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08/2014
8. August 2014
Hat die Maschine das Potenzial zum Berater?

Hat die Maschine das Potenzial zum Berater?

Immer häufiger werden Beratungsprozesse von Maschinen gesteuert und Portfolios und Anlegerprofile entsprechend gestaltet. Der Mensch ist dennoch nicht ersetzbar: Er sollte die Möglichkeiten der „Roboberatung“ geschickt für sich nutzen.

Fast im Wochentakt wird in den Medien von neuen Angeboten der Anlageberatung im Internet berichtet. Unter dem Schlagwort „Robo Advice“ präsentieren sich diese Webangebote bärenstark und innovativ. Ihre meist jungen und sehr engagierten Teams haben nichts weniger im Sinn, als die traditionelle Anlageberatung kräftig durchzurütteln und für weite Marktsegmente zu ersetzen. Mittels ausgeklügelter Algorithmen soll jedem Anleger mit ein paar Klicks zu einem bedarfsgerechten Portfolio verholfen werden – und das auch noch konkurrenzlos bequem und kostengünstig.

Die Angebote beeindrucken nicht nur mit eingängigen Botschaften und einer gut sortierten (elektronischen) Presse­mappe, auch die Oberflächen sind sehr übersichtlich gestaltet, die Benutzerführung ist intuitiv. Hintergrundinformationen sind dennoch reichlich vorhanden, leicht zu finden und in verständlicher Sprache formuliert. Die gesamten Auftritte wirken kompetent, sympathisch und sehr transparent.

Noch zeigt Robo Advice Schwächen

Freilich wird es dem erfahrenen Berater nicht schwerfallen, die weniger überzeugenden Aspekte zu finden: Die zugrunde liegende Auswahl an Finanzinstrumenten, die sich in der Regel auf ein Dutzend ETFs beschränkt, wird anspruchsvollen Anlegern kaum genügen. Die Bedarfsanalyse des Anlegers und die Situationsaufnahme sind gleichfalls sehr einfach gehalten. Mit drei bis fünf Fragen zum richtigen Profil – da bleibt viel Individualität auf der Strecke. Die angebotenen Portfoliooptimierungsprozesse basieren auf anerkannten Kapitalmarktmodellen. Das sind solide Ansätze, mehr aber auch nicht. Denn bekanntlich kann keine dieser Theorien für sich beanspruchen, dauerhaft überlegene Ergebnisse zu erzielen.

Hinzu kommen generelle Einwände: Viele, insbesondere ältere, Anleger legen bei der Geldanlage Wert auf die persönliche Beratung. Erfahrung und Fingerspitzengefühl eines guten Beraters sind kaum „künstlich“ nachzubilden. So wie eine maschinell aus einer Fremdsprache übersetzte Internetseite für ganz einfache Informationen brauchbar sein mag, kommt auch der Algorithmus der Finanzberatungsmaschine mit typisierten Standardsituationen gut klar – sobald es komplexer wird, sind die Ergebnisse doch eher einfach und häufig nicht passend.

Neue Angebote bilden Kosten- und Transparenzbenchmarks

Die traditionelle Finanzbranche sollte aber nicht verkennen, welches Potenzial in den maschinellen Beratungsprozessen steckt. Schließlich verbessern sich die technologischen Möglichkeiten enorm schnell. Zudem haben die jungen Anleger ein deutlich höheres Vertrauen in Dienstleistungen, die über das Internet angeboten werden. Dass Maschinen mehr und mehr Einzug in den Beratungsprozess halten, steht somit außer Frage. Da ist zunächst einmal der augenfällige Vorteil, für kleines Geld ein vollwertiges, diversifiziertes Portfolio bieten zu können und so eine neue Kostenbenchmark zu setzen. Sie dienen selbst für jene Anleger als Orientierung, die eigentlich lieber auf ein breiteres und tieferes Produktportfolio zurückgreifen. Wer als Anbieter mehr verlangt, muss sich fragen lassen, was er dafür an Mehrnutzen bringt.

