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Steuern & Recht
16. Juni 2023
Für Lohnfortzahlung müssen Erkrankungen offengelegt werden
Man holds gavel judge with lawyer

Für Lohnfortzahlung müssen Erkrankungen offengelegt werden

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitnehmer alle Erkrankungen offenlegen müssen, um einen Anspruch auf weitere Lohnfortzahlung geltend zu machen. Eine ärztliche Erstbescheinigung genügt nicht, um zu klären, ob es sich um eine Folgeerkrankung handelt.

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist grundsätzlich auf sechs Wochen begrenzt. Wird der Beschäftigte nach Ausschöpfung des Sechs-Wochen-Zeitraums infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, muss das Unternehmen nur dann Entgeltfortzahlung leisten, wenn der Beschäftigte laut Entgeltfortzahlungsgesetz vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit mehr als zwölf Monate verstrichen sind.

Vor Ablauf dieser Fristen entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch somit lediglich dann, wenn eine neue „Ersterkrankung“ vorliegt. Doch dann genüge eine ärztliche Erstbescheinigung nicht mehr, urteilten nun die Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG).

Kläger beruft sich auf Datenschutzgründe

Geklagt hatte ein Mann, der in der Gepäckabfertigung am Frankfurter Flughafen arbeitete und in den Jahren 2019 und 2020 in erheblichem Umfang krank war. Mit seiner Klage verlangte er daher Lohnfortzahlung für insgesamt zehn Tage. Zum Nachweis legte er die Diagnose-Codes der neuen Erkrankungen vor und benannte die früheren Krankheitstage, die nach seiner eigenen Einschätzung auf dieselben Erkrankungen zurückgehen. Andere frühere Erkrankungen müsse er aus Datenschutzgründen hingegen nicht offenlegen, meinte der Kläger vor Gericht. Doch dem Arbeitgeber reichte dies nicht aus, und er verweigerte die Lohnfortzahlung mit dem Argument, dass er davon ausgehe, dass bezüglich der Erkrankungen im strittigen Zeitraum anrechenbare Vorerkrankungen vorgelegen hätten, die eine Verpflichtung zur weiteren Entgeltfortzahlung ausschlössen.

Eingriff in informationelle Selbstbestimmung ist gerechtfertigt

Und die Richter am BAG gaben nun dem Arbeitgeber recht. Der Arbeitnehmer müsse sämtliche Erkrankungen offenlegen und gegebenenfalls auch die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Eine ärztliche Erstbescheinigung genüge insbesondere dann nicht mehr, wenn sie von einem anderen Arzt ausgestellt wurde. Denn diese habe dann naturgemäß keinerlei Aussagekraft dazu, ob es sich um eine anrechenbare Folgeerkrankung handele oder nicht, so die Auffassung der Richter. Dieser Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei „verhältnismäßig und damit gerechtfertigt“, urteilte das BAG. Denn nur so lasse sich klären, ob ein weiterer Anspruch auf Lohnfortzahlung bestehe.

Regel soll Lohnfortzahlung in einem zumutbaren Rahmen halten

Zwar hätten Arbeitnehmer grundsätzlich ein hohes Interesse am Schutz ihrer Gesundheitsdaten. Gleichzeitig durchbreche die Lohnfortzahlung aber den Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ und greife so in die Berufsfreiheit der Arbeitgeber ein. Die gesetzlichen Regelungen zum Sechs-Wochen-Zeitraum hätten daher den Zweck, die wirtschaftliche Belastung durch die Lohnfortzahlung in einem zumutbaren Rahmen zu halten. (as)

BAG, Urteil vom 18.01.2023 – Az. 5 AZR 93/22

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