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Steuern & Recht
26. Februar 2024
Falscher Rat: Steuerermäßigung gibt es nur einmalig

Falscher Rat: Steuerermäßigung gibt es nur einmalig

Ein Steuerberater muss seinen Mandanten darüber aufklären, wenn eine Steuerermäßigung nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden kann. Auch dann, wenn das Finanzamt die Steuerermäßigung eigenmächtig gewährt hat. Tut der Steuerberater dies nicht, muss er haften.

Ein Steuerberater prüfte für einen Mann, der Gesellschafter einer Praxis für Radiologie und Strahlentherapie war, dessen Steuerbescheid, wonach der Mann für das Veranlagungsjahr 2006 Steuern nachzahlen sollte. In dem Bescheid erfasste das Finanzamt Lübeck fälschlicherweise einen Betrag von 39.932 Euro als Veräußerungsgewinn, ohne dass der Steuerberater dies für seinen Mandanten beantragt hatte, und wendete den ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 3 S. 1 EStG darauf an, was zu einer Steuerminderung von rund 8.000 Euro führte. Bei den 39.932 Euro handelte es sich allerdings um Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung an die Gemeinschaftspraxis. Insofern hat das Finanzamt also fälschlicherweise einen speziellen ermäßigten Steuersatz angewendet, der nur einmal im Leben genutzt werden kann. Der Steuerberater empfahl jedoch, nicht gegen den Bescheid vorzugehen, da sonst eine höhere Nachzahlung drohe. Der Mann folgte diesem Rat.

Der Steuerbescheid zehn Jahre später

Im Jahr 2016 verkaufte der Mann seinen Anteil an der Gemeinschaftspraxis mit einem Veräußerungsgewinn von 1.176.690,00 Euro. Sein Steuerberater beantragte nun für die Steuererklärung, bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 3 EStG wegen Vollendung des 55. Lebensjahres oder dauernder Berufsunfähigkeit (§ 34 Abs. 3 S. 1 EStG a.E.). Das Finanzamt lehnte ab, dieser Steuersatz könne nur einmal im Leben beansprucht werden und sei bereits verbraucht. Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg, der Bundesfinanzhof bestätigte die Ansicht des Finanzamts (Az. VIII R 2/19).

Klage um Schadenersatz vonseiten des Steuerberaters

Nachdem das Finanzamt an seinem Steuerbescheid festhalten konnte, verlangte der Mann schließlich vor dem Landgericht Lübeck von dem Steuerberater Schadenersatz. Der Steuerberater hätte ihm raten müssen, gegen den Bescheid vorzugehen. Anders sieht dies der beklagte Steuerberater: Er habe nicht wissen können, dass der ermäßigte Steuersatz auch dann verbraucht sei, wenn dieser gar nicht beantragt wurde. Gerichtsentscheidungen habe es dazu noch nicht gegeben, so der Steuerberater weiter. Ähnlich sah dies auch sein Haftpflichtversicherer, der keine Pflichtverletzung bei der Beratung und Prüfung des Steuerbescheides 2006 sah. Die Versicherung wies zu diesem Zeitpunkt den Anspruch auf Schadenersatzzahlungen zurück.

Aufklärungspflicht des Steuerberaters

Das Landgericht Lübeck gab dem klagenden Steuerpflichtigen in einem Urteil vom 11.01.2024 nun aber Recht. Der Steuerberater habe den Mann darauf hinweisen müssen, dass der vergünstigte Steuersatz nur einmal im Leben beansprucht werden kann. Dabei spiele es keine Rolle, dass das Finanzamt die Steuerermäßigung ursprünglich eigenmächtig, also ohne Beantragung, gewährt habe. Da der beklagte Steuerberater dieser Aufklärungspflicht nicht nachgekommen ist, muss er dem Kläger den Schaden, der mittlerweile auf rund 220.000 Euro beziffert wurde, ersetzen.

Landgericht Lübeck, Urteil vom 11.1.2024, Az. 15 O 72/23, nicht rechtskräftig

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