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20. Februar 2024
„Setze mich für die Einbindung verschiedener Perspektiven ein“

„Setze mich für die Einbindung verschiedener Perspektiven ein“

Isabella Martorell Naßl, seit 2022 Mitglied des Vorstands bei der Versicherungskammer Bayern, setzt sich in besonderem Maße für Frauen in Führungspositionen ein. Zudem ist sie Patin der Initiative „BayFiD – Bayerns Frauen in Digitalberufen“. Vor Kurzem gewann sie für ihr Engagement einen Award.

Interview mit Isabella Martorell Naßl, Vorsitzende des Vorstands der Kranken- und Reiseversicherer im Konzern Versicherungskammer und Chief Operating Officer
Frau Martorell Naßl, Sie haben 2023 den CCV Quality Award in der neuen Kategorie „Female Leadership“ gewonnen. Was bedeutet Ihnen der Preis?

Viel! Vor allem, weil ich mich schon sehr viele Jahre für Frauen in Führung einsetze. Ich möchte darauf aufmerksam machen, wie wichtig der weibliche Blick auf die Arbeitswelt ist und dass Frauen diese unbedingt mitgestalten müssen.

Was hat es denn mit „Female Leadership“ genau auf sich? Wie leben Sie es in Ihrer täglichen Arbeit?

Female Leadership ist ein facettenreiches Konzept, das oft Gegenstand intensiver Diskussionen ist. Einige behaupten, Frauen seien aufgrund bestimmter Eigenschaften wie Emotionalität oder Konfliktscheue weniger effektive Führungskräfte. Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass Frauen aufgrund ihrer kooperativen und partizipativen Führungsstile sogar bessere Führungskräfte sein könnten. Wissenschaftliche Belege für geschlechtsspezifische Unterschiede im Führungsstil sind jedoch nicht eindeutig.

In meiner täglichen Arbeit als Führungskraft rücke ich den Fokus weg von der Geschlechterfrage hin zur Bedeutung von Diversität als wesentlichem Bestandteil der Unternehmenskultur. Ich glaube fest daran, dass die Stärke in der Vielfalt der Erfahrungen und Arbeitsstile in multikulturellen Arbeitsgruppen liegt.

Wie unterscheidet sich dieser Führungsstil von anderen?

Verschiedene Führungspositionen erfordern unterschiedliche Anforderungsprofile. Ich lebe diese Philosophie, indem ich eine Unternehmenskultur fördere, die Diversität aktiv unterstützt und integriert. Dies bedeutet konkret, dass ich mich für die Einbindung verschiedener Perspektiven einsetze, offene Kommunikation fördere und versuche, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Teammitglieder wertgeschätzt und respektiert fühlen. Durch diese Herangehensweise möchte ich eine inklusive und innova­tive Arbeitsumgebung schaffen, in der Diversität nicht nur toleriert, sondern als Schlüssel zum Erfolg gesehen wird.

Können Sie Beispiele nennen, die verdeutlichen, was Ihr Engagement in Ihrem Unternehmen bereits bewirkt hat?

Da mir Diversität in meinen Teams enorm wichtig ist, bin ich sehr stolz darauf, dass in meinen Bereichen eine sehr diverse Zusammensetzung auf allen Führungsebenen zu finden ist. Darüber hinaus habe ich den Leadership-Forum-Ansatz entwickelt, der als Befähigungs- und Entwicklungsprogramm alle Führungsrollen inspiriert und Impulse gibt, um in allen Führungsverant­wortungen zu wachsen und wirksam zu sein.

Sie erschließen auch Partnerschaften mit Organisationen, die Frauen in der IT fördern. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?

Mir ist es wichtig, dass Frauen in allen Unternehmensbereichen und Berufsfeldern partizipieren und ihre Fähigkeiten einbringen. Daher habe ich eine Patenschaft für das Programm „BayFiD – Bayerns Frauen in Digitalberufen“ des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales übernommen. Ziel des Programms ist, junge Frauen über Unternehmensbesuche, Workshops und Events für Digitalberufe zu begeistern. Denn die Frauen sind mit den Technologien aufgewachsen und besitzen digitale Kompetenzen, die sie gut in diesen Berufs­bildern einbringen können.

Was braucht es denn Ihrer Meinung nach, um mehr Frauen für die IT zu begeistern?

