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01/2015
22. Januar 2015
Gebäudeversicherung – Brände vermeiden und Schäden minimieren

Gebäudeversicherung – Brände vermeiden und Schäden minimieren

Die von der Bundesregierung angestrebte Energiewende und die von ihr geförderten ­Wärmeschutzmaßnahmen an Gebäuden in Form von Fassaden- und Dachdämmungen schaffen neue, bisher in ihrer Tragweite kaum bekannte Risiken, die es bei der Gebäudeversicherung zu berücksichtigen gilt. Viele Risiken und Informationen dürften bisher nur wenigen in der Versicherungsbranche bekannt sein.

Die bauliche Bewertung eines zu versichernden Gebäudes wird, so glauben viele Experten, in der Zukunft zu einem elementaren Bestandteil der Risikobewertung insgesamt werden. Denn Bauweise und Baustoffe haben ­wesentlichen Einfluss auf die Ausbreitung eines Brandes in ­einem Gebäude. Aktiv empfehlen sollte die Versicherungsbranche ihren Kunden Baustoffe, die eine Ausbreitung von Feuer und Rauch im Brandfall verhindern, selbst wenn deren Verwendung vom Gesetzgeber für ein zu versicherndes Gebäude nicht zwingend vorgeschrieben wird.

In der Bauordnung heißt es ganz allgemein: „Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“ Der im Bauordnungsrecht tatsächlich geforderte Brandschutz allerdings beschreibt nur ein verpflichtendes Mindestmaß zur Erfüllung des § 14 der Musterbauordnung. Experten empfehlen jedoch ­inzwischen einige über dieses Mindestmaß hinausgehende Maßnahmen wie zum Beispiel die Entscheidung für nichtbrenn­bare Baustoffe auch dort, wo sie von der Musterbauordnung nicht gefordert sind. Warum sie für den vorbeugenden baulichen Brandschutz in Gebäuden wirklich für jegliche Nutzung zu empfehlen sind, soll im Folgenden am Beispiel der Fassadendämmung gezeigt werden.

Das Gebäude

Ein Feuer entsteht vor dem Haus – zum Beispiel weil ein Müllcontainer Feuer fängt. Das klingt zunächst so, als habe dies mit der Gebäudeversicherung nichts zu tun. Doch zahlreiche schwere Fassadenbrände der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass das ein Trugschluss ist. Schlagen nämlich die Flammen gegen eine Hauswand, so haben die Bauweise und die Auswahl der eingesetzten Materialien einen nicht unerheblichen Einfluss auf die weitere Brandausbreitung. Der Einsatz nicht brennbarer Materialien an der Fassade trägt aktiv zur Minimierung der Brandlast bei und kann die Geschwindigkeit der Brandausbreitung deutlich ­reduzieren. So gewinnen die Rettungskräfte unter Umständen entscheidende Minuten für die sichere Bergung von Menschen.

Die Materialien

Jährlich brennen in Deutschland rund 70.000 Gebäude. Etwa 8.000 Schwerverletzte sind zu beklagen, volkswirtschaftliches Vermögen von mehreren Milliarden Euro wird vernichtet. Experten sind sich deshalb einig, dass zur Reduzierung von Brandschäden an Gebäuden die weitestgehende Verwendung nicht brennbarer Materialien auch im Sinne der Versicherungsbranche anzuraten ist. In modernen Gebäuden sind unzählige Baustoffe verbaut, deren Reaktionen und Wechselwirkungen im Brandfall nicht bekannt und schon gar nicht deklariert sind. Das gilt nicht nur für die Gebäudehülle, sondern auch für die Gebäudeausstattung, zum Beispiel das Mobiliar. Bei den Baustoffen liegt der Vorteil aus brandschutztechnischer Sicht darin, dass sie klassifiziert sein müssen und somit deutlich zu erkennen ist, ob ein Baustoff brennbar oder nicht brennbar ist.

