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4. Dezember 2023
Fallstricke beim Ausgleichsanspruch
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Fallstricke beim Ausgleichsanspruch

Der Ausgleichsanspruch hat den Zweck, den Kundenstamm, den der Vermittler aufgebaut hat und der vom Versicherer auch weiterhin genutzt werden kann, nach Beendigung des Handelsvertretervertrags zu vergüten. Doch bei der Geltendmachung gegenüber dem Versicherer lauern Fallstricke.

Ein Artikel von Stefan Schelcher, Syndikusrechtsanwalt beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V.

Schaut man sich den Altersdurchschnitt von Versicherungsvermittlern in Deutschland an, verwundert es nicht, dass Themen in Verbindung mit dem Ausgleichsanspruch nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) vermehrt in den Fokus der Vermittlerinnen und Vermittler treten. Doch auch jüngere Vermittler sollten die Thematiken kennen, um frühzeitig, teilweise auch schon beim Abschluss der Handelsvertreterverträge, die Weichen für spätere höhere Ausgleichsansprüche zu stellen. Zu nennen wären hier nur beispielhaft die vertragliche Vereinbarung der möglichen Berücksichtigung von Angestelltenzeiten oder Regelungen zur Berücksichtigung von übertragenen Beständen. Zudem ist es sinnvoll, die grundsätzlichen Voraussetzungen der Anspruchsentstehung zu kennen, insbesondere für den Fall, dass eine Veränderung beim Vertragspartner oder auch ein Wechsel in den Maklerstatus angedacht ist. Grundsätzlich gilt es hierbei zu beachten, dass außerhalb der in § 89b HGB genannten Ausnahmen ein Ausgleichsanspruch im Falle einer Eigenkündigung durch den Handelsvertreter nicht anfällt.

Die Vielzahl der möglichen Thematiken würde den hiesigen Rahmen sprengen. Dieser Beitrag konzentriert sich daher auf zwei Thematiken, die immer noch regelmäßig Gegenstand von rechtlichen Beratungen sind und in der tatsächlichen Auswirkung von sehr hoher Relevanz sind.

„Bruttodifferenzmethode“

Die erste Thematik betrifft die Ausgleichsberechnung auf Grundlage der sogenannten „Bruttodifferenzmethode“.

Der Gesetzgeber hat in § 89b HGB keine konkreten Berechnungsvorschriften für einen Ausgleichsanspruch geregelt. Er spricht nur von einem Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich. In der Folge wurden durch Branchenverbände die „Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs“ entwickelt, die vielfach für die Berechnung herangezogen und zu weiten Teilen auch agenturvertraglich vereinbart sind. In den Grundsätzen wurden Berechnungsweisen für die Ausgleichsansprüche in den fünf Bereichen Sach, Leben, Kranken, Bausparen und Finanzdienstleistung vereinbart.

Insbesondere im Bereich „Sach“ werden im Rahmen der Mitgliederberatung durch den Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK) jedoch regelmäßig Fehlberechnungen der Versicherer festgestellt, die umgehend beanstandet werden müssen, da sie sich teils drastisch auf die Ausgleichsergebnisse auswirken. Denn regelmäßig wenden Versicherer bei der Berechnung der Ausgleichsansprüche im Bereich „Sach“ immer noch die sogenannte „Bruttodifferenzmethode“ an, obwohl diese nach diverser untergerichtlicher und auch obergerichtlicher Rechtsprechung (siehe Urteile des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth vom 01.03.2013 – Az. 5 HKO 8765/12 und des Oberlandesgericht (OLG) Köln vom 23.10.2015 – Az. 19 U 43/15) unzulässig ist.

Die Problematik ergibt sich bei der Berücksichtigung von Beständen, die nicht selbst vermittelt sind, sondern den jeweiligen Vermittlern zur Betreuung übertragen wurden.

Im Bereich „Sach“ ist Grundlage der Berechnung die durchschnittliche Bestandspflegeprovision der letzten fünf Jahre aus dem selbst vermittelten Geschäft. Bestandsprovisionen aus übertragenem Geschäft werden nach mehr als zehn Jahren nach Übertragung mit 33,33%, nach mehr als 15 Jahren nach Übertragung mit 66,66% und nach mehr als 20 Jahren nach Übertragung mit 100% berücksichtigt. Im Kfz-Bereich erfolgt eine volle Berücksichtigung bereits zehn Jahre nach der Übertragung.

