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14. Juni 2023
Nach BVerwG-Urteil: Die Folgen für den Dauerstreit in der BSV

Nach BVerwG-Urteil: Die Folgen für den Dauerstreit in der BSV

Das Bundesverwaltungsgericht hat kürzlich über die Rechtmäßigkeit der Schließung von Gastronomiebetrieben in der „zweiten Welle“ im Herbst 2020 entschieden. Dies hat auch Auswirkungen auf den Dauerstreit um Entschädigungen aus Betriebsschließungsversicherungen.

Ein Artikel von Cäsar Czeremuga, LL.M., Rechtsanwalt und Partner bei NORDEN Rechtsanwälte

Zwei Gastronomiebetriebe aus dem Saarland sind gegen die Corona-Schutzverordnungen vorgegangen. Mit der angegriffenen Rechtsverordnung wurde landesweit der Betrieb von Gaststätten verboten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass die Schließung von Gastronomiebetrieben, die Ende Oktober 2020 zur Bekämpfung der „zweiten Welle“ der Corona-Pandemie in einer saarländischen Rechtsverordnung angeordnet wurde, auf die Generalklausel des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gestützt werden konnte (Urteile vom 16.05.2023 – Az. 3 CN 4.22 und 3 CN 5.22). Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hob zwei Urteile des Oberverwaltungsgerichts (OVG) des Saarlandes auf und betonte, dass angesichts der dynamischen Entwicklung der Pandemie dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Schutzmaßnahmen ein Handlungsspielraum zustand. Das BVerwG verwies die Fälle zur erneuten Verhandlung an das OVG zurück.

Staatliches Handeln ist im Rahmen der BSV weitreichend versichert

Die Schließung von Gastronomiebetrieben und das an Hotelbetriebe gerichtete Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke während der Corona-Pandemie beschäftigt Gerichte im Zusammenhang mit der Betriebsschließungsversicherung seit Jahren. Einige Versicherer verweigern Zahlungen unter anderem mit dem Argument, die staatlichen Maßnahmen seien angeblich rechtswidrig gewesen. Die in Streit stehenden Versicherungsbedingungen verlangen vielfach eine Schließungsanordnung einer „zuständigen Behörde“. Manch ein Versicherer stellt sich auf den Standpunkt, dass der Versicherungsschutz damit eine konkret-individuelle Maßnahme durch einen Verwaltungsakt voraussetzt und die auf Grundlage des IfSG erlassenen Allgemeinverfügungen und Rechtsverordnungen nicht ausreichend seien. Dem hat bereits der Bundesgerichtshof (BGH) eine Absage erteilt (Urteil vom 18.01.2023 – Az. IV ZR 465/21). Versichert sind richtigerweise staatliche Anordnungen unabhängig von ihrer Rechtsform. Für versicherte Betriebe macht es mit Blick auf den Sinn und Zweck der Betriebsschließungsversicherung, sie gegen Ertragsausfälle infolge behördlich angeordneter Betriebsschließung zu versichern, keinen Unterschied, aufgrund welcher hoheitlich angeordneten Maßnahme (Verwaltungsakt, Allgemeinverfügung, Rechtsverordnung) ihr Betrieb geschlossen wird.

Versicherungsnehmer müssen keine Verwaltungsrechtsexperten sein

Einige Versicherer argumentieren zudem damit, dass viele staatliche Maßnahmen mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage oder wegen eines fehlerhaften Gesetzgebungsprozesses rechtswidrig gewesen sein sollen. Zutreffend hat dagegen der BGH entschieden, dass es für die Frage der Leistungspflicht des Versicherer nicht auf die Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahme ankommt (Urteil vom 18.01.2023 – Az. IV ZR 465/21). Jedenfalls dann nicht, wenn die Versicherungsbedingungen die Rechtmäßigkeit nicht ausdrücklich voraussetzen. Das ist richtig, weil der (durchschnittliche) Versicherungsnehmer mangels Vorkenntnissen im Bereich des öffentlichen Rechts in der Regel nicht erkennen kann, ob eine behördliche Schließungsverfügung rechtmäßig ist oder nicht. Selbst wenn Versicherungsbedingungen ausnahmsweise die Rechtmäßigkeit der Schließungsanordnungen voraussetzen, zeigen die jüngsten Entscheidungen des BVerwG, dass der Staat im IfSG nicht nur eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Corona-Verfügungen hatte, sondern auch einen weiten Handlungsspielraum bei der Ausgestaltung der Schutzmaßnahmen – einschließlich der Schließung von Betrieben.

BGH weist auch Amtshaftungsgesichtspunkte vom Tisch

Teilweise verweigern Betriebsschließungsversicherer ihre Leistungen außerdem mit einer Klausel in den Versicherungsbedingungen, die eine Beschränkung des Anspruchs der Versicherten insoweit vorsieht, als der Versicherungsnehmer Schadenersatz gegen den Staat aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruchs beanspruchen kann. Solche Entschädigungsansprüche setzten grundsätzlich voraus, dass der Staat rechtswidrig handelt. Die jüngsten Urteile des BVerwG zeigen, dass die Corona-Verordnungen der Bundesländer mit Blick auf die Maßnahmen gegenüber Gastronomen und Hoteliers größtenteils rechtmäßig sein dürften. Auch lehnte bereits Anfang 2022 der für Amtshaftungsansprüche zuständige BGH einen Entschädigungsanspruch eines Betriebes gegen den Staat ab, der wegen einer Allgemeinverfügung im ersten Lockdown 2020 schließen musste (Urteil vom 17.03.2022 – Az. III ZR 79/21). Ist die Verordnung, die der Betriebsschließung zugrunde liegt, rechtmäßig, scheide ein Anspruch gegen den Staat unter Amtshaftungsgesichtspunkten aus, so der BGH.

Ungeachtet dessen ist die Verweigerung der Versicherer bereits aus versicherungsrechtlichen Gründen unhaltbar. Dem (durchschnittlichen) Versicherungsnehmer kann nicht zugemutet werden, ein gegebenenfalls langwieriges verwaltungsgerichtliches Verfahren durchzuführen, um erst anschließend Leistungen gegen den Versicherer geltend machen zu können.

Bild: © Danny– stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Cäsar Czeremuga, LL.M.