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07/2015
24. Juli 2015
Der Versicherungsvermittler – eine gewerberechtliche Chimäre?

Der Versicherungsvermittler – eine gewerberechtliche Chimäre?

Wer gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will (Versicherungsvermittler), bedarf der Erlaubnis der zuständigen IHK (§ 34d Abs. 1 Satz 1 GewO). Entgegen dem scheinbar klaren Wortlaut dieser Vorschrift gibt es in der Praxis offenbar Fälle, in denen Versicherungsvermittler als Vertreter und (!) Makler tätig sind. Fehler der IHK oder eine rechtliche Chimäre?

Von Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler

In der griechischen Mythologie bezeichnete man ein Mischwesen als Chimäre: So beschreibt etwa Homer in der Ilias die Chimäre als feuerspeiendes Mischwesen: vorne wie ein Löwe, in der Mitte wie eine Ziege und hinten wie ein Drache. Im übertragenen Sinn steht der Begriff Chimäre deshalb auch für eine Fantasiegestalt. Der Versicherungsvertretermakler oder der Versicherungsmaklervertreter wäre eine solche Chimäre: vorne Versicherungsmakler, hinten Versicherungsvertreter oder vice versa.

Gewerberechtliche Vorgaben

Fachleute sind sich seit Langem einig. § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO unterscheidet klar zwischen Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern. Und § 34d Abs. 1 Satz 3 GewO bestimmt weiter, dass in der Erlaubnis anzugeben ist, ob sie einem Versicherungsmakler oder einem Versicherungsvertreter erteilt wird. Demzufolge gibt es immer nur eine Erlaubnis als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter. Und das ist auch sachgerecht. Zu groß sind die Unterschiede zwischen diesen Vermittlertypen. Der Versicherungsvertreter steht im Lager des Versicherers und vertritt dessen Interessen. Der Versicherungsmakler steht als Sachwalter im Lager des Kunden und vertritt dessen Interessen. Die vertretenen Interessen stehen sich diametral gegenüber. Würde ein Versicherungsvermittler gleichzeitig als Versicherungsvertreter und als Versicherungsmakler tätig, müsste er in sich gleichzeitig die beiden gegen­einander laufenden Interessen wahrnehmen, was zwangsläufig Interessenkonflikte auslösen würde. Zu Recht wird deshalb auch von der Polarisation der beiden Vermittlertypen ge­sprochen. Darüber hinaus beinhaltet die einem Versicherungsmakler erteilte Erlaubnis auch die Befugnis, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten; diese Befugnis zur Beratung erstreckt sich auch auf Beschäftigte von Unternehmen in den Fällen, in denen der Versicherungsmakler das Unternehmen berät (§ 34d Abs. 1 Satz 4 GewO). Also auch hier eine klare Zuordnung der Rechtsberatungsbefugnis an den Versicherungsmakler. Auch dies schließt eine gleichzeitige Zulassung als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler ersichtlich aus. Also eine scheinbar einfache und klare gesetzliche Bestimmung, die fehlerfreies Verwaltungshandeln ermöglicht.

Doppelzulassung möglich?

Und doch sorgt im Moment eine scheinbare Doppelzulassung für gewerbe­rechtliche Irritationen. Ein Versicherungsvertreter betreibt mit Segen seines Versicherers und mit Zulassung der IHK gleichzeitig auch einen Versicherungsmaklerbetrieb. Nach Angaben des Versicherers handelt es sich hier um einen absoluten Ausnahmefall. Dies allerdings bezogen auf die Ausschließlichkeitsbindung des Versicherungsvertreters. Gewerberechtlich erscheint die Konstellation angesichts der oben geschilderten Vorgaben demgegenüber klar contra legem. Und doch liegt die Erlaubnis der zuständigen IHK vor. Die Stellungnahme des DIHK verblüfft: Das Gewerberecht erlaube, dass ein Vermittler in rechtlich selbstständigen Rechtsformen einerseits als Versicherungsmakler – zum Beispiel als GmbH – und andererseits als Versicherungsvertreter – etwa als Einzelunternehme­r – tätig werde. Denn es handele sich um zwei unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten, die gewerberechtlich getrennt zu beurteilen seien. Der Vermittler müsse seine Kunden nur über den Status informieren, den er bei einem konkreten Geschäft einnehme.

