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14. März 2024
Die Divergenz ist zurück – Zeit für Multi-Asset
A visually appealing 3D pie chart representing an investment portfolio.

Die Divergenz ist zurück – Zeit für Multi-Asset

Zunehmende Performanceunterschiede zwischen Anlageklassen, Regionen und Sektoren führen zu einer größeren Chancenvielfalt für Multi-Asset-Strategien. Gregor Hirt von AllianzGI erläutert, wie diese Strategien ein wichtiges Element eines erfolgreichen Portfolios darstellen können.

Ein Artikel von Gregor Hirt, Global CIO Multi Asset bei Allianz Global Investors

Mit dem Ende des Zinserhöhungszyklus entwickeln sich die Aussichten für die bedeutenden Volkswirtschaften stärker auseinander. Nachdem die Zentralbanken in den USA und Europa im Kampf gegen die Inflation über viele Monate hinweg weitgehend den gleichen Weg gegangen sind, wird nun zunehmend deutlich, dass sie auf neue Daten unterschiedlich reagieren werden. Denn die Länder stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen und müssen diesen mit unterschiedlichen Maßnahmen begegnen. Hinzu kommen weiterhin oder erneut expansive geldpolitische Ausrichtungen in Japan und China.

Regionale Divergenzen können nach vorne schauend zu einer größeren Performancestreuung zwischen Anlageklassen führen. Aus Sicht von Multi-Asset-Investoren eröffnen sich dadurch Möglichkeiten für ein gezieltes Engagement in Bereichen mit Outperformance-­Potenzial. So sind nach den aggressiven Leitzinserhöhungen etwa im Anleihebereich traditionelle „sichere Häfen“ wie US-Staatsanleihen wieder attraktiv geworden. Spreads von Hochzinsanleihen hingegen boten per Jahresbeginn 2024 in den USA keinen großen Puffer mehr für den Fall, dass sich die Wirtschaft weiter abschwächt und die Volatilität zunimmt.

Rückbesinnung auf Wachstum kann Wiederherstellung historischer Korrelationen fördern

Diversifikation ist ein Grundprinzip von Multi-Asset-Strategien. Sie zahlt sich umso mehr aus, je weniger die Renditen der einzelnen Anlageklassen miteinander korreliert sind. Seit der Jahrtausendwende waren US-Anleihen und -Aktien überwiegend negativ miteinander korreliert. Das führte zu größeren Diversifikationsvorteilen für Multi-Asset-Portfolios, die in der Regel schwerpunktmäßig in diesen zwei Anlageklassen investiert sind. Seit 2021 wiesen Aktien und Anleihen allerdings oftmals eine stark positive Korrelation auf. Das erschwerte selbst sehr aktiven und flexiblen Multi-Asset-Investoren die Arbeit.

Unserer Einschätzung nach ist die seit der zweiten Jahreshälfte 2023 erneut positive Korrelation zwischen Aktien und Anleihen weitgehend auf strukturelle Inflationsrisiken im postpandemischen Umfeld sowie auf Zentralbankmaßnahmen zurückzuführen, die diese Märkte tendenziell in die gleiche Richtung gedrängt haben. Nachdem der Inflationsdruck inzwischen nachlässt und der Straffungszyklus der Zentralbanken sein Ende gefunden hat, dürfte sich der Markt-Fokus zunehmend von der Inflation auf das Wirtschaftswachstum verlagern. In der Folge sollten auch die Korrelationen wieder eher dem vor 2020 typischen Muster entsprechen. Daher können traditionelle Portfoliogewichtungen wie etwa 60:40 – Depotaufteilungen mit 60% in Aktien, 40% in Anleihen – oder 30:70-Vermögensaufteilungen wieder ein gewisses Comeback feiern. Im aktuellen Umfeld sollten allerdings auch alternative Anlageklassen wie Rohstoffe und Private-­Markets-Anlagen in Betracht gezogen werden.

