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25. Juli 2018
VOTUM: „Schlichter brauchen fachlichen Branchen-Hintergrund“

VOTUM: „Schlichter brauchen fachlichen Branchen-Hintergrund“

Der VOTUM Verband hat eine Schlichtungsstelle ins Leben gerufen, die berufsgruppenübergreifend agieren soll. Im Interview mit AssCompact sieht der geschäftsführende Vorstand Martin Klein darin einen Beleg dafür, dass die Branche weiterer Regulierungsmaßnahmen nicht bedarf.

Herr Klein, der VOTUM Verband ist Träger der erst kürzlich aktiv gewordenen „Schlichtungsstelle für gewerbliche Versicherungs-, Anlage- und Kreditvermittlung“. Was ist Sinn und Zweck der Stelle?

Die von uns vertretene Berufsgruppe der Versicherungsvermittler, Anlagevermittler, Immobilliardarlehensvermittler und der Immobilienmakler ist gesetzlich zu einer eindeutigen Aussage verpflichtet, ob sie sich an einer außergerichtlichen Streitschlichtung beteiligen würden, wenn eine Kundenbeschwerde nicht im direkten Kontakt gelöst werden kann. Und wenn sie dazu bereit sind, müssen sie diese Schlichtungsstelle auch benennen. Diese Verpflichtungen sind vom Gesetzgeber zwar nicht gerade verständlich formuliert worden, sie sind aber letztlich eindeutig und müssen deshalb dringend umgesetzt werden. Bisher sind für die einzelnen Berufsgruppen allerdings unterschiedliche zuständige staatliche Schlichtungsstellen vorgesehen. Dies führt aus Sicht der Vermittler, aber auch ihrer Kunden, zu einer verwirrenden und abschreckenden Vielfalt. Unsere Schlichtungsstelle soll hier für die gesamte Dienstleistungsbandbreite im Bereich der §§ 34c bis 34i GewO eine einheitliche Ombudsstelle bieten, die die Vermittler als professionellen und seriösen Ansprechpartner für etwaige Streitfälle benennen können.

Wodurch ist die Entstehung dieser nicht-staatlichen Schlichtungsstelle getrieben worden? Warum ist sie so wichtig?

Den Ausschlag für unsere Initiative gab das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, das seit dem Jahr 2017 eine Hinweispflicht auf die Frage der außergerichtlichen Streitbeilegung auch für Finanzanlagenvermittler vorsieht. Bis dahin bestand diese Hinweispflicht lediglich bei den Erstinformationen für Versicherungsvermittler; hier gab es mit dem Versicherungsombudsmann eine bewährte Einrichtung.

Mit dem neuen Gesetz tat sich aus unserer Sicht eine schwerwiegende Lücke auf. Unsere Anfragen gegenüber den Verbänden, die die klassischen Produktanbieter von Finanzanlagenvermittlern vertreten, wie etwa der BVI und der damalige BSI, zeigten, dass die dort eingerichteten Schlichtungsstellen sich ausschließlich auf Auseinandersetzungen zwischen Kunden und den jeweiligen Fonds- und Kapitalverwaltungsgesellschaften beschränken wollten. Für Beschwerden gegenüber Vermittlern sahen sie sich nicht zuständig. Für Anlagenvermittler blieb daher lediglich die staatliche, als Übergang eingerichtete Auffangschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V. Hier muss davon ausgegangen werden, dass sie aufgrund der breiten Zuständigkeit für alle Branchen ohne eigene Schlichtungsinstitution nicht über spezielles Know-how verfügt.

Deshalb sahen wir es als unbedingt notwendig an, eine Schlichtungsstelle einzurichten, in der die bestellten Schlichter über fachlichen Hintergrund für unsere Branche verfügen. Auch für die Kreditvermittler zeigte sich, dass die kreditgebenden Banken ihre Schlichtungsstellen für Beschwerden, die sich nicht gegen den Kreditvertrag an sich, sondern gegen den Vermittlungsvorgang wendeten, als unzuständig erachten, sodass auch hier lediglich die staatliche Schlichtungsstelle bei der Bundesbank verblieb. Wir haben den Zuständigkeitsbereich unserer Schlichtungsstelle also bewusst weit gefasst, um Vermittlern und ihren Kunden eine eindeutige Anlaufstelle zu bieten.

An wen richtet sie sich hauptsächlich?