Auch in puncto Transparenz setzt die Roboberatung eine neue Benchmark. Sie konzentriert sich auf wenige nachvollziehbare Informationen und bietet beispielsweise interaktive Szenariorechnungen zur Anlegersituation. Das schafft Vertrauen und beugt Enttäuschungen vor. Denn die Bündelung von Informationen macht es dem Anleger leichter, das Angebot zu verstehen. Dieser Ansatz lässt sich aber problemlos auch auf klassische Beratungsprozesse übertragen.

Vom Suchverhalten zum Anlegerprofil

Die rein maschinelle Erstellung eines Anlegerprofils ist heute, wie schon erwähnt, noch einfach gehalten. Es gibt aber bereits technische Möglichkeiten, wie das „Profiling“ deutlich genauer gelingen kann, ohne dass der Anleger aufwendig viele für ihn mitunter unverständliche Fragen beantworten muss. Über eine systematische, vernetzte Erhebung der Kundeneinstellung anhand des Nutzungsverhaltens im Internet könnten bestimmte Aspekte des Kundenprofils systematisch erfasst werden. Beispielsweise können Medienunternehmen, eingeschlossen Suchmaschinen und soziale Medien, das Leserverhalten zu bestimmten Finanz- und Anlagethemen auswerten und damit automatisch eine Präferenz für bestimmte Anlageprodukte identifizieren. Wichtig ist, dass der Kunde einer solchen Nutzeranalyse vorab zustimmt und stets über die Nutzung dieser Daten informiert ist. Vertrauen ist hier wie im Anlagegeschäft selbst das A und O und darf gerade an dieser sensiblen Schnittstelle zur Kapitalanlage nicht missbraucht werden. Können der Datenmissbrauch ausgeschlossen und die Kundendaten sicher abgelegt werden, könnten vielen Anleger bereit sein, auf diesem Wege einen Teil des persönlichen Profils zu erstellen. Für diese Nutzerprofile ließen sich dann passende Einzelinstrumente und Portfolios identifizieren.

Auch die heute noch sehr einfachen Portfoliostrukturen bei der maschinengesteuerten Portfolioselektion der ­Roboberater dürften schon bald der Vergangenheit angehören. Wichtige Voraussetzung hierfür ist eine schlüssige Klassifizierung von Produkten und Portfolios nach einfachen Kennzahlen, um die entscheidungsrelevanten Informationen transparent, sachgerecht, nachprüfbar und wiedererkennbar abzubilden. Ob Roboberatung oder persönliche Beratung – die Erstellung des Anlegerprofils und die Auswahl der Produkte kann IT-gestützt erheblich automatisiert und vereinfacht werden.

Menschlicher Faktor spielt weiter wichtige Rolle

Die traditionellen Marktteilnehmer der Finanzbranche tun daher gut daran, trotz der noch vorhandenen Schwächen der Roboberatung deren enormes Potenzial nicht außer Acht zu lassen. Sie müssen überzeugend darstellen, welchen Mehrnutzen sie dem Kunden gegenüber einer weit entwickelten maschinellen Analyse bieten können. Die persönliche Beratung spielt dabei auch weiterhin eine sehr wichtige Rolle, denn das Anlagegeschäft bleibt eine Vertrauensangelegenheit. Aber dieser persönliche Aspekt wird sich nur auf einer innovativen technologischen Basis zur Geltung bringen lassen. Es wird für die heutigen, relationship-orientierten Anbieter der Anlageberatung entscheidend sein, nicht den Wettbewerb von maschinellen Prozessen und menschlicher Beratung zu suchen, sondern die maschinellen Prozesse selbst zu beherrschen und für eine fokussierte persönliche Beratung zu nutzen.

Den Artikel finden Sie auch in AssCompact 08/2014 auf Seite 92f.

 
Ein Artikel von
Dr. Ralf Kauther