Für die Berechnung der Ausgleichsansprüche werden seitens der Versicherungsunternehmen in der Regel zunächst die Bestandsgrößen herangezogen, die dann mit dem vereinbarten Provisionssatz multipliziert werden. Dieses Verfahren ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Regelmäßig ziehen jedoch die Versicherer in den Ausgleichsberechnungen die nicht zu berücksichtigenden übertragenen Bestände in vollem Umfang, das heißt in der Höhe vom Gesamtbestand ab, in der sie einmal übertragen wurden. Hiermit wird quasi unterstellt, dass sämtliche seinerzeit übertragenen Bestände zum Zeitpunkt der Ausgleichsberechnung noch in voller Höhe vorhanden waren.

Eine derartige Annahme dürfte jedoch völlig realitätsfremd sein und in nahezu allen Fällen zu fehlerhaften Berechnungen von bis zu fünfstelligen, teilweise sogar sechsstelligen Beträgen führen. Denn gerade im Bereich „Sach“ dürfte, insbesondere im Kfz-­Bereich, eine große Fluktuation und ein damit verbundener Bestandsabrieb die Regel sein. Berechnet man den Ausgleichsanspruch nach der „Bruttodifferenzmethode“, würden Bestände und somit Provisionen in Abzug gebracht, die tatsächlich aber gar nicht mehr da sind bzw. geflossen sind. Dies kann jedoch, wie auch bereits mehrfach gerichtlich bestätigt, nicht richtig sein. Sind vom übertragenen Bestand Teilbestände vorher entfallen, fehlt es am Provisionszufluss aus den übertragenen Beständen. Daher kann natürlich nur noch auf den noch vorhandenen übertragenen Restbestand abgestellt werden.

Wie bereits oben erwähnt, hat das OLG Köln durch sein Urteil im Jahr 2015 die gängige Rechtsprechung der Landgerichte bestätigt und die „Bruttodifferenzmethode“ als unzulässig erachtet. Das OLG führte aus, dass es in der Praxis darauf ankomme, in welchem Umfang übertragene Bestände im Berechnungszeitraum noch vorhanden seien. Nur diese dürften nach den Quoten in den Grundsätzen abgezogen werden.

Hinzu kommt, dass nach dem Urteil des OLG Köln zwar grundsätzlich die Vertreter für alle anspruchsbegründenden Tatsachen und somit hinsichtlich der Ausgleichsanspruchsvoraussetzungen beweispflichtig sind, dem Vertreter jedoch regelmäßig die Beweisführung unzumutbar, wenn nicht unmöglich ist. Dies liegt auf der Hand, da dem Vertreter nach Vertragsende keinerlei Bestandslisten oder Geschäftsunterlagen mehr zur Verfügung stehen, aus denen er die Ermittlung der bereits weggefallenen oder noch vorhandenen Bestände nachvollziehen kann. Das OLG Köln hat in dem oben genannten Urteil in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass den Versicherungsunternehmen die Bestände bekannt sind und die Unternehmen daher eine sekundäre Beweislast trifft. Dies dürfte in der Konsequenz des Urteils regelmäßig dazu führen, dass das Versicherungsunternehmen O die notwendigen Informationen liefern muss. Sollte dies dem Unternehmen nicht möglich sein, geht dies zulasten des jeweiligen Versicherungsunternehmens.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Vielzahl von Versicherungsunternehmen trotz der eindeutigen Rechtsprechung an der unzulässigen „Bruttodifferenzmethode“ festhält und somit regelmäßig fehlerhafte Ausgleichsberechnungen zulasten der ausscheidenden Vermittler erstellen. Es ist daher zu empfehlen, Ausgleichsberechnungen unbedingt zu überprüfen und gegebenenfalls zu monieren.