Natürlich sind Förderprogramme wie das erwähnte BayFiD-Programm sehr hilfreich, um Frauen dazu zu ermutigen, die digitale Welt aktiv zu gestalten. Im vergangenen Herbst hatten wir Teilnehmerinnen des BayFiD-Programms im Konzern Versicherungskammer zu Gast und konnten einige der vielen digitalen Lösungen im Konzern Versicherungskammer präsentieren, unsere Innovationsabteilung vorstellen und mit einem Design-Thinking-Workshop den Teilnehmerinnen einen praktischen Einblick bieten. Allgemein lohnt es sich zu vermitteln, wie vielfältig die Berufsbilder in der IT sind – und da gibt es auch gerade bei Versicherern sehr abwechslungsreiche Jobs und Tätigkeitsfelder. Unternehmen müssen eine inklusive Kultur schaffen, in der flexible Arbeitsbedingungen und die Förderung der Work-Life-Balance berücksichtigt werden, um Frauen in der IT zu halten.

Frauen müssten sich auch noch viel mehr vernetzen. Haben Sie dazu auch Ansätze und Ideen?

Die Förderung von Diversität und Vernetzung ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Wir kombinieren Maßnahmen, um einen umfassenden Rahmen für Diversität und Vernetzung zu schaffen, der nicht nur Frauen, sondern alle Mitarbeitenden einschließt und unterstützt.

Das interne Frauennetzwerk der Versicherungskammer, das 2012 ins Leben gerufen wurde, ist beispielsweise nicht nur eine Plattform für den Austausch und die Unterstützung von Frauen, sondern auch ein zentraler Bestandteil unseres Diversity-­Programms. Durch Veranstaltungen wie Frauen-Roundtables oder Frauensymposien mit Mittags-Get-together schaffen wir Gelegenheiten für Vernetzung und fördern den Dialog. Die Veranstaltungen stehen allen Mitarbeitenden offen. Für mich ist es allerdings noch entscheidender als das reine Netzwerken, dass Frauen ein Bewusstsein für ihre Sichtbarkeit entwickeln. Ich fördere dies durch zielgerichtetes Mentoring.

Der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel wird erst mal nicht kleiner werden – im Gegenteil. Großes Potenzial, heißt es, liegt unter anderem darin, mehr Frauen in Arbeit zu bringen. Würden Sie das ähnlich sehen?

Ja, ich teile diese Ansicht. Es ist entscheidend, Frauen mehr Möglichkeiten zu bieten, sich im Arbeitsmarkt zu etablieren. Frauen, die aufgrund unterschiedlicher Lebenssituationen in Teilzeit arbeiten, sollten vollständigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Flexible Arbeitsmodelle spielen hierbei eine Schlüsselrolle, da sie es ermöglichen, Berufstätigkeit an diverse Lebensumstände anzupassen. Die Schaffung optimaler Arbeitsbedingungen sollte daher ein inklusiver Ansatz sein, der alle qualifizierten Arbeitskräfte unterstützt, um Innovation und Kreativität zu fördern.

Wie viel machen aus Ihrer Sicht Benefits, z. B. eine bKV, und auch New-Work-Konzepte aus?

Neben den genannten Aspekten zeichnen diese einen modernen Arbeitgeber aus. Wir bemerken bei unseren Einstellungsprozessen, dass neben dem Gehalt insbesondere Zusatzleistungen wie Betriebsrente, Kantine oder Fitness-Studio eine attraktive Ergänzung sein können.

Die Vorsorge für ein gutes Leben in der Rente und die Gesunderhaltung auf dem Weg dorthin sind gewichtige Argumente, denn Zusatzleistungen wie bKV und bAV für Angestellte sind wirksame Instrumente bei der Bindung und Gewinnung von Mitarbeitenden. Flexible Arbeitszeiten und -orte, Smart Working oder Workation entsprechen den individuellen Bedürfnissen und Erwartungen der heutigen Arbeitswelt. Hier gehen wir als Konzern Versicherungskammer voran, indem wir keine starren Regeln oder Quoten für unsere Mitarbeitenden haben.

Vielleicht noch ein kleiner Ausblick: Mit welchen Erwartungen schauen Sie denn auf das Jahr 2024?

Ich blicke auf das Jahr 2024 mit einer Mischung aus Optimismus und Realismus, insbesondere unter Berücksichtigung der aktuellen globalen Herausforderungen. Derzeitige Konflikte und Kriege in verschiedenen Teilen der Welt haben verheerende Auswirkungen auf die Betroffenen. Frauen und Kinder sind oft die am stärksten betroffenen Gruppen in solchen Krisensituationen.

Im Hinblick auf die Arbeitswelt bedeutet dies, dass wir uns weiterhin für Diversität und Inklusion einsetzen müssen, um sicherzustellen, dass jeder, unabhängig von Geschlecht, Hintergrund oder den Umständen, in denen er lebt, gleiche Chancen auf Erfolg und Wohlstand hat. Es geht darum, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die nicht nur für Frauen, sondern für alle Menschen gerecht und förderlich sind.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Isabella Martorell Naßl, Konzern Versicherungskammer

 
Ein Interview mit
Isabella Martorell Naßl