Vorsicht bei den „Magnificent Seven“

In einem Wirtschaftsumfeld, in dem Wachstumssorgen stärker als Inflationsbefürchtungen wiegen, dürfte es nicht nur zu einer zunehmenden Divergenz zwischen, sondern auch innerhalb von Anlageklassen kommen. Bei Aktien kommt es daher auf eine gezielte Branchen- und Titelauswahl an. AllianzGI ist im Rahmen der Multi-Asset-Strategie insgesamt verhalten positiv für Aktien gestimmt, mit einer taktischen Präferenz für japanische Titel. Japanische börsennotierte Unternehmen gehören zu den wenigen Unternehmen aus Industrieländern, die noch immer Unterstützung durch niedrige Zinsen erhalten. Angesichts einer stabilen Entwicklung der Unternehmensgewinne, die auf positive makroökonomische Daten und Unternehmensreformen zurückzuführen ist, waren die Bewertungen für solche Titel zuletzt relativ attraktiv.

Einen Blick wert erscheinen zudem Energie-, Banken- und Grundstoffaktien. Der Energiesektor überzeugt mit einem günstigen Mix aus adäquaten Bewertungen, positiven Gewinnrevisionen und einer starken Dynamik. Auch im Bankensektor sind die Bewertungen relativ attraktiv, basierend auf einer gestärkten Ertragsbasis infolge der höheren Zinsen. Allerdings könnte der Sektor unter Druck geraten, falls die Konjunkturflaute in Europa deutlich länger andauert als erwartet. Der Grundstoffsektor schließlich hat das Rezessionsrisiko wohl angemessener eingepreist als andere Branchen. Außerdem manifestieren sich hier positive Auswirkungen jahrelanger Unterinvestitionen sowie der steigenden weltweiten Nachfrage nach Elektromobilität.

Demgegenüber sind unsere Multi-Asset-Portfolios defensiver in Bezug auf die sogenannten „Magnificent Seven“ positioniert. Diese Tech-Aktien erscheinen uns teuer und wir sehen ihre extreme Konzentration im NASDAQ-Index kritisch. Hinter der beeindruckenden Rallye der Technologiewerte 2023 stand primär der Hype um künstliche Intelligenz und insbesondere die neue Chatbot-Generation. Die Frage wird sein, ob und gegebenenfalls welche Unternehmen in der Lage sein werden, die Erwartungen eines KI-­getriebenen Produktivitätsschubs kurzfristig in Ertragspotenzial umzumünzen.

Dynamischer Ansatz ist in unsicheren Zeiten entscheidend

Über das gesamte Anlagespektrum hinweg dürfte künftig ein differenzierter Investmentansatz wichtig sein. In einer Ära mit einem wieder normaleren Zinsumfeld werden nicht alle Anlageklassen gut abschneiden. Infolgedessen ist weiter mit Volatilitätsschüben zu rechnen, was Diversifikation umso wichtiger macht. Anlegern ist eine größere Flexibilität angeraten, auch um jenseits von Anleihen- und Aktienkerninvestments Chancen aufzuspüren. In Phasen größerer Unsicherheit ist zudem ein dynamischer Ansatz wichtig: Anlagesegmente sollten regelmäßig hinsichtlich Chancen infolge von Bewertungskorrekturen abgeklopft werden. Darüber hinaus ist der Einbau optionsbasierter Absicherungsstrategien überlegenswert, um bei abrupten Marktbewegungen Short-Positionen eingehen und in liquide Alternativen investieren zu können.

Grundsätzlich aber ist das ausgewogenere Marktumfeld für Multi-Asset-Strategien mit Blick auf das Jahr 2024 eine gute Nachricht. Die überfällige Neubewertung der Anleiherenditen in Verbindung mit voraussichtlich zunehmenden Divergenzen zwischen Anlageklassen, Regionen und Sektoren kann den Weg für einen aktiveren Asset-­Management-Ansatz ebnen, mit dem sich Alpha-Chancen erschließen lassen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © stocker – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Gregor Hirt