrund. Sollte ich – aus welchen Gründen auch immer – eine Kollision meiner Interessen und der Interessen meiner Kunden feststellen, weise ich diese darauf hin.

2. Betreuung

Meine Leistung gegenüber meinen Kunden endet nicht mit der Vermittlung eines Versicherungsvertrages, außer dies ist ausdrücklich im Einzelfall so vereinbart. Vielmehr stehe ich meinen Kunden als Ansprechpartner und Betreuer so lange zur Verfügung, wie der von mir vermittelte Versicherungsschutz und der jeweilige Maklervertrag besteht. Dies gilt insbesondere im Schaden- oder Leistungsfall.

3. Umdeckung

Erfolgt im Rahmen meiner Tätigkeit eine Umdeckung eines bereits abgedeckten Risikos, nehme ich diese ausschließlich mit fairen Mitteln meinen Wettbewerbern gegenüber vor. Insbesondere kläre ich meine Kunden über etwaige Nachteile oder Risiken einer Umdeckung auf. In diesem Fall nehme ich die Umdeckung nur auf ausdrücklichen Wunsch meiner Kunden vor und dokumentiere diesen.

4. Vergütung

Meine Leistung ist für meine Kunden grundsätzlich kostenfrei, da nach deutschem Handelsbrauch die Vergütung des Versicherungsmaklers vom Versicherer übernommen wird. Durch die Vergütung durch die Versicherer wird meine Unabhängigkeit und Objektivität gegenüber meinen Kunden nicht beeinträchtigt. Leistungen von Versicherern (Geldzahlungen oder geldwerte Vorteile) die grundsätzlich geeignet sein könnten, meine Objektivität zu beeinträchtigen, lehne ich ab. Sollte ich in Fällen, in denen dies zulässig ist, Kunden Leistungen in Rechnung stellen, erfolgt dies in klarer Weise und wird vor Leistungserbringung vereinbart.

5. Fortbildung

Meine stetige fachliche Fortbildung ist eine wesentliche Grundlage meiner Tätigkeit. Daher bilde ich mich regelmäßig fort. Meinen Kunden kann ich jederzeit die von mir besuchten Fortbildungen nachweisen. Als Fortbildung nehme ich an produktbezogenen Veranstaltungen, die auch von Versicherern angeboten werden können, und an Seminaren zu fachlich übergreifenden und grundsätzlichen Themen teil.

6. Untervermittlereinsatz

Setze ich selbstständige Untervermittler zur Betreuung meiner Kunden ein, sind diese als Versicherungsmakler im Vermittlerregister eingetragen. Darüber hinaus gelten für sie die gleichen Maßstäbe, die für mich und meine Angestellten gelten und in diesen Compliance-Leitsätzen niedergelegt sind.

7. Kundengeldsicherung

Empfange ich Kundengelder von meinen Kunden oder Schadenszahlungen zur Weiterleitung an meine Kunden, unterliegen diese einer besonderen Sicherung.

8. Zusammenarbeit mit Maklerpools

Wenn ich mit Maklerpools zusammenarbeite, beeinträchtigt dies meine Objektivität und die Auswahlmöglichkeiten der Versicherungsprodukte für meine Kunden nicht. Außerdem ist bei Nutzung eines Pools durch mich meine Unabhängigkeit nicht tangiert.

9. Datenschutz

Der Kundendatenschutz hat für mich einen hohen Stellenwert. Daher erfolgt die Weitergabe von Kundendaten an Dritte auch ausschließlich im Rahmen der Erfüllung meiner Aufgaben für meine Kunden und/oder mit Einwilligung meiner Kunden.

10. Pflichten nach dem Geldwäschegesetz

Ich kenne meine eigenständigen Pflichten aus dem Geldwäschegesetz und kann die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden dokumentieren.

11. Keine Korruption und Bestechung

Ich toleriere keinerlei Form von Korruption oder Bestechung. Unabhängig hiervon können Situationen entstehen, die zwar keine Korruption oder Bestechung darstellen, aber geeignet sein könnten, meine Urteilsfähigkeit in Frage zu stellen. Grundsätzlich prüfe ich daher vorab, ob die Situation der gängigen Geschäftspraxis entspricht und kein Verstoß gegen geltende Rechtsnormen (zum Beispiel Strafgesetzbuch) vorliegt.

12. Sonstige Regelungen und Ombudsleute/Beschwerden

Sonstige gesetzliche Regelungen, die meine Tätigkeit als Versicherungsmakler betreffen, kenne und beachte ich. Meine Kunden weise ich auf die Versicherungsombudsleute und die Beschwerdemöglichkeit bei einer Unzufriedenheit mit meiner Tätigkeit nicht nur im Rahmen der Erstinformation, sondern auch bei konkreten Einzelfällen hin.

Schlussbemerkung

Die Formulierungen sind aus vielen Gesprächen mit Versicherungsmaklern und Versicherungsunternehmen entstanden. Die angesprochenen Punkte und die inhaltlichen Positionen sind in den Gesprächen als notwendig, aber auch als hinreichend angesehen worden. Sicher wird die eine oder andere Formulierung eine Diskussion auslösen. Das ist gewollt. Ächtung von Korruption, Bestechung und Bestechlichkeit und klare Regeln für den Umgang mit Incentives und sonstigen Zuwendungen sollten aber für Makler, die sich als Vertraute und Sachwalter ihrer Kunden verstehen, selbstverständlich sein. Nichts hindert die Makler daran, das Gesetz des Handels in die Hand zu nehmen und sich selbst Leitlinien zu geben. Die vorgestellten Inhalte sind angemessen und sollten für jeden Makler als Sachwalter umsetzbar sein. Sie können von jedem Versicherungsmakler als Leitlinien übernommen werden und können als Grundlage für die Entwicklung eines unternehmenseigenen Compliance-Systems dienen. Für die wirksame Umsetzung ist jedes Maklerhaus selbst verantwortlich. Auch für Makler gilt: Wir müssen tun, was wir sagen.

Text von Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler in Kooperation mit Rechtsanwalt Dr. jur. Andre Kempf, Böblingen/Stuttgart (aus AssCompact 05/2013, Seite 88f.)

Siehe zu diesem Thema auch: Verhaltenskodex für den Vertrieb sorgt für Unstimmigkeiten unter Versicherern