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4. August 2023
Versicherungskunden werden nachhaltigkeitsmüde
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Versicherungskunden werden nachhaltigkeitsmüde

Laut einer Umfrage begrüßen immer weniger Kunden die Verbindung von Nachhaltigkeit und Versicherungen. Und die Bereitschaft zu Leistungseinbußen oder höheren Prämien zugunsten von Nachhaltigkeit sinkt. Für Versicherer wird es somit schwieriger, Kunden mit dem Thema Nachhaltigkeit zu erreichen.

Nachhaltigkeit ist bei Verbrauchern zwar nach wie vor präsent, scheint sie aber zunehmend zu polarisieren und zu ermüden. Dies geht aus einem aktuellen Stimmungsbarometer hervor, das die Management- und Technologieberatung BearingPoint zum dritten Mal durchgeführt hat. Wie die Umfrage weiter zeigt, unterscheiden Kunden zudem zwischen der Wirkung auf Gesellschaft, Unternehmen und ihrem eigenen Handeln. Laut BearingPoint scheinen Versicherer derzeit kaum Chancen zu haben, sich über nachhaltig ausgerichtete Produkte zu differenzieren.

Nachhaltigkeit bei Versicherungsprodukten – nein danke?

Deutsche Verbraucher begrüßen immer weniger eine Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Versicherungsprodukten. Der Anteil derer, die den Zusammenhang ablehnen oder keine Angaben machen. liegt mittlerweile bei 61%. Nur noch 10% bzw. 29% befürworten die Verbindung uneingeschränkt bzw. wollen es von einer konkreten Ausgestaltung abhängig machen.

Dass Versicherer eine wichtige Rolle bei der Förderung von Nachhaltigkeit einnehmen sollen, bejahen deutlich weniger Verbraucher als in den Vorjahren. Während im Jahr 2022 noch 53% der Befragten zustimmten, Versicherungen sollten mit ihren Produkten nachhaltiges Verhalten fördern, meinen dies aktuell nur noch 39%. Bei der Befragung im Jahr 2021 waren sogar noch 71% dieser Ansicht.

Gesellschaften vor Herausforderungen

Laut BearingPoint würden die Umfragen der vergangenen drei Jahre den folgenden Umstand immer deutlicher belegen: Verbraucher können oder wollen kaum zwischen dem Produktangebot und dem Verhalten des Versicherungsunternehmens als Ganzes unterscheiden. Beim Thema Nachhaltigkeit bei Versicherungen denken Kunden offenbar vor allem an das Verhalten des Unternehmens. Hierunter fallen Themen wie Transparenz, Glaubwürdigkeit und Fairness.

„Versicherungsunternehmen müssen sich offenbar eher als Ganzes präsentieren und dabei Fairness und Glaubwürdigkeit in ihre Nachhaltigkeitsstrategie integrieren; Versicherungsunternehmen scheinen verstärkt an ihrer Wahrnehmung als Unternehmen arbeiten zu müssen, um in der Folge auch mit nachhaltiger Ausrichtung von Produkten punkten zu können“, erklärt Giso Hutschenreiter, Partner bei BearingPoint und Versicherungsexperte.

Akzeptanz für mögliche Leistungseinbußen sinkt

Wie die Umfrage weiter zeigt, hat auch die Bereitschaft, im Sinne der Nachhaltigkeit auf Versicherungsleistungen zu verzichten, abgenommen. In der Gesamtbevölkerung seien in Deutschland nur noch 26% gegenüber 32% im Jahr 2022 bereit, für mehr Nachhaltigkeit Leistungseinbußen hinzunehmen. Dabei ist die Akzeptanz bei den 18- bis 24-Jährigen fast doppelt so hoch wie bei den über 55-Jährigen.

Nachhaltigkeit darf nichts kosten

Auch die Bereitschaft, höhere Versicherungsprämien für einen nachhaltigen Zweck in Kauf zu nehmen, hat sich verringert. Aktuell würden nur noch 22% der Deutschen mehr bezahlen. Im Vorjahr waren es noch 27%. Rund zwei Drittel lehnen inzwischen eine erhöhte Prämie für eine nachhaltige Produktausrichtung ab. In Deutschland lag der Anteil bereits im Vorjahr mit 60% auf einem hohen Niveau.

Konkret bei denjenigen nachgefragt, die zugunsten von Nachhaltigkeit zu eigenem Handeln bereit wären, kann sich jeweils gut jeder Dritte einen Verzicht bei Ersatzleistungen wie Austauschteile beim Auto, Einschränkungen bei Dienstleistungen oder – in diesem Jahr erstmalig abgefragt – die Sicherstellung von Sozialstandards vorstellen. Letzteres sei laut BearingPoint ein Hinweis auf Faktoren, die bislang neben dem E für Environment in ESG von vielen Unternehmen noch zu wenig adressiert würden.

Skepsis bei Kunden

Unterm Strich zieht Hutschenreiter eine ernüchternde Bilanz: „Unsere Umfrage legt nahe, dass Kunden kein Vertrauen in die Nachhaltigkeitsbemühungen von Versicherungen haben. Die Rechtfertigung einer höheren Prämie oder eines Leistungsverzichts fällt umso schwerer. Für Versicherungsunternehmen ist das kein einfaches Umfeld: Nachhaltigkeit ohne eine ernsthafte Grundlage läuft Gefahr, als Greenwashing demaskiert zu werden. Seitens des Kunden erwartete Anreize müssen andererseits auch mit grundlegenden Prinzipien des Versicherungsgedankens vereinbar sein.“ (tk)

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