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1. Mai 2024
Small und Mid Caps: ESG-Perlen mit großem Entwicklungspotenzial

Small und Mid Caps: ESG-Perlen mit großem Entwicklungspotenzial

Bei der Geldanlage stehen oft die großen Player im Fokus. Auch große Unternehmen positionieren sich mehr in Richtung Nachhaltigkeit. Wie groß muss man hierbei eigentlich denken? Es gibt da ja noch KMU, die gerne als gute Investitionschancen gesehen werden. Warum eigentlich?

Ein Artikel von Marian Klemm, Geschäftsführer der Green Growth Futura GmbH

Steckt die nachhaltige Transformation der Wirtschaft in der Krise? Zunehmende geopolitische Krisenherde, ein neuer Rüstungswettlauf und die boomenden Rohstoffmärkte haben die globale Nachhaltigkeitsagenda in den Hintergrund gedrängt. Die Weltbank warnte jüngst vor einem „verlorenen Jahrzehnt“ für die nachhaltige Transformation, da aufgrund der lahmenden Weltkonjunktur notwendige Investitionen in Nachhaltigkeitsmaßnahmen zur Erreichung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 zurückgefahren würden.

Doch auch wenn das Tempo der Transformation scheinbar zu erlahmen droht, kann man nicht von einer Kehrtwende sprechen. Allein das von vielen Wirtschaftsnationen und -regionen wiederholt ausgesprochene Ziel der Klimaneutralität bis 2050 hat zu einem globalen Wettbewerb um die Führungsrolle innerhalb dieses Prozesses geführt.

Der European Green Deal und die Corporate Sustainability Reporting Directive

Die Europäische Union hat mit dem European Green Deal ein besonders ambitioniertes und umfassendes Maßnahmenpaket aufgelegt, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Ein Element davon ist die seit 2023 geltende EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Unternehmen je nach Größe, Umsatz und Bilanzsumme in den kommenden Jahren schrittweise dazu verpflichtet, einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht innerhalb ihres Geschäftsberichts zu veröffentlichen. Ab 2027 greift die Richtlinie auch für kleine und mittelgroße börsennotierte Unternehmen (KMU), wobei diese durch ein „Opt-out“ die Möglichkeit haben, den Einstieg auf 2029 zu verschieben.

Small und Mid Caps rücken ins Rampenlicht von nachhaltigen Investoren

Für KMU ist die CSRD ein zweischneidiges Schwert: Zwar entwirft die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) aktuell Berichtsstandards, die sich explizit an KMU richten und entsprechend weniger komplex sind als die derzeitigen Vorgaben, doch nichtsdestotrotz wird die Einführung zu einer großen Herausforderung für die Unternehmen, da Nachhaltigkeitsabteilungen, sofern sie überhaupt schon bestehen, in diesem Segment mehrheitlich weder über die finanziellen noch über die personellen Ressourcen verfügen, um die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen.

Auf der anderen Seite haben KMU aber auch Grund zum Optimismus, denn viele von ihnen werden erheblich von den neuen Pflichten profitieren. Beispielsweise ist davon auszugehen, dass schon allein die Erhebung und systematische Darstellung von Nachhaltigkeitsdaten sich positiv auf die Geschäftsentwicklung und die Bewertungen der KMU auswirken werden. Aber noch viel entscheidender: Die Umsetzung der CSRD wird aller Voraussicht nach dazu führen, dass sich infolge einer verbesserten Verfügbarkeit von ESG-Daten kleinerer Unternehmen die Vergleichbarkeit von Unternehmen unterschiedlicher Gewichtsklassen signifikant erhöhen wird, sodass KMU mittelfristig einen besseren Zugang zu Investoren und damit nachhaltigen Portfolios erhalten und sie seltener oder gar nicht mehr aufgrund fehlender Nachhaltigkeitsinformationen benachteiligt werden.

Kleinere Unternehmen profi­tieren in Sachen Nachhaltigkeit von strukturellen Vorteilen

Für Investoren, die an Nachhaltigkeit interessiert sind, ist diese Entwicklung gleich in mehrfacher Hinsicht begrüßenswert. Der offensichtliche Vorteil besteht darin, dass sich grundsätzlich die Anzahl investierbarer Unternehmen erhöht. Darüber hinaus profitieren sie aber auch aus qualitativer Perspektive, da KMU oftmals eine bessere Nachhaltigkeitsperformance aufweisen als große Unternehmen. Sie bringen zudem inhärente strukturelle Eigenschaften mit, die sie für eine nachhaltige Transformation prädestinieren.

So verfügen kleinere Unternehmen oftmals über ein deutlich fokussierteres Geschäftsmodell bei gleichzeitig übersichtlicheren Strukturen. Infolgedessen kann Nachhaltigkeit einfacher in der Unternehmensstrategie und zentral bei der Geschäftsführung verankert werden, die damit auch die Verantwortung für dieses Thema trägt. Nachhaltigkeitsmaßnahmen wie die Umstellung auf ressourcenschonendere Produktionsprozesse oder erneuerbare Energien können auf dieser Basis meist einfacher und schneller umgesetzt werden. Auch auf Ebene der Governance sind übersichtlichere Unternehmensstrukturen ein Plus, da sie Korruption und weitere „White Collar Crimes“ erschweren.

Einen Sonderfall unter den mittelständischen Unternehmen stellen die sogenannten Hidden Champions dar. Diese vor allem in der DACH-Region vertretenen Unternehmen sind oftmals Weltmarktführer im eigenen Nischensegment und in der Öffentlichkeit eher unbekannt. Zudem sind sie häufig inhaber- bzw. familiengeführt und zeichnen sich dadurch aus, dass sie traditionelle Werte pflegen und gleichzeitig eine hohe Innovationskraft aufweisen. Die Hidden Champions können vor allem im Hinblick auf soziale Nachhaltigkeit glänzen. So legen sie oftmals großen Wert auf eine starke Mitarbeiterbindung und fördern diese durch eine arbeitnehmerfreundliche Unternehmenskultur, die sich durch flache Hierarchien, gute Aufstiegschancen und die frühzeitige Übertragung von verantwortungsvollen Aufgaben ausdrückt.

Ob groß oder klein: Nachhaltigkeitsprüfungen sollten mehrdimensional sein

Ob ein kleineres Unternehmen dann auch tatsächlich eine grüne Perle für ein nachhaltiges Portfolio ist, kann – und in diesem Punkt unterscheiden sie sich nicht von Unternehmen anderer Größenordnungen – nur durch eine umfassende Analyse und ein laufendes Monitoring im Rahmen eines aktiven Asset-Management-Ansatzes sichergestellt werden. Neben quantitativen Kriterien müssen dabei auch qualitative Merkmale berücksichtigt werden. So sollte neben dem Check der Standard-KPIs auch die Überprüfung vergangener und laufender Kontroversen sowie der Umgang mit diesen zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsanalyse gehören. Ebenso ist der direkte und regelmäßige Dialog mit den Unternehmen, das sogenannte Engagement, aus unserer Sicht ein wichtiger Baustein, der immer mehr an Bedeutung gewinnt. Und das aus gutem Grund: Engagement-Dialoge geben Investoren nicht nur wertvolle Einblicke in den Maschinenraum eines Unternehmens und führen zu einem Abbau von Informationsasymmetrien. Sie ermöglichen darüber hinaus auch – und das gilt wiederum insbesondere für KMU – das Aufzeigen von Optimierungspotenzialen sowie die Möglichkeit der positiven Einflussnahme auf ein Unternehmen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © SK – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Marian Klemm