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28. Juni 2023
Neuregelung für Kosten und Provisionen im Versicherungsvertrieb
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Neuregelung für Kosten und Provisionen im Versicherungsvertrieb

Die Reform der EU-Kleinanlegerstrategie wird zahlreiche Änderungen für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten mit sich bringen. Ein Fokus liegt auf der Verschärfung der Vorgaben über Produktkosten und Provisionen. Doch was bedeuten die neuen Regelungen genau? Ein Rechtsexperte erläutert, worauf sich Produktgeber und Vermittler künftig einstellen sollten.

Ein Artikel von Dr. Christian Waigel, Rechtsanwalt und Partner bei Waigel Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB

Vor Kurzem hat die EU-Kommission ihre langerwartete Strategie für Kleinanleger vorgestellt. Nach Auffassung der EU-Kommission investieren die EU-Bürger zu wenig in Wertpapiere und Vorsorgeprodukte. Um die Investition in Wertpapiere und Vorsorgeprodukte attraktiver zu machen, legt sie das Augenmerk auf die Kosten von solchen Produkten, auf angebliche Missstände in der Anlageberatung und das Thema Provisionen. Dabei versucht die EU-Kommission eine Angleichung der Regeln für Wertpapiere und Versicherungen – die MiFID II-Regelungen dienen als Vorbild für die Änderungen in der Versicherungsvermittlungsrichtlinie IDD –, die parallel beschlossen werden sollen.

Detaillierte Vorgaben für den Preisfindungsprozess

Für Versicherungsanlageprodukte bedeutet dies eine Informationspflicht des Versicherungsvermittlers, der dem Kunden mitteilen muss, ob seine Vergütung auf Basis einer Gebühr des Kunden erfolgt oder auf Grundlage einer wie auch immer gearteten Provision, die in der Versicherungsprämie enthalten ist.

Wie im Wertpapierbereich wird auch für Versicherungen das Produktgenehmigungsverfahren verschärft und es werden detaillierte Vorgaben für einen neuen „Preisfindungsprozess“ formuliert. Für versicherungsbasierte Anlageprodukte sollen Versicherungsunternehmen und Vermittler, die Versicherungsprodukte für den Kunden herstellen, in einem Preisfindungsprozess eine Quantifizierung aller mit dem Produkt verbundenen Kosten und Gebühren durchführen. Sie sollen eine Bewertung vornehmen, ob die Kosten und Gebühren unter Berücksichtigung der Merkmale, Ziele, Strategien und Leistungen des Produkts sowie der Garantien und der Versicherungsdeckung biometrischer und anderer Risiken gerechtfertigt und angemessen sind.

Produktkosten sollen transparenter kommuniziert werden

Dabei sollen sich die Hersteller an Benchmarks orientieren, welche die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) für versicherungsbasierte Anlageprodukte entwickeln wird. Diese Benchmarks werden für verschiedene Arten von versicherungsbasierten Anlageprodukten von der EIOPA und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) entwickelt, und in diesen Benchmarks werden die verschiedenen Gattungen von versicherungsbasierten Anlageprodukten hinsichtlich ihrer Kosten verglichen. In die Benchmarks werden auch die Kosten für den Vertrieb, einschließlich Provisionen für den Vertrieb, eingerechnet. Die Benchmarks sollen Bandbreiten für Kosten und Wertentwicklungen ausweisen, die es den Kunden erleichtern, Produkte zu identifizieren, die erheblich vom Durchschnitt abweichen.

Stellt ein Versicherungsunternehmen fest, dass die Kosten seines Produktes gemessen an der Benchmark zu hoch sind, soll es zusätzliche Tests und Wertungen durchführen und im Rahmen seines Preisbildungsprozesses feststellen, ob die Kosten und Gebühren dennoch gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.

Im Vertriebsprozess gegenüber dem Versicherungsnehmer sollen die Versicherungsvermittler und die Versicherungsunternehmen dem Kunden Informationen über alle expliziten und implizierten Kosten, Nebenkosten, Provisionen, Vertriebskosten und die Art und Weise ihrer Zahlung zur Verfügung stellen. Es wird sogar eine ex-post Berichterstattung eingeführt, ein sogenannter Jahresbericht, in dem die Versicherungsunternehmen dem Kunden einmal im Jahr die Entgeltbeträge, einschließlich Provisionszahlungen an Dritte, in den letzten zwölf Monaten in Euro und als Prozentsätze zusammenstellen.

Auslegung von „Bereitstellung und den Vertrieb“ wird entscheidend

Auch der Beratungsprozess gegenüber dem Kunden wird sehr viel detaillierter geregelt. Hinsichtlich der Provisionen soll eine Regelung eingeführt werden, wonach Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen „im Zusammenhang mit der Bereitstellung oder dem Vertrieb“ eines versicherungsbasierten Anlageproduktes keine Provision zahlen oder erhalten dürfen. Das soll auch für nicht-monetäre Vorteile gelten.

Die spannende Frage wird daher sein, ob diese Vorschrift eng ausgelegt werden kann und nur für die „Bereitstellung und den Vertrieb“ gilt, nicht aber für die Anlageberatung. Dann könnte für die Anlageberatung selbst eine Provision gezahlt werden. Dafür spricht, dass die Regelung im Wertpapierbereich sehr ähnlich ist und nur Provisionen für den Vertrieb im Sinne einer „Bestandhaltung“ verboten werden sollen, nicht aber für die durchgeführte Anlageberatung. Das würde aber nichtsdestotrotz selbst bei einer engen Auslegung zu Belastungen führen, weil Bestandsprovisionen für den Vertrieb dann nicht mehr möglich wären.

Berücksichtigung einer angemessenen Produktpalette

Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler sollen zusätzlich verpflichtet werden, bei der Beratung von Kunden über versicherungsbasierte Anlageprodukte eine angemessene Palette von versicherungsbasierten Anlageprodukten zu berücksichtigen und bei vergleichbaren versicherungsbasierten Anlageprodukten, die ähnliche Merkmale aufweisen, das kosteneffizienteste Produkt zu empfehlen.

Um Umgehungen zu vermeiden, sollen dem Kunden auch immer Produkte ohne Zusatzfeatures empfohlen werden, damit nicht über Zusatzfeatures zusätzliche Kosten zu Lasten des Kunden generiert werden. Generell dürfen nur versicherungsbasierte Anlageprodukte empfohlen werden, deren Versicherungsschutz mit den Versicherungsanforderungen und Bedürfnissen des Kunden übereinstimmt.

Fazit

Insgesamt wird dadurch eine Angleichung der Vertriebsvorschriften für Wertpapiere und versicherungsbasierte Anlageprodukte hergestellt. Die Vertriebsregelungen werden deutlich strenger.

Der Vorschlag muss nun auf europäischer Ebene in das sogenannte Trilog-Verfahren, d. h. der Vorschlag der EU-Kommission muss noch von den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament verabschiedet werden. Spannende politische Diskussionen sind daher garantiert.

Bild: © AA+W – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Christian Waigel