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28. März 2024
Geschwür nach Wunde: Muss Versicherer Reisestorno zahlen?

Geschwür nach Wunde: Muss Versicherer Reisestorno zahlen?

Muss eine Reiserückrittsversicherung zahlen, wenn eine Reise aufgrund einer unerwarteten Verschlechterung einer Verletzung abgesagt wird? Darüber hatte das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zu urteilen und entschied zugunsten der Versicherten.

Eine Reiserücktrittversicherung sichert normalerweise nur Krankheiten ab, die bei Vertragsschluss der Versicherung nicht bereits bekannt oder zu erwarten waren. Mit Urteil vom 18.03.2024 hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) nun in einem Fall etwas anders entschieden.

Sturz der Ehefrau führte zur Reisestornierung

Um was ging es? Der Kläger hatte für sich, seine Ehefrau und seinen Sohn im November 2019 eine Reise nach Kuba für Februar 2020 gebucht. Kurz darauf stürzte die Ehefrau von einer Leiter und zog sich unter anderem eine Schürfwunde am Knöchel zu. Im Anschluss bestellte der Kläger für seine Familie eine „Jahres-Reise-Karte“, die auch eine Reiserücktrittskostenversicherung beinhaltete. In dieser war Versicherungsschutz für Tod, schweren Unfall und unerwartet schwere Erkrankung vereinbart. Für den Fall einer unerwarteten Verschlechterung einer schon bestehenden Krankheit wurde in den Klauseln Versicherungsschutz ausgeschlossen, sofern in den letzten sechs Monaten vor Vertragsschluss eine Behandlung wegen der Erkrankung erfolgte.

Im Januar 2020 musste die Frau des Klägers sich einer stationär durchgeführten Hauttransplantation unterziehen, nachdem die Wunde am Knöchel sich im Dezember 2019 infiziert und sich infolgedessen ein Geschwür entwickelt hatte. Der Kläger hat daraufhin die Reise storniert und bei der Versicherung die Stornokosten geltend gemacht. Diese sah eine Zahlung für nicht gerechtfertigt an, die Versicherungsnehmer gingen vor Gericht.

Sturz und Infektion – eine Erkrankung oder nicht?

Beim angerufenen Landgericht wurde die Klage abgewiesen, denn die Ehefrau des Klägers sei bei Abschluss der Versicherung aufgrund der Schürfwunde bereits am Knöchel erkrankt gewesen. Zwar sei – so das Landgericht – auch eine unerwartete Verschlechterung grundsätzlich versichert. Allerdings sei die Ehefrau des Klägers hier vor Abschluss des Versicherungsvertrags bereits am Knöchel behandelt worden, weshalb aufgrund der Vertragsbedingungen kein Anspruch bestehe. Das danach bemühte Oberlandesgericht entschied dann aber anders.

Das OLG war nach Konsultation der Ärzte der Meinung, dass es sich bei dem Geschwür, das heißt einem – erst durch einen Infekt ausgelösten – Substanzdefekt der Haut, sich um ein ganz anderes Erkrankungsbild als bei der sturzbedingten Schürfwunde handelte. Dass das Geschwür ohne diese Wunde nicht entstanden wäre, ändere nichts daran, dass es zu seiner Entstehung erst einer Infizierung der Wunde bedurft habe, so das Gericht. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hätten noch keine Anzeichen für eine solche Infizierung vorgelegen.

Der Versicherer hatte zuvor angeführt, dass man Sturz und Infektion einheitlich betrachten müsse, weil es sich bei dem Sturz um einen Schadenfall handele. Das Gericht argumentiert anders: Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers knüpfen die Vertragsbedingungen die Ersatzpflicht der Versicherung nicht an den Schadenfall, sondern den Eintritt einer unerwartet schweren Erkrankung. Selbst wenn man in der Wunde am Bein nach dem Sturz und dem später aufgetretenen Geschwür die gleiche Erkrankung sehen wollte, die sich lediglich unerwartet verschlechtert habe, sei hier ein Anspruch gegeben. Denn die Vernehmung der behandelnden Ärzte habe nicht ergeben, dass die Wunde in den letzten sechs Monaten vor Versicherungsabschluss behandelt worden sei. (bh)

Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 18.03.2024 – Az. 16 U 74/23

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