Die Schlichtungsstelle wendet sich an jeden Berufsträger mit einer Zulassung nach §§ 34c bis 34i GewO. Hier insbesondere an diejenigen, die bisher keine Möglichkeit hatten, eine Branchenschlichtungsstelle zu benennen und daher zur Einhaltung ihrer gesetzlichen Verpflichtung zwingend auf staatliche Schlichtungsstellen verweisen mussten. Das gilt etwa für die Vermittler mit Zulassung nach §§34f und 34i. Versicherungsvermittler konnten bereits in der Vergangenheit den Versicherungsombudsmann als mögliche Branchenschlichtungsstelle benennen.

Welche Vorteile bietet sie Versicherungs-, Finanzanlagen- und Immobiliardarlehensvermittlern?

Der erste Vorteil ist die damit einhergehende Einfachheit. Vermittler, die ein Allfinanzangebot unterhalten, können den Verweis auf bis zu vier unterschiedliche Schlichtungsstellen nun durch den Verweis auf eine einzige Schlichtungsstelle ersetzen. Das wirkt auch auf die Kunden weniger kompliziert. Zudem bietet die Schlichtungsstelle Kostenvorteile, zum Beispiel für Finanzanlagenvermittler. Bei einer Schlichtung beim Zentrum für Schlichtung e. V. entstehen bei Beschwerdewerten oberhalb von 5.000 Euro – das ist im Anlagebereich die Regel – Gebühren in Höhe von 600 Euro pro Schlichtungsfall; diese sind bei unserer Schlichtungsstelle auf 400 Euro begrenzt. Für die 80.000 Kooperationspartner von VOTUM-Mitgliedsunternehmen reduziert sich dieser Betrag auf 200 Euro. Darüber hinaus befinden wir uns im Dialog mit den Vermögensschadenshaftpflichtversicherern im Hinblick auf eine Übernahme der entstehenden Kosten.

Außerdem: Die beiden bestellten Richter, der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts Bremen, Herr Wolfgang Arenhövel, und der ehemalige Präsident des Amtsgerichts Bremen, Herr Klaus Schlüter, sind äußerst erfahren. Sie verfügen auch im Kapitalanlagebereich über ein breites rechtliches Wissen und sind dank ihrer Tätigkeit im Bereich der Schlichtungsstelle für die Vermögensverwalter bereits umfassend mit der Thematik vertraut.

Darüber hinaus bietet sie für die Konfliktparteien viele Chancen: Der Kunde hat hier die Möglichkeit, absolut kostenfrei eine professionelle Beurteilung seiner Beschwerde durch einen neutralen Richter zu erhalten. Er muss sich nicht dem erheblichen Kostenrisiko einer Prozessführung aussetzen. Das Ergebnis des Schlichtungsverfahrens ist unverbindlich und er kann demnach seinen Beschwerdeanspruch auch im Falle der Ablehnung weiterverfolgen. Bestenfalls führt jedoch die Befassung der Schlichtungsstelle mit dem Vorgang auch zu einer Befriedung der Situation zwischen den Parteien, sodass sie ihre Zusammenarbeit fortführen können.

Warum unterstützen Sie dieses Projekt als Vermittlerverband?

Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz hat der Gesetzgeber ausdrücklich den Appell an die Wirtschaft ausgesprochen, eigene Schlichtungsstellen einzurichten und staatliche Schlichtungsstellen lediglich für den Übergang zu nutzen. Hinzu tritt, dass die Bundesregierung mit der Neufassung der Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) und der Finanzvermittlungsverordnung (FinVermV) offensichtlich beabsichtigte, Vermittler zur Zusammenarbeit mit zugelassenen Schlichtungsstellen zu verpflichten. Die von uns eingerichtete verfügt als einzige privatwirtschaftliche Schlichtungsstelle im Bereich der gewerblichen Anlage- und Kreditvermittlung über die Zulassung des Bundesamts für Justiz. Sie wird von dort aus im Rahmen einer regelmäßigen, durch uns zu erbringenden Berichterstattung kontrolliert.

Wir sind dem Auftrag des Gesetzgebers nachgekommen und sehen hierin auch ein Beispiel dafür, dass die Mitgliedsunternehmen unseres Verbandes sich uneingeschränkt einem hohen Qualitätsversprechen im Rahmen der Erbringung ihrer Dienstleistung verpflichtet fühlen. Wir erachten die Schlichtungsstelle darüber hinaus als einen Beleg dafür, dass die Branche weiterer Regulierungsmaßnahmen wie etwa einer BaFin-Aufsicht nicht bedarf. Dies könnte aber ein Thema für ein weiteres Gespräch sein.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 07/2018, Seite 114 f.

Bildquelle: © VOTUM Verband