„Wie viel Prozent Anteil gemäß EU-Taxonomieverordnung sollen nachhaltige Anlagen in Ihrem Produkt haben?“ So oder so ähnlich könnte einer der Fragen an Kunden in der Finanzanlagenvermittlung rund um nachhaltige Finanzprodukte lauten. Doch welcher Anteil ist erstrebenswert? Was überhaupt ist die EU-Taxonomieverordnung und was steht drin (AssCompact berichtete)? Und was passiert eigentlich, wenn Staatsanleihen mit ins Spiel kommen? So mancher Kunde und Finanzberater steigt wohl spätestens zu diesem Zeitpunkt aus der Beratung aus – zu unverständlich, zu kompliziert, zu wenig anlegerfreundlich.
Ziel ist die Mobilisierung privaten Kapitals
Wenig überraschend lautet daher das Resümee über die Nachhaltigkeitsabfrage gemäß der Finanzmarktrichtlinie MiFID II zusammenfassend: wenig zielführend. Ein kurzer Rückblick: Seit August letzten Jahres müssen von Vermittlern bei der Beratung über Kapitalanlagen die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abgefragt werden. Ziel des EU-Gesetzgebers war eine Verbesserung des Verbraucherschutzes und eine Erhöhung der Beratungsqualität – und auch eine höhere Marktdurchdringung nachhaltiger Finanzprodukte. Denn für die Erreichung der Ziele des Green Deals – die EU-Mitgliedsstaaten erklärten, bis 2050 klimaneutral zu werden – ist die Mobilisierung privaten Kapitals das Gebot der Stunde.
Beratung ist zu komplex
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat mit der Einführung der verpflichtenden Präferenzabfrage auch ihre Evaluierung angekündigt und Interessenverbände um eine Stellungnahme gebeten. Doch das Zwischenfazit fällt dürftig aus. Denn sowohl der Bundesverband Finanzdienstleistung e. V. (AfW) als auch das Forum Nachhaltige Geldanlagen e. V. (FNG) – ein Fachverband für nachhaltige Geldanlagen – sehen mit der Präferenzabfrage in der gegenwärtig ausgeübten Systematik ein grundsätzliches Problem nicht gelöst: die Komplexität in der Beratung.
Abfrage verhindert nachhaltige Investitionen
Sascha Görlitz, Geschäftsführer beim FNG, etwa meint dazu: „Das übergeordnete Ziel der nachhaltigen Finanzwirtschaft [...] – die ‚Neuausrichtung der Kapitalströme auf nachhaltige Investitionen‘ – sollte nicht aus den Augen verloren werden. Ausgehend von den Erfahrungen unserer beratenden Mitglieder sehen wir derzeit nicht, dass die aktuelle MiFID II-Abfrage zu diesem Ziel beiträgt.“ Aus Sicht des FNG sei viel mehr ein Rahmen erforderlich, der es dem Berater ermögliche, nachhaltige Anlageberatung zu leisten, ohne Kleinanlegern komplexe Konzepte wie das der EU-Taxonomie oder das der wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen – die sogenannten PAIs – erklären zu müssen.
AfW hält Systematik für „weltfremd“
In eine ähnliche Richtung stößt die Stellungnahme des Vermittlerverbandes AfW. Dort heißt es zur MiFID II sogar, dass der Rahmen für den Berater wie für den Kunden schlichtweg „weltfremd“ sei, mit negativen Folgen für einen Abschlusserfolg. Denn nur ein Bruchteil der Vermittler und Berater hierzulande wolle die entsprechenden Vorgaben umsetzen. Besonders schwer aber wiegt, dass sich dieses Muster auch bei den Kleinanlegern fortsetzt. Auch hier bricht ein Großteil den komplexen Abfrageprozess ab, heißt es vom AfW. Erst wenn in der Beratung deutlich vereinfacht vorgegangen werde, steige die Abschlusswahrscheinlichkeit. „Man kann von einem Scheitern der regulatorischen Vorgaben sprechen“, äußert sich Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW. Gleiches gelte im Übrigen auch für die Pflicht der Versicherungsvermittler nach IDD zur Nachhaltigkeitsabfrage – nur war dieser Komplex nicht Teil der aktuellen ESMA-Evaluation.
Detailänderungen helfen nicht weiter
Sowohl AfW als auch FNG machen sich daher in ihren jeweiligen Stellungnahmen für eine deutliche Vereinfachung bei der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden stark. Denn einig sind sich die beiden Interessenverbände auch darin, dass Änderungen lediglich in den Details das Grundproblem nicht lösen werden. (as)
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