Bei der Beurteilung von Bauprodukten wird in der europäischen Normenreihe EN 13501 bzgl. des Brandverhaltens ­unterschieden zwischen dem Feuerwiderstand des gesamten Bauteils, also beispielweise der Fassade, und dem Brandverhalten von Baustoffen, also zum Beispiel des Fassadendämmstoffes. Jeder Baustoff wird einer von sieben Euroklassen zugeordnet (Euroklassen A1 und A2 = nicht brennbar und B bis F = brennbar), dabei werden grundsätzlich drei Eigenschaften zum Brandverhalten bei der Prüfung berücksichtigt:

  • Feuerüberschlag (Flashover)
  • Rauchentwicklung
  • brennendes Abtropfen

Es macht einen großen Unterschied, ob Bauprodukte zu einem Feuerüberschlag führen oder nicht, ob sie also Feuer explosionsartig beschleunigen, sobald ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht.

Der Faktor Zeit

Feuer entsteht durch das Zusammentreffen von brennbaren Stoffen, Sauerstoff und Energie im richtigen Mengenverhältnis. In der Entstehungsphase ­eines Wohnungsbrandes innerhalb eines Gebäudes brennen in der Regel zunächst Einrichtungsgegenstände und bilden Verbrennungsgase (Pyrolysegas). Kann der entstehende Rauch nicht durch Raumöffnungen abgeführt werden, kommt es zu einem Wärmestau an der Decke. Die sich nun schnell und stark erwärmende Luft führt zu einer extremen Erhitzung aller Einrichtungsgegenstände. Die Oberflächen der brennbaren, aber noch nicht brennenden Gegenstände gasen aus und zünden dann schlagartig ohne Zündflamme. Dies ist der sogenannte Flashover, das heißt der blitzartig ablaufende Übergang eines Entstehungsbrandes zum Vollbrand. Dieser Vorgang ereignet sich zumeist bereits nach einigen Minuten, abhängig von Faktoren wie Raumgröße, Ventilation und Brandlast. Grundsätzlich gilt: Feuer breitet sich dann mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 m/s aus. Für die Rettungskräfte zählt deshalb jede Minute, die gewonnen wird, weil nicht brennbare Baustoffe die weitere Ausbreitung des Feuers oder die Entstehung von Gasen reduzieren.

Kein Feuer ohne Rauch

Zahlreiche Katastrophen, wie der verheerende Brand am ­Düsseldorfer Flughafen 1996, haben gezeigt, dass nicht nur das Feuer selbst eine Gefahr darstellt, sondern vor allem giftige Rauchgase viele Menschen umkommen lassen. 80% aller Brandopfer verbrennen nicht, sie ersticken an dem entstehenden giftigen Brandrauch. Im Rahmen einer Prüfung gemäß dem europäischen Klassifizierungssystem wird deshalb auch die Rauchentwicklung in den Klassen A2 bis D getestet – als A1 klassifizierte Baustoffe zeigen per definitionem keine oder nur sehr geringe Rauchentwicklung. Beschrieben wird die Rauchentwicklung in drei Intensitätsstufen: s1, s2 und s3.

Die Vorschriften

Der bauliche Brandschutz ist Teil des Bauordnungsrechts, dem auf Länderebene die Landesbauordnungen zugrunde ­liegen. Alle Landesbauordnungen unterscheiden nach:

  • Gebäuden normaler Art und Nutzung (Wohngebäude und Gebäude vergleichbarer Nutzung) und
  • Sonderbauten (zum Beispiel Hochhäuser, Industriebauten, Krankenhäuser, Versammlungsstätten).

Gesetzlich gestattet ist zum Beispiel der Einsatz brennbarer Dämmstoffe bei Gebäuden normaler Art und Nutzung, also auch an den Fassaden von beispielsweise viergeschossig ­bebauten großen Neubauquartieren mit Fassaden in einer Länge von 50 m oder mehr. Wüssten mehr Bauherren und Investoren um die hohen Brandrisiken, die eine mit brennbarem Material gedämmte Fassade mit sich bringt, etwa weil ihr Versicherer sie aufgeklärt hat, so würden sicher viele von ihnen nicht brennbare Dämmungen bevorzugen. Sehr große Wohnbaugesellschaften mit einem entsprechend umfangreichen ­eigenen Erfahrungsschatz setzen bereits immer häufiger bei der Dämmung nur noch und vollständig auf nicht brennbare Steinwolle – aus gutem Grund.

 

Gebäudeversicherung – Brände vermeiden und Schäden minimieren

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2015, Seite 44f.