Rechtsform als Gestaltungsmittel

Mit anderen Worten: Eine natürliche Person erhält jeweils nur eine Erlaubnis als Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter. Eine weitere Erlaubnis ist nicht möglich. Gründet die natürliche Person aber eine juristische Person, etwa eine GmbH, kann die juristische Person ohne Weiteres eine Erlaubnis für die jeweils andere Vermittlertätigkeit ­erhalten – auch wenn die natürliche Person zugleich Geschäftsführer, also Organ, der juristischen Person ist. Im Rechtsverkehr mit Kunden tritt diese natürliche Person dann doppelt auf. Einmal als natürliche Person – zum Beispiel als Versicherungsvertreter – und zum anderen als Geschäftsführer, zum Beispiel einer Versicherungsmakler-GmbH. Wann soll sich entscheiden, in welcher Funktion die Person dem Kunden gegenübertritt? Gemäß § 11 VersVermV muss jeder Versicherungsvermittler seinen Status beim ersten geschäftlichen Kontakt mit dem Kunden offenlegen. Das macht Sinn, solange der Vermittler nur einen Status hat. Aber was ist, wenn der Versicherungsvertreter beim nächsten Geschäft mitteilt, dass er „heute nicht als Versicherungsvertreter, sondern als Geschäftsführer einer Versicherungsmakler-GmbH“ komme. Welcher Kunde soll das verstehen? Dieser ist in der Regel auf die Person und nicht auf die Funktion des Vermittlers fokussiert und kann die Funktionen angesichts der teilweise phantasievollen Bezeichnungen der Vermittler sowieso meist nicht auseinanderhalten. Hier sollte ja die vom Gesetz eingeführte Polarisation gerade Abhilfe schaffen. Klare Zuordnung des Vermittlers in das Lager des Versicherers oder in das Lager des Kunden. Und zwar bereits bei der Zulassung und nicht erst auf der Couch des Kunden.

Zweck und Zielsetzung des Gesetzes

Und wenn es jetzt schlicht heißt, das Gewerberecht erlaube es, dass ein Vermittler in unterschiedlichen Rechtsformen gleichzeitig als Versicherungsmakler und als Versicherungsvertreter tätig sein könne, wird damit etwas in das Gesetz hineingelesen, was dort gar nicht enthalten ist („Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr’s nicht aus, so legt was unter!“ Goethe). Um den Inhalt des Gesetzes zu erfassen, müssen die Bestimmungen der Gewerbeordnung nicht nur nach dem Wortlaut und dem subjektiven Willen des Gesetzgebers, sondern vor allem nach dem Zweck, der verobjektivierten Zielsetzung des Gesetzes, ausgelegt werden.

Die Zielsetzung der Regelungen der §§ 34d und 34e GewO ist eindeutig. Klare Trennung der Vermittlertypen (Versicherungsvertreter, Versicherungs­makler, Versicherungsberater), klare Trennung der Erlaubnisse, klare Kommunikation der Funktion gegenüber den Kunden. Und diese Zielsetzung verbietet es, die klare Trennung über „Rechtsformgestaltungen“ aufzuheben oder zu verwässern. Das bedeutet, dass eine natürliche Person mit ­Erlaubnis für eine Versicherungsvermittlung auch nur einmal in das ­Vermittlerregisterregister eingetragen werden darf. Eine weitere Eintragung als Geschäftsführer eines weiteren Erlaubnisträgers ist dann nicht mehr möglich. Das schließt nicht aus, dass die natürliche Person an einer juristischen Person kapitalmäßig beteiligt ist. Ausgeschlossen ist aber eine weitere, der ersten Zulassung widersprechende operative Tätigkeit als Versicherungsvermittler beziehungsweise dessen Organ. Andernfalls wäre es ja sogar möglich, als Versicherungsvertreter, Geschäftsführer einer Makler-GmbH und als Geschäftsführer einer Versicherungsberater-GmbH oder in einer anderen Kombination in einer Person das gesamte Spektrum des Marktes abzubilden und die beabsichtigte Klärung der unterschiedlichen Berufsbilder und Interessenlagen ad absurdum zu führen. Also keine Chimäre, sondern ein Fehler der IHK.

Den Text Text lesen Sie auch in der AssCompact 07/2015, Seite 80f.

 

Der Versicherungsvermittler – eine gewerberechtliche Chimäre?