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26. Juli 2023
Keine Zinsen bei jeder fünften Bank trotz Zinswende
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Keine Zinsen bei jeder fünften Bank trotz Zinswende

Das Vergleichsportal Verivox hat zahlreiche deutsche Banken auf ihre Zinsangebote bei Tages- und Festgeld geprüft. Insbesondere bei regionalen Genossenschaftsbanken gehen Kunden immer noch leer aus. AssCompact hat beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken nach dem Grund gefragt.

Ein Jahr ist es her, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen nach elf Jahren Nullzins wieder erhöht hat. Seitdem gab es Zinsschritt um Zinsschritt – aktuell steht der Hauptrefinanzierungssatz bei 4%. Am Donnerstag, 27.07.2023, findet die nächste Sitzung statt und es wird eine weitere Erhöhung um 25 Basispunkte erwartet.

Vielerorts geben die Banken die Zinsen auch an ihre Kunden weiter – nicht nur bei Krediten, sondern auch bei Einlagen wie Tages- und Festgeldkonten. Ende Juni erhöhte z. B. die ING den Zinssatz auf ihr Extrakonto auf 3,5% für Neukunden (AssCompact berichtete). Doch bei einigen Banken sieht es immer noch zappenduster aus, wie das Vergleichsportal Verivox in einer aktuellen Auswertung herausfand.

Teilweise 0% Zinsen auf Tagesgeld

Verivox hat einer Pressemitteilung zufolge 738 Banken untersucht. Bei 141 davon erhalten Tagesgeldanleger gar keine Zinsen – das entspricht einem Anteil von 19%. Am weitesten verbreitet seien Nullzinsen demnach bei den regionalen Genossenschaftsbanken, also örtlichen Volks- und Raiffeisenbanken sowie den PSD- und Sparda-Banken. Von 350 ausgewerteten Instituten dieser Bankengruppe weisen 80 für eine Anlagesumme von 10.000 Euro einen Tagesgeldzins von 0,00% aus, also beinahe ein Viertel (23%). Weiterhin geben 58 von 309 Sparkassen (19%) keine Tagesgeldzinsen aus. Der kleinste Anteil liegt mit Abstand bei den 79 ausgewerteten bundesweit aktiven Banken. Dort liegt der Tagesgeldzins nur bei drei Banken bei 0%.

Folgerichtig schneiden die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen auch im Vergleich aller untersuchten Banken schlechter ab als die bundesweit aktiven. Die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen bieten beim Tagesgeld durchschnittlich 0,36% Zinsen, die bundesweiten Angebote liegen durchschnittlich bei 1,31%, angefangen bei 0,05% im August 2022, kurz nach Beginn der Zinswende. Etwas anders, aber immer noch zum Nachteil der Genossenschaftsbanken und Sparkassen, sieht es beim Festgeld aus. Bei einer Anlage von zwei Jahren liegen die durchschnittlichen bundesweiten Angebote bei 2,96%. Im Vergleich zu 0,82% im August 2022. Die Genossenschaftsbanken (2,27%) und Sparkassen (2,20%) liegen also auch beim Festgeld darunter.

Ende der Zinsrallye?

Bemerkenswert ist Verivox zufolge auch, dass bei den bundesweiten Angeboten Festgelder für fünf Jahre niedriger verzinst werden (2,89%) als für zwei Jahre. Darunter versteht man im Allgemeinen eine inverse Zinskurve, die andeuten könnte, dass der Zenit des Zinsanstiegs bald erreicht sei. Laut Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier seien die niedrigeren Zinsangebote über längere Zeiträume ein Indiz, dass die Bank mittelfristig von einem Abflauen der Zinsrallye ausgehen würden. Vor allem bei den mittel- und langfristigen Geldanlagen dürften sich die Zinsen nach Verivoxʼ Einschätzung in nächster Zeit stabilisieren. Doch beim Tagesgeld und kurzfristigen Festgeld sei „das Ende der Fahnenstange hingegen noch nicht erreicht“, so Maier.

Darum bieten manche Banken keine Zinsen

AssCompact hat unter Berufung auf die Auswertung beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR) und beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V. nachgefragt, warum die Zinsen u. a. bei ihnen so gering ausfallen. Letztere hat sich auf das Statement des BVR als Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft berufen.

Die Pressestelle des BVR weist zum einen darauf hin, dass die Entscheidungen über die Konditionen sowohl bei der Serviceleistung der Girokontoführung als auch über die anderen angebotenen Produkte von jeder Bank selbstständig getroffen würden. Jedoch dürfe das Leitzinsniveau der EZB nicht der einzig bestimmende Maßstab bei der Konditionengestaltung sein. Es zeige lediglich eine Richtung an, die in die Kalkulation der Bank bei ihrer Preisentscheidung mit einfließe.

Bei Festgeld gebe es aktuell bei vielen Kreditinstituten attraktive Konditionen, was ein anhaltender Trend sei und sich bald auch vermehrt auf kürzere Laufzeiten ausdehnen werde. Dass dies bei Sichteinlagen wie Tagesgeld länger dauere, liege daran, dass die Einlagen stärker fluktuieren würden – auch weil sich der Kunde diese Flexibilität wünsche. Dies bedeute laut BVR allerdings auch, dass sie für die Fristentransformation, eine Kernaufgabe der Banken, bei der kurzfristig angenommene Geldanlagen in langfristige Kreditanlagen umgewandelt werden, nicht so gut genutzt werden könnten. Kurzum: Die Banken können mit derartigen Einlagen schlechter kalkulieren.

Dadurch, dass Sparer die Möglichkeit haben wollen, schnell wieder auf ihre Gelder zurückzugreifen, und Kreditnehmer die Rückzahlung der ausgeliehenen Geldbeträge normalerweise über einen langen Zeitraum zu einem vorab festgelegten Zinssatz wünschen (und dadurch vor Kostensteigerungen durch die Zinswende geschützt sind), entsteht eine Diskrepanz zwischen den gewünschten Fristen. Je größer diese Diskrepanz ausfällt, umso anspruchsvoller werde die Arbeit der Banken, so der BVR. Daher würden die Zinsen für Termineinlagen schneller und die für Sichteinlagen wie Tagesgeld langsamer steigen. (mki)

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