AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
4. Januar 2024
Unfall mit Anhänger: Rückwärtsfahren gilt als „Ziehen“

Unfall mit Anhänger: Rückwärtsfahren gilt als „Ziehen“

In einem Schadenfall wollte der Versicherer eines Zugfahrzeugs einen Versicherer, der den gezogenen Anhänger versichert hatte, für eine hälftige Zahlung in Anspruch nehmen. Der wehrte sich dagegen und wurde vom anderen Versicherer verklagt. Zum Schluss ging es darum, was alles unter den Begriff des „Ziehens“ fällt.

In einem Streitfall zwischen zwei Versicherern musste die Frage beantwortet werden, ob einer der beiden Versicherer einen Teil des Schadens aus einem Verkehrsunfall mit einem Anhänger übernehmen muss. Dabei war das Zugfahrzeug bei einem Versicherer haftpflichtversichert, der Anhänger bei einem anderen. Zum Schluss ging es darum, ob es sich bei der Bewegung des Gespanns um ein Rückwärtsfahren oder ein Ziehen handelt.

Am 14.11.2023 hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschieden, dass auch das Rückwärtsfahren mit einem Anhänger ein „Ziehen“ im Sinne von § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG ist.

Was war passiert?

Bereits im Jahr 2021 hat eine Versicherungsnehmerin mit einem Gespann – bestehend aus Zugfahrzeug und Anhänger – ein anderes Fahrzeug beim Rückwärtsfahren beschädigt. Der Versicherer, bei dem das Zugfahrzeug haftpflichtversichert war, regulierte die Aufwendungen des Geschädigten in Höhe von 930 Euro und wollte den Versicherer des Anhängers auf hälftigen Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch nehmen. Diese sah sich aber nicht in der Pflicht. Der Fall landete vor dem Amtsgericht Hannover, das letzteren Versicherer verurteilte, im Rahmen des Innenverhältnisses mit dem klagenden Versicherer an diesen 465 Euro plus Zinsen zu zahlen. Der beklagte Versicherer wendete sich allerdings mit einer Berufung an das Landgericht Hannover, welches die Entscheidung des Amtsgerichts abänderte und die Klage abwies. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Versicherer des Zugfahrzeugs dann seinen Klageantrag weiter.

Der beklagte Versicherer – bei dem der Anhänger versichert war – hatte sich auf § 19 Abs. 4 StVG berufen. Demnach wäre nur die Halterin des Zugfahrzeugs verpflichtet. Diese gelte zumindest dann, wenn keine besondere Gefahrerhöhung aufgrund des Anhängers vorliege. Allein das „Ziehen“ des Anhängers stelle keine höhere Gefahr dar, argumentierte die beklagte Versicherung. Die Versicherung des Zugfahrzeugs entgegnete, dass ein „Ziehen“ eine Bewegung nach vorn sei. Da die Autofahrerin in diesem Fall jedoch mit dem Anhänger rückwärtsgefahren sei, habe keine Zugbewegung vorgelegen.

Urteil: Kein Anspruch

Das Berufungsgericht hat nun ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch aus § 78 Abs. 3 VVG, § 19 Abs. 4 StVG, § 426 BGB habe. Es habe sich keine anhängerspezifische Gefahr verwirklicht, die eine Abweichung von der Regel des § 19 Abs. 4 Satz 2 StVG rechtfertige. Auch das Rückwärtsrangieren mit einem Anhänger stelle ein Ziehen im Sinne von § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG dar, was regelmäßig keine Gefahrerhöhung bewirke. Zwar umfasse „Ziehen“ im natürlichen Sinne nur eine Bewegung nach vorne. Gegen ein solches Verständnis sprächen jedoch Systematik und Wille des Gesetzgebers.

Im Urteil heißt es wörtlich, die Vorschrift des § 19 Abs. 1 StVG erfasst unabhängig von der Fahrtrichtung jede Bewegung des Anhängers (das heißt auch das Rückwärtsschieben) durch das Zugfahrzeug. Ob der Anhänger beim konkreten Haftpflichtgeschehen gezogen oder geschoben (z. B. während eines Rangiervorganges) wird, ist nicht relevant. Entscheidend ist allein seine abstrakte Bestimmung, prinzipiell an ein Kraftfahrzeug angehängt zu werden. Es verbleibe daher bei der alleinigen Haftung der Klägerin als Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeugs.

BGH, Urteil vom 14.11.2023 – VI ZR 98/23

Bild: © beermedia – stock.adobe.com