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3. April 2024
Schweigepflichtentbindung: Muss BU-Versicherter unterschreiben?

Schweigepflichtentbindung: Muss BU-Versicherter unterschreiben?

Bei Abschluss einer BU oder Eintritt des Versicherungsfalls kann der Versicherer eine Schweigepflichtentbindung vom Versicherten verlangen. Aber trifft den Versicherten eine Obliegenheit, eine solche Erklärung abzugeben? Diese und weitere Fragen erläutert Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke.

Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Beginnt das Verfahren der Leistungsprüfung durch den Versicherer, verlangt dieser meist spätestens zu diesem Zeitpunkt eine allgemeine Schweigepflichtentbindung, um die nötigen Informationen einzuholen. Er kann dann von den entsprechenden Ärzten umfassende Einblicke in die Patientenakte erhalten. Dabei überprüft der Versicherer nicht nur, ob tatsächlich eine Berufsunfähigkeit vorliegt, sondern auch, ob bei Antragstellung die gestellten Gesundheitsfragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet wurden. Liegt eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung nicht vor, prüft der Versicherer die eigentliche Berufsunfähigkeit des Versicherten.

Die Schweigepflichtentbindung soll in der Theorie das Verfahren der Leistungsprüfung beschleunigen, da so der Versicherungsnehmer als Schnittstelle wegfällt und eine direkte Kommunikation zwischen Arzt und Versicherer erfolgen kann.

Voraussetzungen der allgemeinen Schweigepflichtentbindung

Kommt der Versicherer mit einer entsprechenden Schweigepflichtentbindung auf den Versicherungsnehmer zu, stellt sich die Frage, welche besonderen Pflichten den Versicherer treffen. Dem Versicherungsnehmer müssen dabei die Reichweite und die Konsequenzen der Erteilung einer Schweigepflichtentbindung bewusst sein. Dazu treffen den Versicherer besondere Informationspflichten (siehe dazu weiterführend: BGH, Urt. v. 22.02.2017 – IV ZR 289/14).

Beschränkte oder unbeschränkte Schweigepflichtentbindung?

Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer grundsätzlich immer über mögliche Alternativen zu einer umfassenden Schweigepflichtentbindung aufklären. Der Versicherer muss aufzeigen, dass die „Datenhoheit“ beim Versicherten liegt. Dabei sollten dem Versicherungsnehmer mindestens zwei Wahlmöglichkeiten gegeben werden.

Den Versicherer trifft auch eine entsprechende Hinweispflicht dahingehend, dass er die Grundsätze des sog. „gestuften Dialogs“ darstellen sollte (beschränkte Schweigepflichtentbindung). Unter dem gestuften Dialog versteht man die „nach und nach Einholung“ von Informationen, die zur Leistungsprüfung nötig sind. Dieser Dialog stellt die Mitte zwischen der allgemeinen Schweigepflichtentbindung und der vollständigen Eigenerbringung der nötigen Informationen dar. Dies soll eine Warnfunktion entfalten, welche die Auswirkungen einer allgemeinen Schweigepflichtentbindung deutlich macht. Da sich bei einer allgemeinen Schweigepflichtentbindung mögliche Grundrechtseinschränkungen des Versicherten ergeben, sollte ein Hinweis auf den gestuften Dialog durch den Versicherer deutlich hervorgehoben werden.

Schweigepflichtentbindung als Obliegenheit des Versicherten?

In Anbetracht der Hinweispflicht des Versicherers auf entsprechende Alternativen wird klar, dass eine Schweigepflichtentbindung als Obliegenheit des Versicherten nicht ersichtlich ist.

Zwar treffen den Versicherten im Versicherungsfall Mitwirkungsobliegenheiten. Beziehen sich die entsprechenden Auskünfte aber auf Gesundheitsdaten, sind Besonderheiten zu beachten. Erteilt der Versicherungsnehmer keine Einwilligung bezüglich der Erhebung der Daten durch den Versicherer, kann darin kein Verstoß gegen eine vertragliche Mitwirkungsobliegenheit gesehen werden, da er im Zuge dessen von seinen verfassungsrechtlich gebotenen Rechten Gebrauch macht (siehe dazu weiterführend: BVerfG, Beschl. v. 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02).

Allerdings können Leistungsansprüche des Versicherten so dann nicht fällig werden. Dies gilt aber nur, wenn der Versicherungsnehmer jegliche Informationen verweigert. Verweigert er nur die umfassende Schweigepflichtentbindung, verschafft dem Versicherer aber gezielt alle nötigen Informationen, wird die Leistung dennoch fällig. Folglich bedeutet eine umfassende Verweigerung des Versicherungsnehmers von Auskünften bezüglich Gesundheitsdaten keine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit und damit erst recht nicht die Verweigerung einer umfassenden Schweigepflichtentbindung. Eine entsprechende Verweigerung kann lediglich Auswirkungen auf die Fälligkeit der Leistungen haben, die aber durch gezielte Erteilung der nötigen Informationen verhindert werden kann.

Sollte eine Schweigepflichtentbindung erteilt werden?

Die Erteilung einer umfassenden Schweigepflichtentbindung sollte genau überlegt werden. Der Versicherer kann damit auf umfassende Gesundheitsdaten des Versicherungsnehmers zurückgreifen. Dabei wird dem Versicherungsnehmer die Chance verwehrt, die entsprechenden Informationen selber zu überprüfen und sicherzugehen, dass der Versicherer nur solche Informationen erhält, zu denen er auch berechtigt ist. Kommt es zu falschen Angaben durch den Arzt in der Krankenakte, so kann es durchaus schwierig sein, diese nachträglich zu korrigieren bzw. zu widerlegen. Dies kann im äußersten Fall zu einer Leistungsverweigerung des Versicherers aufgrund einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten führen, bei welcher der Versicherer auch Gestaltungsrechte geltend machen kann (Anfechtung; Rücktritt; Kündigung; Vertragsanpassung).

Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, auf eine andere Möglichkeit neben der umfassenden Schweigepflichtentbindung zurückzugreifen. Dabei kann sowohl eine selektive Schweigepflichtentbindung erfolgen als auch die Eigenerbringung der geforderten Daten durch den Versicherten selbst.

Weitere wissenswerte Beiträge zum Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung sind hier auf der Website der Kanzlei Jöhnke & Reichow zu finden.

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Bild: © Studio_East – stock.adobe.com; © Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte