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7. Mai 2024
Neue Impulse im Markt für Arbeitskraftabsicherung

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Neue Impulse im Markt für Arbeitskraftabsicherung

Nach 30 Jahren ist erstmals wieder der Rechnungszins auf 1% im Jahr 2025 angehoben worden. Daher ist der Zeitpunkt für Weiterentwicklungen günstig. Dynamik steckt insbesondere im Markt für Arbeitskraftabsicherung, meint Munich Re.

Dr. Frank Schiller, Chief Actuary Life & Health Reinsurance Europe and Middle East bei Munich Re

Das Wachstum im Markt für Arbeitskraftabsicherung stagniert, ursächlich ist unter anderem der Prämiendruck im Wettbewerb. Die Zahlbeiträge beispielsweise in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) sinken für einzelne Zielgruppen immer weiter.

Stark umworbene Berufsgruppen wie Akademiker und nichtakademische Büroberufe werden oft zu Konditionen versichert, die nur abbildbar sind, weil sie durch das übrige Portfolio kompensiert werden. Mit der Folge, dass dadurch die Prämienspreizung weiter zunimmt. Dies führt im Neugeschäft zu einer Verengung des Kundenstamms.

Viel Aktivität, kaum Wachstum

Hinzu kommen ständige Leistungserweiterungen. Einzelne mögen den Deckungsumfang für gewisse Zielgruppen verbessern; so ist eine BU mit Teilzeitklausel eine sinnvolle Erweiterung in der veränderten Arbeitswelt. Aber an der grundlegenden Schieflage im Markt ändern solche Erweiterungen wenig. Zumal zeitgleich andere Entwicklungen komplett am Bedarf vorbeigehen, zum Teil eine unkalkulierbare Erhöhung der Schadenquote verursachen können und somit die langfristige Stabilität der Deckungen gefährden. Ein Beispiel dafür ist der Verzicht auf die konkrete Verweisbarkeit in der BU. Dieser ist für Versicherer potenziell mit hohen Rentenleistungen für Versicherte verbunden, die in einem vollwertigen Beschäftigungsverhältnis stehen und diese Zahlungen nicht benötigen.

Der wettbewerbsgetriebene Anstieg beim Leistungsumfang erhöht im Zusammenspiel mit dem Preisverfall das Risiko unangenehmer Folgen für die Kunden. So steigt durch die Entwicklungen in der BU das Risiko, dass einzelne Versicherer den Sofortrabatt über die Vertragslaufzeit nicht halten können und Versicherte von Erhöhungen bei der Zahl- und Nettoprämie überrascht werden. In der Grundfähigkeitsversicherung sieht es ähnlich aus.

Bleibt festzuhalten: Trotz kontinuierlich sinkender Prämien, Bedingungsverbesserungen und Erweiterungen des Leistungsumfangs ist es bisher nicht gelungen, die Absicherungsquote in der Bevölkerung zu erhöhen. Aktuelle Statistiken des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigen: Die Anzahl der neu abgeschlossenen selbstständigen Policen zur Invaliditätsabsicherung bleibt stabil. Weiterhin verfügt gerade mal ein Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über eine Arbeitskraftabsicherung.

Neue Impulse im Markt für Arbeitskraftabsicherung

Grafik: Preisspreizung bei BU-Tarifen nimmt weiter zu

Durch den Prämiendruck im Wettbewerb sinken die Zahlbeiträge beispielsweise in der BU für einzelne Zielgruppen immer weiter.

Die Lösung ist ein größerer Kuchen

Hinzu kommt, dass die Rentenleistungen oftmals zu gering sind, um den Lebensstandard halten zu können. Laut GDV beträgt die mittlere Jahresrente bei 2023 abgeschlossenen Verträgen 18.000 Euro. In vielen Fällen dürften die Rentenzahlungen weit darunter liegen, sodass sich für etliche Kunden die Sinnfrage stellt. Spätestens wenn die BU-Rente auf unter 1.000 Euro monatlich absackt und Bürgergeld-Niveau erreicht, denn BU-Renten werden darauf angerechnet.

Hier schlummert also ein Abwärtsrisiko. Umso mehr muss sich die Branche fragen, wie es ihr gelingen kann, mehr Geschäft zu generieren und neue Zielgruppen zu erreichen. Durch weiteres Anziehen der Preisschraube bei gleichzeitiger Erweiterung des Leistungsumfangs wird dies nicht gelingen. Kurz und bildlich gesprochen heißt das: Wir brauchen nicht mehr Wettbewerb um den Kuchen, sondern einen größeren Kuchen in Form einer höheren Marktdurchdringung und höherer Rentenleistungen.

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Ein Artikel von
Dr. Frank Schiller