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8. Juli 2019
Schadenbearbeitung durch Versicherungsmakler: Pflichten und Grenzen

Schadenbearbeitung durch Versicherungsmakler: Pflichten und Grenzen

Über die Pflichten der Versicherungsmakler wird meist im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen gesprochen. Aber welche Pflichten hat er im Schadenfall? Was muss er tun, was darf er nicht? Ein Überblick von Hans-Ludger Sandkühler.

„Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlußvertreter angesehen. [...] Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz oft kurzfristig zu besorgen. [...] Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmer als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter [...] bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden.“ Diese Passage aus dem Sachwalterurteil prägt seit 1985 das Versicherungsmaklerrecht. Über die Pflichten der Versicherungsmakler wird meist im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen gesprochen. Aber welche Pflichten hat der Versicherungsmakler im Schadenfall? Was muss er tun, was darf er nicht? Ein Überblick.

Zwischen dem Versicherungsmakler und seinen Kunden besteht in der Regel ein Versicherungsmaklerauftrag, aus dem heraus der Versicherungsmakler gegenüber seinen Kunden zur Vermittlung von Versicherungsverträgen verpflichtet wird. Ein Versicherungsmaklervertrag kann schriftlich, mündlich oder auch konkludent, das heißt durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden.

Inhalt des Maklerauftrages

Der Inhalt des Versicherungsmaklervertrages bestimmt sich nach den getroffenen Vereinbarungen, verpflichtet den Ver­sicherungsmakler aber immer zur Vermittlung und Verwaltung von Versicherungsverträgen. In der Vergangenheit ist teils die Auffassung vertreten worden, die Tätigkeit des Versicherungsmaklers sei mit dem Abschluss des gewünschten Versicherungsvertrages beendet. Für jede weitere Tätigkeit, auch für die Unterstützung im Schadenfall, sei eine weitere Beauftragung durch den Kunden erforderlich. Dahinter steht die Überlegung, dass die Courtage des Versicherungsmaklers als Erfolgsvergütung angesehen werde und der angestrebte Erfolg, nämlich der Abschluss des Versicherungsvertrages, eingetreten sei. Für weitere Verpflichtungen des Maklers fehle daher die Grundlage. Dahinter steht aber vor allem das Bemühen, sich etwaigen Pflichten nach Abschluss des Versicherungsvertrages zu entziehen. Dies ist auch zum Teil verständlich. Denn von allen Seiten prasseln Unmengen von Hinweisen auf die Maklerschaft ein, was der Makler – auch nach Abschluss des Versicherungsvertrages – beachten müsse, um sich pflichtgemäß zu verhalten.

Dennoch ist diese Auffassung weder mit dem geltenden Recht noch mit dem Selbstverständnis der maßgeblichen Versicherungsmaklerverbände zu vereinbaren. Spätestens mit der Einführung des § 1a VVG im Zuge der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) ist klargestellt, dass zur Vermittlung von Versicherungsverträgen auch das Mitwirken bei der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen, insbesondere im Schadenfall, gehört.

Nach Auffassung des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler besteht die Tätigkeit des Versicherungsmaklers aus fünf Modulen: Risikoerfassung und -bewertung, Versicherungsschutzerfassung und -bewertung, Risikotransfer (Vermittlung von Versicherungsverträgen im engeren Sinne), Verwaltung der Versicherungsverträge und Assistenz im Schadenfall.

Eine vertragliche Vereinbarung, nach der die Tätigkeit des Versicherungsmaklers mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages beendet ist, ist mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbaren und dürfte deshalb einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Vertragliche Pflichten des Maklers im Schadenfall

Auch nach der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung umfasst der Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers grundsätzlich auch die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens, insbesondere die Erstellung einer sachgerechten Schadenanzeige (BGH vom 16.07.2009 – III ZR 21/09). Versicherungsmakler seien mit der Abwicklung von Schadenfällen gegenüber Versicherungen vertraut. Sie seien deshalb auch besonders sachkundig im Hinblick auf den Inhalt der Ver­sicherungsbedingungen, die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht in vergleichbarer Weise geläufig seien. Deshalb dürfe der Versicherungsnehmer bei der Abwicklung von Schadenfällen einen Hinweis vom Versicherungsmakler erwarten, der in seinem Interesse tätig werde, soweit ihm Schäden drohten, weil er zum Beispiel wegen der mangelnden Beachtung ihm regelmäßig nicht geläufiger Formalitäten in Gefahr gerate, seinen gesamten Versicherungsschutz zu verlieren.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war es zu einem Motorradunfall gekommen, der zu einem bleibenden Invaliditätsschaden führte. Nach den Vertragsbedingungen des Versicherungsnehmers der von dem Versicherungsmakler vermittelten Unfallversicherung bestanden Ansprüche auf Invaliditätsleistungen unter der Voraussetzung, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist sowie spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt wird und die Ansprüche geltend gemacht werden. Der Makler hatte für den Versicherungsnehmer eine Schadenanzeige erstellt, es aber verabsäumt, den Versicherungsnehmer auf diese Ausschlussfristen hinzuweisen. Der Versicherungsnehmer hatte seinen Anspruch auf Invaliditätsleistung erst nach Ablauf dieser Fristen geltend gemacht, sodass der Versicherer unter Berufung auf die Ausschlussfristen eine Leistung ablehnte. Nach der Entscheidung des BGH war der Makler daher wegen der Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Maklervertrag zum Ersatz des dem Versicherungsnehmer erlittenen Schadens verpflichtet.

In einer neueren Entscheidung hat der BGH (Urteil vom 30.11.2017 – I ZR 143/16) die vertragliche Hinweispflicht des Versicherungsmaklers auf Ausschlussfristen bei der Schadenbearbeitung im Rahmen einer Unfallversicherung bestätigt und dazu erklärt, dass dies sogar auch gelte, wenn der Ver­sicherungsnehmer über einschlägige Kenntnisse verfüge.

Grenzen bei der Schadenbearbeitung

Während der Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers damit grundsätzlich auch die Hilfestellung des Versicherungsnehmers bei der Regulierung eines Versicherungsschadens umfasst, erweist sich die Schadenregulierung des Versicherungsmaklers für Versicherer als unzulässig. Nach Ansicht des BGH (Urteil vom 14.01.2016 – I ZR 107/14) stellt die Schadenregulierung durch Versicherungsmakler für Versicherer eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz dar. Dabei legt der BGH den Begriff der Rechtsdienstleistung weit aus. Für die Annahme einer Rechtsdienstleistung genüge jegliche konkrete Subsumtion eines Sachverhaltes unter die jeweils maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Prüfung schwer, substanziell oder intensiv sei. Diese Rechtsdienstleistung sei auch keine erlaubte Nebenleistung, weil die Schadenregulierung im Auftrag des Versicherers nicht zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers gehöre. Schließlich liegt nach Ansicht des BGH ein Interessenkonflikt des Versicherungsmaklers vor, weil die Interessen des Versicherungsnehmers und die Interessen des Versicherers kollidieren können.

Fazit

Augen auf bei der Schadenbearbeitung für den Kunden. Eine Aufklärungs- und Hinweispflicht des Versicherungsmaklers wird regelmäßig vorliegen, wenn die Bestimmungen des Versicherungsvertrages den Verlust des Versicherungsschutzes bei Nichtbeachtung vertraglicher, insbesondere formaler Pflichten durch den Versicherungsnehmer vorsehen. Für die Schadenregulierung für Versicherer kann die Devise nur lauten: Finger weg!

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2019, Seite 86 f. und in unserem ePaper.

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