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4. Juli 2023
Neues EU-Verbot bedroht Geschäftsmodell der Neobroker

Neues EU-Verbot bedroht Geschäftsmodell der Neobroker

Die EU-Kommission hat vergangene Woche beschlossen, das sogenannte „Payment for Order Flow“-Modell in Europa zu verbieten. Dieses findet in den Vergütungsmodellen vieler Neobroker Anwendung und sorgt dort auch für niedrigere Gebühren für Privatanleger.

In Deutschland gab es 2022 so viele Aktionäre wie noch nie (AssCompact berichtete). Gerade bei jüngeren Menschen gibt es derzeit einen Aufschwung an Interesse am Kapitalmarkt, insbesondere bei ETFs. Mitverantwortlich hierfür sind auch die immer populärer werdenden Neobroker wie Trade Republic und Scalable Capital. Auf diesen Plattformen können Privatanleger zu geringen Gebühren mit Aktien handeln und auch kostenlos Sparpläne abschließen.

Die Art und Weise, wie Neobroker sich diese Angebote leisten können, ist nun in den Mittelpunkt der Wirtschafts- und Finanzmedien gerückt. Denn die EU-Kommission hat sich vergangene Woche geeinigt, dass das sogenannte „Payment for Order Flow“, kurz „PfOF“ europaweit verboten werden soll. Zunächst hatten Bloomberg und Reuters darüber berichtet.

So funktioniert PfOF

Die Gebühren für den Handel mit Aktien und die Ausführung von Sparplänen sind bei Neobrokern vergleichsweise günstig – und doch verdienen Trade Republic und Scalable Capital über das PfOF-System damit Geld. Die Süddeutsche Zeitung hat das Geschäftsmodell aufgeschlüsselt. Teilt ein Kunde seinem Broker mit, dass er eine Aktie kaufen oder verkaufen möchte, so gibt dieser die Order an einen speziellen günstigen Handelsplatz weiter, bspw. Gettex, der von der Münchner Börse geleitet wird, oder LS Exchange der Hamburger Börse. Diese stehen in direkter Konkurrenz mit Xetra, dem Handelsplatz der Deutschen Börse.

An nächster Stelle werden die Aktienorders an eine Handelsfirma weitergeleitet, die die Orders sammelt und den Kauf bzw. Verkauf durchführt. Vom Gewinn aus diesen Transaktionen, der sich für die Handelsfirma z. B. aus der Spanne zwischen Kauf und Verkauf ergibt, gibt diese einen Teil an den „Lieferanten“, also den Broker, ab. Hierbei handelt es sich um das PfOF, welches nun verboten werden soll. Bis zum 30.06.2026 ist es den Neobrokern gestattet, ihr Geschäftsmodell zu überarbeiten. Bis dahin läuft die Übergangsphase der Überarbeitung der Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR) und der zweiten Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II), zu denen das PfOF-Verbot gehört.

Laut Bloomberg habe es nach dem Hype um „Meme-Aktien“, wie bspw. die GameStop-Aktie, von 2021 Sorgen bei den Aufsichtsbehörden gegeben, dass die Broker die Aufträge der Privatkunden zu Bedingungen ausführen, die nicht im Interesse dieser, sondern der Broker selbst liegen. Der Süddeutschen zufolge heißt es aus dem EU-Parlament, dass man den Anleger vor „suboptimalen Handelsentscheidungen schützen“ wolle.

Das sagt die Branche

Nachvollziehbarerweise zeigen sich die Broker nicht begeistert von der Entscheidung der Kommission. Trade-Republic-Mitgründer Christian Hecker wird im Handelsblatt zitiert mit der Kampfansage, dass sein Unternehmen auch „weiterhin das beste Angebot auf dem europäischen Markt anbieten“ werde – und zwar auch 2026. Eine Sprecherin von Scalable Capital sagte der Zeitung derweil, dass die EU-Entscheidung nicht im Einklang mit den Zielen der Kommission stehe, neue Möglichkeiten für Sparer und Anleger zu schaffen. Sie diene viel mehr den Akteuren, die Wettbewerb auf den Kapitalmärkten verringern und mit hohen Gebühren ihr Bestehen sichern wollen.

Dazu passt auch ein Statement der Deutschen Börse im Handelsblatt, das da lautet: „Bei Xetra und an der Börse Frankfurt gab es niemals Payment for Order Flow. Die Entscheidung ist aber insofern relevant für uns, als dass der Wettbewerb unter den europäischen Börsen hierdurch gestärkt wird.“

BaFin-Studie sieht Vorteile für Kleinanleger in PfOF

Die Auswirkungen dieser neuen Regulierung ab 2026 sind nun fraglich – auch ob die Kunden dadurch geschützt werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) veröffentlichte 2022 eine Studie, in der die PfOF-Modelle keineswegs schlecht wegkamen. Dort hieß es, dass die Ausführung über PfOF-gewährende Handelsplätze für Kundenaufträge mit kleineren Volumina überwiegend vorteilhaft gewesen sei. Sofern Transaktionskosten berücksichtigt wurden, seien die Ergebnisse für Kunden mehrheitlich besser als an den Referenzmärkten gewesen, so die BaFin-Studie.

Weiterhin ist unklar, wie sich das Verbot auf Direktbanken wie die ING auswirkt, bei denen das PfOF-Modell ebenfalls Verwendung findet.

Endgültig ist das Verbot des PfOF-Modells noch nicht, das Parlament muss den Beschluss der Kommission noch absegnen. Mehrheitlichen Medienberichten zufolge ist dies allerdings wohl nur noch Formsache. (mki)

Bild: © Aerial Mike – stock.adobe.com