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1. April 2024
Kfz: „KI wird unmittelbaren Einfluss auf den Preis haben“

Kfz: „KI wird unmittelbaren Einfluss auf den Preis haben“

Neodigital sieht aktuell drei wichtige Entwicklungen im Kfz-Versicherungsmarkt. Beim Thema KI wird aus Sicht des Experten noch viel passieren. Auch Telematik könnte eine größere Rolle spielen, wie AssCompact im Interview mit Stephen Voss von Neodigital erfahren hat.

Interview mit Stephen Voss, Vorstand Marketing und Vertrieb der Neodigital Versicherung AG
Herr Voss, was sind für Sie aktuell die wichtigen Entwicklungen im Kfz-Versicherungsmarkt?

Wir sehen aktuell drei wichtige Entwicklungen im Markt. Die erste und augenscheinlichste ist die steigende Inflation in den Schadenkosten aufgrund gestiegener Werkstatt- und Ersatzteilkosten. Diese macht sich auch direkt in den Prämien bemerkbar. Hier müssen wir als Versicherer viel enger an die eigentliche Entwicklung im Markt heran. Denn einen Tarif bzw. einen Preisanker für einen längeren Zeitraum zu setzen, ist damit schon fast fahrlässig. Anpassungsgeschwindig­keit ist hierbei das neue Zauberwort, und das bis hinein in die granularsten Bestandteile der Kfz-Versicherung. Wer denkt, dies über den dicken Daumen steuern zu können, denkt falsch.

Die zweite Entwicklung im Markt, die wir mit großem Interesse beobachten, ist der stetig steigende Anteil der Abo-Modelle in der Pkw-Nutzung. Dieser Markt entwickelt sich rasant. Die Kunden und Kundinnen versichern nicht mehr Besitz, sondern Mobilität. Gerade hier bieten Modelle, die Telematik beinhalten und auch flexibel kurze Abrechnungszeiträume darstellen können, große Vorteile.

Die dritte Entwicklung, wenn auch derzeit leider die langsamste, ist für uns die Elektromobilität. Hier treffen sogar die Punkte eins und zwei aufeinander. Gerade bei den neuen rein elektrischen Fahrzeugen stehen noch einige offene Fragen im Raum. Insbesondere hinsichtlich der Reparaturfreundlichkeit und der daraus entstehenden Werkstatt- bzw. im schlimmsten Fall Entsorgungskosten. Da aktuell E-Fahrzeuge auch gerne in Abo-Modellen am Markt angeboten werden, kommen flexible Pay-as-you-drive- und Pay-how-you-drive-Angebote als weitere Dimen­sion – manche würden sagen Komplexität – hinzu.

Wie verbreitet sind Telematik-­Tarife bereits und wie entwickelt sich Ihr Telematics-as-a-Service-Modell weiter?

Je nachdem, auf welche Statistik man schaut, sind ca. 1 bis 1,5 Millionen der Pkw in Deutschland in einem der aktuell verfügbaren Telematik-Tarife abgesichert. Die Spanne ist hier groß, da es unterschiedliche Modelle im Markt gibt. Manche Versicherer bezeichnen auch die Abrechnung nach gefahrenen Kilometern als Telematik. Uns geht das nicht weit genug. Neben dem Wieviel kommt es auch auf das Wie an. Wir haben ganz klar von Beginn an beides in den Fokus der Entwicklung gestellt. Dabei ist es wichtig, dass neben der Strecke auch das Fahrverhalten präzise in die Modelle integriert wird. Die Herausforderung dabei ist, zufällige Datenausreißer zu erkennen, um einen fairen Score ermitteln zu können. Dieser stellt dann die Basis für die dynamische Prämienkalkulation dar.

Inwieweit wird künstliche Intelligenz in Fahrzeugen Ihrer Meinung nach einen Platz finden? Und welche Herausforderungen könnte es bei der Absicherung geben?

Das „Wird“ hat derzeit schon Volkswagen beantwortet, also KI ist schon angekommen. Zunächst in den Komfortfunktionen werden KI-Modelle eingesetzt. Bei Volkswagen ist das z. B. ChatGPT, das Einzug in die aktuellste Fahrzeuggeneration ab diesem Jahr hält. Es ist jetzt schon absehbar, dass das nur der Anfang ist. Es ist vor allem naheliegend, dass Assistenzsysteme, die bisher nur rein stochastisch vorgehen, in Zukunft auf KI-basierte Algorithmen zurückgreifen könnten. So kann sich das System direkt auf das Fahrverhalten des jeweilig Fahrenden anpassen und z. B. den Spurhalte- oder Abstandsregelassistenten darauf anpassen. So kann der Komfort, aber auch vor allem die Sicherheit der Systeme, verbessert werden. Verbessert sich die Sicherheit, verändert sich das Risikomodell. Ob nun Telematik eingesetzt wird oder nicht, KI wird damit unmittelbaren Einfluss auf die Prämienkalkulation und damit den Preis haben.

Welche Neuerungen wird es bei Ihnen im Jahr 2024 geben?

Wir haben bereits mit unserem Joint Venture hector digital zu Jahresbeginn Flottenmodelle eingeführt. Darüber hinaus werden wir in Kürze auch unser Telematik-Angebot in den Markt ausrollen. Zuerst wird Telematik über die Marke Neodigital angeboten werden. Aber auch unsere Telematik-as-a-Service-­Lösung, die wir über unsere Tochterfirma We Enable Service GmbH anbieten, wird damit Einzug in den Markt halten. Damit bieten wir allen Kfz-Versicherern im Markt eine attraktive End-to-End-Komplettlösung für Telematik an. Das Jahr 2024 wird mit Blick auf die Kfz-Versicherung ein spannendes Jahr für uns.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Stephen Voss, Neodigital

 
Ein Interview mit
Stephen Voss