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25. April 2024
Muss die GKV für Behandlung eines entwichenen Häftlings zahlen?
Wegweiser JVA, Justizvollzugsanstalt, (Symbolbild)

Muss die GKV für Behandlung eines entwichenen Häftlings zahlen?

Wer bezahlt angefallene Krankenhauskosten für einen entwichenen Häftling im offenen Vollzug? Die gesetzliche Krankenkasse, bei der der Häftling vor seiner Haft versichert war? Darüber hatte kürzlich ein Gericht zu entscheiden.

In Deutschland sind Gefangene grundsätzlich krankenversichert. Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ruht zwar, die Kosten für ärztliche Behandlungen, Medikamente und andere medizinische Leistungen werden aber im Rahmen der Gesundheitsfürsorge in der Regel vom jeweiligen Land oder den jeweiligen Justizvollzugsbehörden übernommen. Das gilt normalerweise auch bei offenem Vollzug. Doch wie ist die Lage, wenn ein Häftling flieht? Dazu hatte im Januar 2024 das Sozialgericht Hannover (SG) zu entscheiden.

Ein Inhaftierter kehrte im Jahr 2016 nach Haftlockerungen nicht in die Justizvollzugsanstalt zurück. Er verursachte - wohl in der Absicht der Selbsttötung - einen Verkehrsunfall, wurde dabei schwer verletzt und erlag noch am Aufnahmetag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Das Krankenhaus wandte sich zur Begleichung der angefallenen Behandlungskosten in Höhe von ca. 20.000 Euro an die gesetzliche Krankenkasse, bei der der entwichene Häftling vor seiner Inhaftnahme versichert war. Diese lehnte die Zahlung ab, worauf das Krankenhaus gegen die Krankenkasse Klage einreichte.

GKV muss für die Behandlungskosten aufkommen

Das klagende Krankenhaus vertrat die Auffassung, der Strafvollzug im Rahmen des offenen Vollzuges sei durch die Flucht unterbrochen worden. Der Verletzte habe deshalb zum Behandlungszeitpunkt keinen Anspruch auf Gesundheitsfürsorge durch die Vollzugsbehörde gehabt. Da nach dem Gesetz kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall bestanden habe, sei der Verletzte aufgrund der Auffangpflichtversicherung bei der beklagten Krankenkasse, bei der der Verletzte vor seiner Inhaftierung aufgrund einer Beschäftigung pflichtversichert war, pflichtversichert gewesen.

Das Gericht entschied zugunsten des Krankenhauses und urteilte, dass die gesetzliche Krankenkasse die Behandlungskosten zu erstatten habe. Der Häftling sei mit seinem Entweichen aus dem offenen Vollzug in der GKV versicherungspflichtig gewesen. Denn er habe keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt. Dieser anderweitige Anspruch auf Gesundheitsfürsorge durch die Vollzugsbehörde, der bei Urlaub oder Ausgang bestehe, habe durch seine Flucht geendet. Die Justizverwaltung hatte keinerlei amtlichen Gewahrsam mehr. Eine polizeiliche Festnahme, die die Fortsetzung des Strafvollzugs hätte begründen können, konnte nicht mehr stattfinden.

SG Hannover, Urteil vom 31.01.2024 – Az. S 11 KR 285/19 KH

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