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4. September 2023
Das Fondsspardepot im Mittelpunkt der Riester-Reform

Das Fondsspardepot im Mittelpunkt der Riester-Reform

Die mit dem Fondsspardepot verbundene Abschaffung von Renten- und Beitragsgarantie kann als größte Leistung des Riester-Reformvorschlags bezeichnet werden. Das Gesetz könnte als einer der bedeutendsten Reformerfolge seit Riester in die Geschichte eingehen, findet Franklin Templetons Martin Stenger.

Ein Artikel von Martin Stenger, Director Sales, Business Development Insurance – Germany, Austria & Switzerland bei Franklin Templeton

Als Sozialminister Walter Riester im Jahr 2000 die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Weg gebracht hatte, lag der Leitzins bei 4,5% und der Höchstrechnungszins der Lebensversicherung bei 4%. Seitdem wurde über 20 Jahre lang nichts mehr am Rentenkonzept geändert, und das, obwohl die Zinsen seitdem auf eine beispiellose Talfahrt geschickt worden waren. Auch die aktuelle inflationsgegensteuernde Zinspolitik der Zentralbanken wird am Niedrigzinsszenario auf lange Sicht nichts ändern, das in Teilen auch mit der demografischen Grundstruktur begründet wird: Die Babyboomer gehen in Rente, das umlagefinanzierte System wird auch durch verstärkte Zuwanderung nicht aufrechterhalten werden können. Eine Alterung der Gesellschaft geht fast immer mit deflationären Tendenzen einher.

Keine Garantien mehr

Das deutsche Rentensystem liegt am Boden: Nach Angaben der OECD beträgt das Deckungskapital von betrieblicher und privater Altersvorsorge nur 8% des deutschen Sozialprodukts und liegt damit weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder. Die Anzahl der Riester-Verträge ist seit 2018 sogar rückläufig. Vorsorgesparer haben aktuell nicht nur das Problem, dass ihre Ersparnisse zu geringe Zinserträge abwerfen, um im Alter den Lebensstandard zu halten: Es geht auch zu viel durch Kostenbelastung verloren, wie sie etwa durch die Renten- und die Beitragsgarantie erzeugt wird.

Die Abschaffung dieser beiden Garantien, die sich positiv auf die Rendite auswirken wird, kann daher als größte Leistung der Riester-­Reform bezeichnet werden, wie sie durch den Abschlussbericht der Fokusgruppe Mitte Juli an das Kabinett übergeben worden ist. So heißt es in der Begründung der Fokusgruppe: „Gerade bei einem langen Vorsorgezeitraum bergen Garantien den Nachteil, dass sie Anbieter vorrangig zu einer sicherheitsorientierten Anlage verpflichten und dadurch geringere Renditechancen bieten.“ Künftig werden Vorsorgesparer vor Beginn der Auszahlungsphase innerhalb eines Spielraums flexibel über ihr Vorsorgevermögen entscheiden können. Das Langlebigkeitsrisiko soll dann nicht mehr über eine verpflichtende Leibrente, sondern etwa über die Möglichkeit von separaten Versicherungslösungen abgedeckt werden können. Dies liefert dem Verbraucher eine höhere Flexibilität, z. B. bei der Finanzierung von Heilbehandlungsmethoden, dem Erwerb von Immobilien oder der Finanzierung von altersgerechten Umbaumaßnahmen. Den unterschiedlichen Lebensverläufen wird so künftig besser Rechnung getragen.

Größter Reformerfolg seit Riester

Wenn das Kabinett nach der Sommerpause dazu das Gesetz beschließen wird, haben wir hier nicht nur den größten Reformerfolg seit Riester zu verzeichnen, sondern erleben wahrscheinlich auch einen der bedeutendsten Erfolge der an positiven Nachrichten zuletzt nicht gerade gesegneten Ampelregierung.

Von Bismarck ist das Bonmot überliefert: „Wer weiß, wie Gesetze und Würste gemacht werden, kann nachts nicht mehr ruhig schlafen.“ Einblicke in eine Wurst­fabrik mögen noch heute Schlafstörungen verursachen, das neue Gesetz zur Einführung von Fondsspardepots als Bestandteil der privaten Altersvorsorge wird dies ganz sicher nicht. Ein Blick in den Abschlussbericht räumt vor allem mit der Mär auf, Versicherungsgesetze würden von der Lobby der Versicherungswirtschaft gestrickt. Im Gegenteil: Die Vorstellungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) werden Versicherer dazu zwingen, den Allfinanzgedanken wieder in den Fokus zu rücken und über grundlegend neue Konzepte nachzudenken wie etwa die Einbeziehung von hochrentierlichen, aber illiquiden alternativen Investments in Versicherungslösungen sowie Anlageformen etwa aus den boomenden Bereichen Energie und Infrastruktur, die bislang nur großen institutionellen Anlegern vorbehalten waren. Das Gesetz wird also auch dringend notwendige Reformen auf der Anlage­seite befeuern und damit neuen Industrien den Weg ebnen.

Breite Zustimmung

Zwar trägt der Bundesverband Investment und Asset Management e. V. (BVI) den Abschluss­bericht zu großen Teilen mit, dennoch kann man hier nicht von einer ausschließlichen Vollstreckung von BVI-Interessen sprechen, da sich der Konsens über viele Verbände und Parteien erstreckt, die an der Fokusgruppe mitgewirkt haben: allen voran die drei Parteien der Ampelkoalition selbst, die mit ihren Staatssekretären aktiv mitgearbeitet haben, aber auch Vertreter der Wissenschaft, z. B. Prof. Dr. Tabea Bucher-Koenen von der Universität Mannheim und ZEW, Prof. Dr. Oskar Goecke von der TH Köln oder Prof. Dr. Marlene Haupt von der Hochschule Ravensburg-Weingarten, um nur einige zu nennen. Auch Vertreter der Deutschen Bundesbank, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) arbeiteten in der Fokusgruppe mit. Die wissenschaftliche Fundierung ist notwendig, um technische Nachbesserungen im Nachgang möglichst gering zu halten. Schließlich soll das Gesetz dazu führen, dass sich die private Altersvorsorge eines Großteils der Deutschen spürbar verbessert.

Als Blaupause des dem Kabinett vorgestellten Fondssparplans kann dabei durchaus das als 401K bezeichnete kapitalgedeckte Altersvorsorgemodell in den USA gelten, das immerhin zwei Drittel der US-Haushalte in Anspruch nehmen und aktuell einen Betrag von 41 Bio. US-Dollar verwaltet. Bereits die Riester-Reform konnte vor mehr als 20 Jahren mit einer Abdeckung von heute 54% einen beachtlichen Durchdringungsgrad erzielen. Ein derartiges Erfolgskonzept wie das 401K-­Depot in den USA kann nun als sehr gute Blaupause für Deutschland dienen und lässt einen optimistischen Ausblick für die heimische Altersvorsorge zu. Vor allem erlaubt es endlich eine bessere Vorsorge auch für mittlere und untere Einkommen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Ralf Geithe – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Martin Stenger