Ausgleichsanspruch bei Maklern

Eine zweite Thematik ist die Frage, ob auch Maklern ein Ausgleichsanspruch zusteht oder zumindest zustehen kann. Diese Frage beschäftigt nicht nur bereits tätige Makler, sondern möglicherweise auch Handelsvertreter bei der Überlegung, ob ein Statuswechsel vom Handelsvertreter nach §§ 84 f. HGB zum Makler nach §§ 93 f. HGB angestrebt werden soll.

Ausdrücklich soll hier klargestellt werden, dass diese Frage nach der gesetzlichen Systematik und der einschlägigen Rechtsprechung verneint werden muss.

Die gesetzliche Systematik ist insoweit zu beachten, als dass der den Ausgleichsanspruch regelnde § 89b HGB im siebten Abschnitt des HGB unter den Regelungen zum Handelsvertreter gem. §§ 84 ff HGB zu finden ist. Die Regelungen zum Handelsmakler findet man anschließend im achten Abschnitt in den §§ 93 f. HGB. Unter den Regelungen der §§ 93 f. HGB ist jedoch kein Verweis darauf zu finden, dass § 89b HGB auch für den Handelsmakler gelten soll. Daraus ist zu folgern, dass der Gesetzgeber den Handelsmaklern gerade keinen Ausgleichsanspruch zubilligen wollte. Die Rechtsprechung hat diesen Schluss auch bereits mehrfach bestätigt. So führte beispielsweise das OLG Köln durchaus nachvollziehbar in seiner Entscheidung 2018 (OLG Köln, Beschluss vom 21.11.2018 – Az. 20 U 45/18) aus, dass ein Ausgleichsanspruch nur einem Versicherungsvertreter – nicht jedoch einem Versicherungsmakler – zustehen könne.

Dies ergebe sich aus der systematischen Stellung der Vorschriften über den Handels- bzw. Versicherungsmakler in §§ 93 f. HGB, die auf § 89b HGB nicht Bezug nehmen. Eine analoge Anwendung des § 89b HGB auf Handelsmakler werde – soweit ersichtlich – in Rechtsprechung und Literatur zu Recht nicht erwogen. Sie würde auch dem gesetzgeberischen Konzept widersprechen, das vorsehe, dass der Handelsmakler im Lager des Versicherungsnehmers stehe und gegenüber dem Versicherer eine unabhängige Stellung einnehmen solle.

Dieser Ansicht dürfte im Ergebnis nichts entgegenzusetzen sein. Denn ein möglicher Ausgleichsanspruch würde die besondere Maklerstellung als „Sachwalter“ des Kunden und somit seine Unabhängigkeit von den jeweiligen Versicherungsunternehmen gefährden.

Teilweise wird dem entgegengehalten, dass es doch immer wieder Entscheidungen gebe, die einem Handelsmakler Ansprüche, beispielsweise Ausgleichsansprüche oder auch im Rahmen der Nachbearbeitung in Stornofällen nach § 87 Abs. 3 HGB, zubilligen, die eigentlich nur einem Handelsvertreter zustehen.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass in diesen Fällen der konkrete „Handelsmaklervertrag“ in seiner Ausgestaltung und den enthaltenen Regelungen dem Status eines Handelsmaklers zumindest teil­weise so widersprach, dass das Vertragsverhältnis nicht dem eines Handelsmaklers nach §§ 93 f. HGB, sondern eher dem eines Handelsvertreters nach §§ 84 f. HGB entsprach. Im Ergebnis musste daher entweder das ganze Vertragsverhältnis als ein Handelsvertretervertragsverhältnis nach §§ 84 f. HGB angesehen werden, oder es durften zumindest teilweise Ansprüche analog angewendet werden. Insoweit handelte es sich vereinfacht ausgedrückt nicht um Ansprüche eines Handelsmaklers, sondern um Ansprüche eines Handelsvertreters, wodurch in diesen Fällen dann natürlich auch die entsprechenden Vorschriften und Ansprüche angewendet werden konnten und geltend gemacht werden durften. Im Einzelfall muss daher jeder Handelsmakler seine Verträge genau prüfen, ob die jeweiligen Regelungen dem Maklerstatus so derart widersprechen, dass die Verträge eigentlich als Handelsvertreterverträge angesehen werden müssen und in der Folge Ansprüche nach den §§ 84 f. HGB geltend gemacht werden können.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Monster Ztudio – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Stefan Schelcher